Ursula Isbel-Dotzler

Nelly - Das schönste Pferd der Welt


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hat eine Maus mitgebracht“, sagt Dani. „Wie wär’s mit Mäusebraten in Bierteig zum Mittagessen?“

      Chris verzieht das Gesicht. Molly springt auf den Teppich, kommt zu mir und legt mir ihre Beute vor die Füße. Es ist wirklich eine tote Maus. Sie tut mir leid, wie sie da liegt, so schlaff und mit einem blutigen Öhrchen. Aber Katzen fangen Mäuse, das ist nun mal so.

      „Bring sie wieder raus!“ sage ich. „Ich weiß, du bist stolz darauf, daß du sie erwischt hast, aber ich mag solche Geschenke nicht besonders.“

      Molly schnurrt wie verrückt und reibt ihren Kopf an meinen Jeansbeinen.

      „Du solltest sie schon loben“, meint unser Vater. „Ohne die Katzen würden uns die Mäuse bald auf dem Kopf herumtanzen. Als ich ungefähr so alt wie Dani war, hatten wir mal eine Katzenseuche hier in der Gegend. Fast alle Katzen sind daran gestorben. Und noch im gleichen Jahr gab’s die totale Mäuseplage. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie es hier im Rössle gewuselt hat. Sie waren einfach überall – in den Polstern, im Küchenkasten, im Bettzeug, sogar in den Gummistiefeln. Einmal ist mir eine dicke Maus aus der Mehltüte entgegengesprungen. Seitdem bin ich nicht mehr so wild auf Mäuse,“

      Mein Vater ist im Rösslehof aufgewachsen. Das ist unser Haus mit dem Garten, den Wiesen und der Quelle, die aus den Bergen kommt. Zum Rössle heißt unser Hof seit mehr als zweihundert Jahren. Unsere Ur-Urgroßeltern hatten hier mal eine Poststation. Das bedeutet, daß auf unserem Hof die Postkutschen hielten und ihre Pferde wechselten, die „Rösser“. Die Pferde, die müde und erschöpft von den langen Wegen über steile Berghänge und durch tiefe Schluchten waren, wurden hier in den Stall gebracht, sie wurden getränkt und gefüttert und durften sich ausruhen. Dafür wurden frische Pferde vor die Kutschen gespannt. Deshalb standen auf unserem Hof immer mehrere Rösser im Stall. In der alten Schankstube, die jetzt unsere Küche ist, gab es Bier und eine warme Mahlzeit für die Postkutscher und ihre Fahrgäste.

      Das ist lange her. Der frühere Stall ist inzwischen längst umgebaut. Chris hat seine Praxis darin und ein kleines Büro. Aber unser Hof wird hier im Schwarzbachtal auch heute noch Zum Rössle oder Rösslehof genannt, so wie in alten Zeiten.

      Unser Haus ist ein richtiges Schwarzwaldhaus. Es ist ganz aus Holz gebaut und hat ein riesiges, tiefgezogenes Dach, das mit Holzschindeln gedeckt ist. Und einen Balkon, der um drei Seiten des Hauses herumführt. Die Wände sind grau vom Alter. Innen ist es immer ein bißchen dämmerig, weil die Fenster klein sind und das Dach so weit vorspringt. Aber das macht nichts. Es ist gemütlicher und heimeliger als jedes andere Haus, das ich kenne. Nur Kathi, unsere Mutter, träumt von einem großen Fenster im Dach, damit sie mehr Licht zum Malen und Nähen hat.

      Chris ißt sein Tomatenbrot. Molly sitzt auf dem Küchenboden und verzehrt ihre Maus. Ich mag nicht hinsehen. Es reicht schon, daß ich höre, wie die Knöchelchen zwischen ihren Zähnen knacken.

      „Mahlzeit!“ sagt Dani.

      Da muß ich lachen.

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