ostfränkischen Reiches anerkennen mußten. Nur nach langen schwierigen Verhandlungen und infolge besonderer Umstände erlangte Otto I. für seinen Sohn die Hand einer griechischen Prinzessin. Theophano scheint dem Ruf feinerer Bildung der Griechen entsprochen zu haben; das machte sich auch durch den Einfluß geltend, den sie auf ihren Sohn ausübte, der schon von Natur mehr ein Sohn der Mutter als Erbe der Väter war. Karl der Große und Otto der Große vergaßen nie, daß ihre germanischen Völker ihnen die Mittel gaben, Italien zu beherrschen, der eine war Franke, der andere Sachse, und das wollten sie sein. Otto III. wollte den Schwerpunkt des Reiches nach Rom verlegen. Es schien ein richtiger, ein großer Gedanke zu sein: wenn Rom das Haupt der Welt ist, wenn Rom die Cäsarenkrone vergibt, muß der Kaiser in Rom residieren, müssen in Rom die Zügel gehalten werden, die die Welt lenken, darf das deutsche Reich nur eins neben den anderen Reichen sein, deren Haupt Rom ist. Tatsächlich war das neue Römische Weltreich kein Kreis, sondern eine Ellipse mit den zwei Brennpunkten Rom und Aachen; der universale Gedanke mußte scheitern, wenn man ihn durch eine Universalmonarchie mit einem einzigen Mittelpunkte verwirklichen wollte. Zum Zeichen seines cäsaropapistischen Gedankens setzte Otto III. Verwandte und Freunde auf den päpstlichen Stuhl, seinen Vetter Brun, den ersten deutschen Papst, und seinen bewunderten Lehrer, Gerbert von Aurillac.
Die Deutschen empfanden den Wechsel in der Politik ihres Königs bitter. Der Urenkel des Sachsenherzogs Heinrich, der Enkel des großen Otto, die nicht einmal Latein verstanden, die sich mit Vorliebe in Quedlinburg aufhielten und in den Wäldern des Harzes jagten, war ein Fremder im Norden; den Römern aber blieb er fast noch fremder als sein Großvater. Der war tatkräftig, folgerichtig, ein Herrscher, der zu rechter Zeit zu gebieten, zu strafen, zu verzeihen wußte; Otto III. wollte zugleich die Welt beherrschen und ein Heiliger sein. Otto I. wurde geliebt und verehrt, aber zugleich gefürchtet. Einmal begaben sich die Mönche von Sankt Gallen mit ihrem neuerwählten Abt an den Hof nach Speyer, um sich vom König die Wahl bestätigen zu lassen. Obwohl sie das Recht der freien Abtswahl besaßen, kamen sie als Bittende und nicht ohne Sorge, denn sie wußten, daß ihr Erwählter dem Herrn nicht sonderlich genehm war. Sie ersuchten den jungen Otto um Fürsprache, der auch als liebenswürdiger Kronprinz sich für ihr Anliegen einzusetzen versprach, hinzufügend: »Gott, in dessen Hand die Herzen der Könige sind, möge für euch meinen Löwen mild und versöhnlich machen.« Der Bischof von Speyer sagte gelegentlich zum Kaiser: »Niemals waren Augen schärfer als die deinigen, mein Löwe.« Wie einen Löwen liebten die Deutschen sich ihre Herrscher vorzustellen: furchtbar, gefährlich, großmütig. Gegen das Ende seines Lebens besuchte Otto zusammen mit seinem Sohne das Kloster Sankt Gallen. Die auf beiden Seiten aufgereihten lobsingenden Mönche betrachteten scheu den alten König, wie er mächtig in ihrer Mitte stand und die großen Augen mit Herrscherblick langsam über sie hingleiten ließ. Otto III. ließ sich vom Bischof Adalbert von Prag, der seine Diözese verlassen hatte, weil er unter der Roheit und Widersetzlichkeit der Böhmen litt, ermahnen, sich des Kaisertums nicht zu überheben, sondern eingedenk zu sein, daß er Staub sei, und kniete weinend vor den Eremiten, die damals in Italien den Ruf der Heiligkeit genossen. Er gab sich abwechselnd schrankenlosen Herrschaftsansprüchen und haltloser Zerknirschung hin. »Euretwegen«, rief er den aufständischen Römern zu, »habe ich mein Vaterland und meine Angehörigen verlassen. Die Liebe zu euch ließ mich meine Sachsen und alle Deutschen, mein eigen Blut verschmähen. Euretwegen habe ich die Mißgunst und den Haß aller auf mich geladen, da ich euch über alle stellte. Und für all das habt ihr euren Vater verworfen, meine Diener grausam ermordet und mich, den ihr doch nicht ausschließen könnt, ausgeschlossen!« Aber die Römer unterwarfen sich wohl einem Herrscher, der ihnen seine Kraft bewies, einen frommen Schwärmer und Barbaren, der sie mit weinerlichen Worten an sich fesseln wollte, verachteten sie.
Als Otto III. im Jahre 1000 in Aachen war, ließ er sich die Gruft Karls des Großen öffnen. Mit drei Begleitern drang er in das vom Geruch der Verwesung erfüllte Gewölbe ein und sah den toten Kaiser, so erzählt die Überlieferung, aufrecht, als lebe er, auf seinem Stuhle sitzen. Er hatte eine Krone auf dem Haupte, und die Nägel waren durch die Handschuhe, die er trug, hindurchgewachsen, ein grauenvolles Zeichen posthumer Lebendigkeit. Der Toten Grabesruhe zu stören war von der Kirche verboten und widerstrebte dem Gefühl des Volkes. Man glaubte, der edle Geist sei dem Königs Jüngling zürnend erschienen und habe ihm ein ruhmloses Ende geweissagt. Er starb zwei Jahre später zu seinem und des Reiches Glücke: denn die Unzufriedenheit der Deutschen wäre vermutlich bald zum Ausbruch gekommen und hätte ihn jeder Grundlage beraubt.
Von den deutschen Königen im engeren Sinne ist Otto I. der einzige, dem der Beiname der Große gegeben wurde, obwohl unter seinen Nachfolgern mancher ebenso geistvoll und tatkräftig war wie er. Es erklärt sich daraus, daß er in mancher Hinsicht wie Karl der Große ein Begründender war, daß er, indem er das Kaisertum an die Deutschen brachte, eine neue Epoche einleitete. Was für zerreißende Schicksale die Verbindung mit Italien und dem Papst auch über Deutschland brachte, sie gab ihm eine Weltstellung, sie gab ihm das Glück großer Gedanken, großer Kämpfe, einer großen Aufgabe. Nicht das ist ja das Höchste, daß eine dauernde Ordnung entsteht, die dem Volke Wohlstand und ruhiges Gedeihen gewährt, obwohl ein guter Herrscher auch das anstreben wird, sondern daß große Gedanken das Gemüt des Volkes bewegen, an denen es wachsen, für die es sich einsetzen kann. Und die Aufgabe, die Otto der Große seinem Volke bestimmte, war nichts Ausgeklügeltes, sie war in der Geschichte, in der geographischen Lage, in der Anlage und den Neigungen der deutschen Stämme vorgebildet. Es wäre nicht möglich gewesen, das deutsche Volk zum Träger des universalen Gedankens zu machen, wenn nicht viele Tatsachen ihn bestätigt hätten.
Dennoch war es nicht die Begründung des Kaisertums allein, die Otto vor so vielen Großen groß erscheinen ließ, sondern auch das Umfassende seiner Bestrebungen und seine Persönlichkeit. Nicht nur besiegte er endgültig die Ungarn, sondern er bekämpfte auch mit Glück die Slawen und gründete, allen Widerstand überwindend, das Erzbistum Magdeburg als Ausgangspunkt der Christianisierung der Länder jenseits der Elbe. Gesandtschaften von nah und fern bewiesen, daß ihm die christlichen und die heidnischen Völker einen Ehrenplatz in der abendländischen Welt einräumten. Hat er auch auf die Kirche, die Wissenschaften und Künste nicht so entscheidend und richtunggebend gewirkt wie Karl der Große, so hat er doch die Bedeutung dieser Seite des geistigen Lebens nicht verkannt. Seine menschliche Größe geht wohl am meisten daraus hervor, daß mehrmals aus seinen Feinden Freunde wurden. Die eigene Mutter hatte ihm verschiedentlich entgegengearbeitet, teils durch Begünstigung ihres Lieblingssohnes Heinrich, teils durch allzu verschwenderische Schenkungen an die Geistlichkeit und die Armen; aber auch sie wendete schließlich ihr ganzes Herz ihm zu. Es wird erzählt, daß eines Tages in Nordhausen, Mathildens Witwensitz, nachdem Mutter und Sohn sich unter Tränen umarmt und getrennt hatten, die alte Königin niederkniete und den Boden küßte, wo Ottos Füße gestanden hatten; durch diese rührende Gebärde mochte sie, des Sohnes Größe endlich ganz begreifend, ihr früheres Verkennen abbitten wollen. Als die, die das mit angesehen hatten, dem Könige nachfolgten und es ihm erzählten, sprang er sofort vom Pferde, kehrte um und umarmte seine Mutter, indem er sagte: »Durch welchen Dienst kann ich diese Tränen vergelten?« Wie sein Vater, starb Otto I. in Memleben, wo noch ein paar Säulengänge an die Zuneigung der Sachsenkönige zu dieser Pfalz erinnern. Nachdem er wie immer bei Morgengrauen aufgestanden war, den Armen Almosen gespendet, fröhlich, wie es seine Art war, zu Mittag gespeist und am Schluß des Tages den Abendgottesdienst besucht hatte, wurde er von einem plötzlichen Übelbefinden ergriffen. Mitten aus erfülltem Leben schied der tätige Geist königlich gefaßt. Begraben wurde er, wie er gewünscht hatte, neben seiner ersten Frau, Edith, im Dome zu Magdeburg, der im Jahre 1207 abbrannte.
Bischöfe
Während der Kriege Karls des Großen mit den Sachsen schickte die altbritische Kirche Missionare an die deutsche Küste; einer von ihnen war Willehad, den Karl der Große im Jahre 787 in Worms zum Bischof machte. Zu seinem Wohnsitz wählte er ein Dorf, das Bremen hieß, wo er auch, als er zwei Jahre später starb, bestattet wurde. Erst sein Nachfolger Willerich erhielt zum Bischofstitel ein Bistum, das dem Erzbischof von Köln unterstellt wurde. In Nordalbingien, dem Niederelbeland, gab es damals zwei Kirchen, die eine war in Hamburg und