von Tirol vermählt hatte, sich nicht mehr vor ihr erhob, wie er früher getan hatte, und das damit begründete, daß sie ihr erlauchtes Geschlecht durch die Heirat mit einem weit unter ihr Stehenden verleugnet habe; er als König und Sohn des Kaisers werde ihr nun nicht mehr die Ehre erweisen, die der römischen Kaiserin gebührt habe. Der Fluch der Kirche und der Abfall des Glückes beugten den Stolz des Hohenstaufenblutes nicht. Wie gering auch die Aussicht war, den Kampf zu gewinnen, in dem sein mächtiger Großvater, sein Vater und sein Oheim gescheitert waren, er wußte, daß seine Ehre forderte, ihn aufzunehmen und seinen Vorfahren, wenn nicht an Glück und Ruhm, so doch an hohem Sinn zu gleichen, und starb königlich. Jahrzehnte später zeichnete ein Mönch von Winterthur eine erstaunliche Nachricht auf, die ihm mitgeteilt worden war: als König Konradins Haupt gefallen sei, habe sich ein Adler mit raschem Fluge vom Himmel herabgestürzt, habe seinen rechten Flügel durch das Königsblut gezogen und sei so, mit blutiger Schwinge, aufgestiegen und in den Wolken verschwunden. So ließ der Volksglaube das Herrengeschlecht in die göttliche Heimat zurückkehren.
Weithin leuchtend wie die Mittagshöhe des Reichs und der Staufer war ihr Untergang. Heinrich, Friedrichs Erstgeborener, wurde von seinem Vater zum römischen König und Regenten von Deutschland bestimmt, eine Belastung, für die er nicht nur zu jung, sondern auch, wie es scheint, zu leichtherzig, zu wenig klug und zu wenig charaktervoll war. Er erzürnte seinen Vater dadurch, daß er sich von der ungeliebten Margarete von Österreich scheiden wollte, um Agnes von Böhmen zu heiraten, und er verdarb es mit den Fürsten, weil er die Städte begünstigte. Friedrich verfuhr gegen ihn mit mehr als Härte, mit einer Grausamkeit, die den Sohn zum Äußersten trieb; er knebelte ihn so mit Vorschriften und Bedingungen, daß er den Königsnamen fast zum Hohne trug. Als der Ratlose sich mit den lombardischen Städten verbündete, bat Friedrich selbst den Papst, seinen Sohn zu exkommunizieren. Er lag erst in Heidelberg gefangen und wurde dann nach Apulien gebracht. Die Gelegenheit wahrnehmend, als er aus einem Kerker in einen anderen geführt werden sollte, riß er sich unterwegs von seinen Begleitern los und stürzte sich mit seinem Pferd in den Abgrund. Er war noch nicht dreißig Jahre alt. Friedrich ließ ihn in ein mit Gold und Silber gesticktes Gewand kleiden, worin Adlerfittiche eingewebt waren, und in einem marmornen Sarkophage in der Kirche von Cosenza beisetzen.
Enzio, der Sohn einer adligen Deutschen, der, wie man sagte, dem Vater am meisten ähnlich sah, soll versucht haben, in einem Fasse verborgen der bolognesischen Gefangenschaft zu entfliehen, aber durch eine seiner goldenen Locken verraten worden sein. Lange erheiterten ihm Liebe und Freundschaft und die eigene Liebenswürdigkeit die Öde der Gefangenschaft; aber im Lauf der Jahre verstummten sein Gesang und seine Gedichte. Er starb im Jahre 1272, überlebte also Konradins Tod um vier Jahre. Friedrichs Tochter Margarete, die den Wettiner Albrecht von Meißen geheiratet hatte, mußte einer Geliebten ihres Mannes weichen und starb bald darauf in einem Kloster in Frankfurt am Main. Die Sage erzählt, sie habe, als sie bei Nacht flüchtend ihre Kinder habe verlassen müssen, ihren kleinen Sohn Friedrich vor Schmerz in die Wange gebissen. Er trug später den Beinamen »mit der gebissenen Wange« oder der Freidige. Er betrachtete sich als den Erben Siziliens, ohne den Anspruch jemals verfechten zu können. In der Art, wie er inmitten der größten Widerwärtigkeiten immer heiter blieb, sogar zu scherzen liebte, zeigte er die Eigenart der staufischen Ahnen. Sein Sohn, Friedrich der Lahme, ein lieblicher Jüngling, wurde in der Nähe von Leipzig ermordet. Beatrix, die junge Tochter des ermordeten Königs Philipp, starb, war es Zufall oder dunkler Zusammenhang, kurz nachdem sie die Frau Ottos, des Nachfolgers ihres Vaters geworden war. Mit Geierblicken spähte das Geschick nach jedem gezeichneten blonden Haupte, wo immer es sich verbarg.
Wenn das Gerücht umging, Konrad, der Sohn der Kaiserin Isabella, sei von seinem Halbbruder Manfred vergiftet, und wiederum, Konrad habe Heinrich, den Sohn der Konstanze von Aragon, Friedrichs erster Frau, umbringen lassen, so sieht man, daß seit Heinrich VI. ein düsterer, fast diabolischer Zug sich in das Antlitz der Dynastie eingegraben hatte. Im Gedächtnis der Deutschen erhielt sich davon nichts. Sie verehrten in ihnen die Imperatoren, die den hohen Gedanken des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation glorreich verkörperten. Ihr Dasein empfindet man zwischen den Trümmern des Palastes von Gelnhausen, wenn man unter den gebrochenen Bogen des festlichen Saales über die wuchernden Gebüsche der Weiden und Schwarzpappeln hinweg zur Marienkirche hinübersieht, wenn man auf den gestürzten Kapitellen die edlen Linien der staufischen Adler erkennt, wenn man in den Gassen der kleinen, ärmlichen Stadt den schneidenden Atem des Schicksals spürt. Oder man fühlt es beim Hohenstaufen, wo Graf Friedrich von Büren, nachdem er Schwiegersohn Heinrichs IV. geworden war, die Burg erbaute, nach der sich künftig seine Familie nannte. Von dieser Burg, wo die unglückliche Irene, des ermordeten Königs Philipp junge Witwe, nachdem sie ein Kind geboren hatte, mit diesem starb, ist nichts übriggeblieben; der Wind streicht über Gras und Steine. Aber diesen niedrigen Hügel, an dessen Fuße Schafe weiden, umzieht ein geisterhafter Saum, türmt die Erinnerung hoch zu einem heroischen Mal. Nichts hat sich verwirklicht, was die großen Träumer wollten, die von hier ausgingen; aber sie selbst wurden unsterblich an ihren vergeblichen Taten.
Kaufleute
Als König Hettel von Hegelingen die Kunde von der schönen Hilde vernahm, deren Vater, der König von Irland, alle, die um sie warben, töten ließ, bemächtigte sich seiner der Wunsch, die verbotene Frucht zu besitzen; und er versammelte seine Vasallen und Freunde, um mit ihnen zu beraten, auf welche Weise er sie gewinnen könne. Da schlug Herr Frute von Dänemark vor, sie wollten Schiffe mit Waren beladen und als Kaufleute verkleidet nach Irland fahren, damit der wilde Hagen sie ohne Arg empfange und sie Gelegenheit hätten, die Königstochter zu sehen und vielleicht zu entführen. Der Plan wird ins Werk gesetzt, sie erreichen die Königsburg, werden freundlich aufgenommen, richten am Strande Buden auf, in denen sie kostbare Waren auslegen, schleichen sich in die Gunst der königlichen Familie ein, und nachdem der Däne Horand durch sein Singen das Herz der schönen Hilde bezaubert und die Einwilligung ihrer Mutter gewonnen hat, bitten sie um Urlaub und fahren mit dem Mädchen davon. In dem Volksmärchen vom treuen Johannes wird ein ähnlicher Vorgang erzählt: ein junger König verliebt sich in das Bild der Königstochter vom Goldenen Dache, und um sie zu erlangen, die augenscheinlich ebenso wie jene Hilde von einem gewalttätigen Vater behütet wird, verkleiden sich der König und sein alter Diener als Kaufleute und befrachten ein Schiff mit goldenen Gegenständen, die zu diesem Zweck kunstfertig hergestellt worden sind. Der Anblick der zierlichen Dinge verleitet die Königstochter, das Schiff zu besteigen, worauf die Anker gelichtet werden und der König die Entführte gewinnen kann.
In beiden Fällen wird darauf gerechnet, daß der Kaufmann ein gern gesehener, ein ersehnter Gast ist. In der Königsburg auf Irland werden die vermeintlichen Kaufleute vom Stadtrichter und den Bürgern freudig empfangen, und das Geleit, um das sie bitten, wird bereitwillig vom König erteilt. Man hat den Eindruck, daß sie nicht nur wegen der Waren, die sie führen, sondern auch als Bringer von Neuigkeiten willkommen sind. Allerdings sagt der alte Wate, ein ganz und gar auf Kampf eingestellter Recke, stolz ablehnend, er sei kein Handelsmann, wenn er Gut gewinne, pflege er es mit seinen Helden zu teilen, und die Herren halten auch darauf, mehr zu verschenken als zu verkaufen; immerhin aber halten sie sich nicht zu gut, um bürgerliches Kaufmannskleid anzulegen und als Kaufleute aufzutreten, und als solche werden sie auch vom König Hagen freundlich aufgenommen und zu Gaste geladen. Ihr großartiges Auftreten, ihre ritterlichen Künste fallen zwar auf, aber an Betrug wird nicht gedacht; es erscheint als möglich, daß Kaufleute zugleich Landbesitzer sind, viele Knechte haben, mit den Waffen umgehen können und mit Adligen wie mit ihresgleichen verkehren. Der gute Gerhard von Köln, eine legendäre Figur des Hochmittelalters, ein Kaufherr, der mit seinem Schatz an Waren gefangene Christen eingelöst und deshalb den Beinamen des Guten bekommen hat, erscheint als des Erzbischofs Freund und wird vom englischen Adel, der ihm zu Dank verpflichtet ist, zum König von England gewählt; er lehnt großmütig ab. Zum Geistlichen, zum Dynasten, Ritter und Bauern, dem Personal des frühen Mittelalters, tritt der Kaufmann als ein neues, fremdartiges Element, das vereint mit dem Handwerker eine neue, die bürgerliche Kultur begründet.
Die ältesten Städte Deutschlands waren die Römerstädte am Rhein und an der Donau, Köln, Mainz, Basel, Straßburg,