Kostgänger. Er war ein Schatzgräber.«
»So,« versetzte Margret ohne Teilnahme; »was wollte der hier?«
»Er sagte, er habe einen Schatz gefunden, hinter dem Busch am Teigenkamp.«
»Weshalb hebt er ihn nicht?«
»Ja, das ist mir auch eingefallen, Margret; aber er sagt, er sei ein alter schwacher Mann, der nicht allein Kraft genug dazu habe; und wenn er's einem hier herum anvertraue, der stärker sei als er, laufe er Gefahr, daß der alles nehme und statt seines Parts ihm eine Tracht Prügel gebe. Und das ist auch wahr; alt und schwach schien mir der Mensch. Er wollte, ich sollt' ihm helfen, weil er wisse, daß ein Kavalier nicht einen armen Schelm um das Seine bringen würde.«
»So?« sagte Margret gedehnt; »und wollt Ihr denn hin, Ew. Graden?«
»Ja, Margret, das wollt' ich wohl, ein Schatz ist nicht alle Tage zu finden; aber des Nachts, so allein – seht, Margret, Ihr wißt so allerlei; ich dachte, ob Ihr nicht auch ein Mittel hättet, bei Tage die Stelle zu finden; dann könnt' es ohne Gefahr abgehen.«
Margret schwing.
»Habt Ihr keine Wünschelrute?«
»Da hinterm Bauchfang liegt noch eine alte,« sagte sie.
»Ei, so wären wir ja fertig; wollt Ihr morgen mit mir den Teigenkamp entlang gehen?«
»Herr, ich bin eine alte Frau, und das Gehen wird mir sauer.«
»Aber es soll Euer Schade nicht sein; ein Zehntel, ein Fünftel wollt' ich sagen –«
»Ew. Gnaden, Ihr braucht kein Geld, und ich hab's gerade auch so nötig nicht. Laßt den Schatzgräber sehen, wie er fertig wird.«
»Ihr wollt nicht, Frau Fahrstein?«
»Herr, man kann dabei auf allerhand Dinge stoßen und etwas anderes finden, als wonach man ausgegangen Ist. Laßt's unterwegs.
Frau Fahrstein haspelte schweigend weiter, und Herr von Driesch schaute in unheimlicher Stimmung und mißvergnügt die Schatten an, die über die Wand flogen; es war so still in der weiten Küche, daß jeder aus der Holzflamme sprühende Funken wie ein lauter Schall hineintönte.
»Margret,« fragte der Gutsherr nach einer Weile, »wißt Ihr nicht ein Mittel, sich unsichtbar zu machen? Dann könnte man's immer wagen!«
»Was meint Ihr, was ich wär', Ew. Gnaden?« fuhr Margret auf.
»Eine kreuzbrave Frau, die lange gelebt hat und die Augen offen gehalten hat. Dann lernt sich manches.«
»Wißt Ihr, was dazu gehört, sich unsichtbar zu machen?«
»Nein, Margret, deshalb frag' ich.«
»So will ich's Euch sagen. Ihr müßt –« sie stockte einen Augenblick, dann faßte sie sich und sprach leise weiter: »Ihr müßt sieben Herzen von ungeborenen Kindern essen; die müßt Ihr tot gemacht haben, nun ja, das freilich, sonst könntet Ihr's nicht, aber die Kinder müssen Eure eigenen sein.«
Der Gutsherr zwinkerte mit den Augen wie ein schläfriger Raubvogel; dann schüttelte er sich und rückte seinen Stuhl einen halben Schritt von Margret weiter fort.
»Man kann auch nebenbei sich ein Mittel machen, wenn man nachts in ein Haus gehen will, daß niemand darin aus dem Schlafe aufwachen kann, so lange man will. Man braucht nur den Talg von einer der Kinderleichen zusammenzuschmelzen und eine Kerze daraus zu gießen; so lange die brennt, wacht niemand auf. Was man dabei sagen muß, sind wunderliche Worte; aber ich habe mich nie um solche gottlose Dinge viel gekümmert.«
Margret warf einen verstohlenen pfiffigen Blick auf den Gutsherrn; dieser vermochte nicht mehr seine Augen von ihrem Gesicht zu wenden. »Leibhaftiger Satan!« murmelte er. Margret drehte immerzu ruhig ihren Haspel um; durch den Kreis, den seine Schwingungen beschrieben, schaute ihr seltsames, markiertes Gesicht, und die blauen Augen lugten bohrend hindurch. Von Zeit zu Zeit knackte die hölzerne Feder, um das Zeichen zu geben.
Der Gutsherr mußte sie unverwandt anschauen; ihre Züge wurden ihm immer unheimlicher, ihr Gesicht, deuchte ihm, verzerrte sieh; die Augen traten immer größer, immer quecksilberartig lebendiger hervor; ihm schien – ja wahrhaftig, sie fingen jetzt an, sich, ebenso wie der Haspel, in ihren Höhlen herumzudrehen. Er stemmte beide Arme auf seine Knie und legte sich mit vorgebeugtem Oberkörper darauf; es war ihm zumute wie einem armen Vogel, den eine Klapperschlange mit ihren Blicken fängt. – »Hinter den Augen hat der Teufel seine Talgkerze angezündet,« flüsterte er. Der Haspel knackte. – »Ja, fletsch' du nur mit deinen Zähnen!« murmelte Herr von Driesch. Jetzt – o Herr Gott! – jetzt fing ihr ganzes Gesicht an, sich mit den kreisenden Garnfäden in die Runde zu drehen.
»Was willst du, Lene?« sagte Margret ruhig zu der eintretenden Magd.
»Frau Fahrstein, es geht ein fremder Mensch ums Haus her; erst stand er eine Weile auf der Mühlenbrücke still, und jetzt ist er unter die Kastanienbäume gegangen,« sagte Lene schüchtern.
»So laßt den Jäger Sr. Gnaden ihm aufpassen!« Mit diesen Worten hob Margret ihr Gesicht zu Lene in die Höhe, und damit war auch der Zauber verschwunden, der Herrn von Driesch gefesselt hielt.
»Hu!« rief er aus, sprang auf und schüttelte sich. Dann brach er in ein unmäßiges Gelächter über sich selber aus.
»Torheit ohne Ende!« sagte er für sich; »das war der Mühe wert! ein altes Weibergesicht! Na, am Telgenkamp wird's auch nicht schlimmer sein. Lene, zünde mal die Laterne an. Soll mich der Teufel holen, wenn ich je wieder mich fürchten will!«
Er ging hinaus und kam gleich darauf zurück, im Oberrock, einen schweren Hirschfänger an der Seite. Dann zog er am Feuer seine Stulpstiefel in die Höhe und nahm die Laterne.
»Wollt Ihr gehen, Ew. Gnaden? die Nacht ist niemands Freund!«
»Ei was, Alte, bleibt Ihr nur ruhig hier am Feuer sitzen, dann wird's draußen schon sicher sein.«
»Lene sagt, ein fremder Mensch treibe sich ums Haus her.«
»So, Ist er da? desto besser; dann können wir zusammen durchs Holz gehen. Nun, mit Gott, Alte; sollt Euch wundern, was ich heimbringe.«
»Es wird viel sein,« sagte Margret, als er aus der Tür war, und sandte dann Lene hinauf, um Bernhard herunter zu rufen, mit dem sie einige Worte wechselte und der dann gleichfalls Anstalten zum Ausgehen machte.
Als Herr von Driesch vor den Toren seines Gutes stand, war alles still. Die Nacht war nicht gerade finster, aber doch spärlich erhellt. Er schaute sich um, ging einigemal an dem äußern Graben auf und ab und hielt die Laterne hoch, um sie weiterscheinen zu lassen; aber niemand war da als ein Nachtvogel, der durch die Kastanienzweige am andern Ufer schoß. Endlich glaubte er eine Gestalt aus dem Schatten der Mühle treten zu sehen; ja ein leiser Pfiff tönte daher; dann ging sie langsam auf die Wiesenfläche hinab, die jenseits an den Wald stieß, hinter dem der Telgenkamp lag. In der Ferne bellte ein Hund. Herr von Driesch stand eine Weile still. Ich könnte es vor Kind und Kindeskind nicht verantworten, wenn ich die Gelegenheit in den Wind schlüge, sagte er darauf; in dem Busch wird auch nicht mehr sein, als bei Tage drin ist. Dummer Schnack! Altweibergeschwätz. Geh ritterlich drauf los, Säuberlicher! Heda, Karo, du kannst mitmarschieren! 's ist doch etwas.
Er ging rasch in den innern Hof zurück und häkelte Karo, einen dicken, zottigen Siebenschläfer, von seiner Kette los; der Rüde wollte ihm anfangs nicht folgen, und als er ihn am Halsband zerrte, schnappte er knurrend nach seiner Hand.
»Verfluchte Bestie!« Ein paar heftige Tritte mit dem Stiefelabsatz brachten ihn zum Gehorsam; er trabte nun dicht hinter den Fersen seines Herrn her, die weit auszuschreiten begannen und über die Wiesengründe, so rasch es der moorige und weiche Boden erlaubte, dem Walde zustrebten. Am Saume desselben angekommen, hielt Herr von Driesch wieder ein; er hob die Laterne in die Höhe und spähte rechts und links in den Wald hinein; nichts als hohe, graue Eichstämme, auf deren unterer Hälfte der gelbe Lichtschein zitterte. Nun wurde die Leuchte geöffnet, der Docht der Kerze vorsichtig mit den Fingern geschneuzt,