Martin Luther

Die beliebtesten Weihnachtsklassiker


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Hobbs hat zuerst gemeint, du werdest sie immer tragen, dann sagte er aber auch, du werdest sie hier und da ablegen, wenn du den Hut aufsetzest zum Beispiel.«

      »Ja, ja,« sagte der Graf, »gelegentlich lege ich sie ab.«

      Einer der Diener mußte sich plötzlich abwenden, um hinter der vorgehaltenen Hand ein eigentümliches Husten hervorzustoßen.

      Cedrik hatte seine Mahlzeit zuerst beendet, lehnte sich in seinem Stuhle zurück und sah sich im Zimmer um.

      »Du mußt sehr stolz sein auf dein Haus,« bemerkte er, »es ist so schön und der Park, der ist so herrlich.« Dann hielt er einen Augenblick inne und sah merkwürdig bedeutungsvoll zum Grafen hinüber. »Ist das Haus nicht sehr groß für nur zwei Menschen, die drin leben?«

      »Groß genug jedenfalls,« versetzte der Graf. »Ist dir's zu groß?«

      Seine kleine Herrlichkeit zögerte einen Augenblick.

      »Ich dachte nur so, daß, wenn zwei Leute drin wohnten, die nicht gut zusammen passen, dann könnte man sich recht einsam vorkommen.«

      »Glaubst du, daß wir gut zusammen passen werden?«

      »O ja, gewiß. Mr. Hobbs und ich, wir sind sehr gute Freunde gewesen. Er war der beste Freund, den ich hatte, außer Herzlieb.«

      Der Graf zog die buschigen Augenbrauen ein wenig in die Höhe.

      »Wer ist das, Herzlieb?«

      »Meine Mama,« sagte Lord Fauntleroy mit seltsam leisem, ruhigem Tone.

      Die Tafel war aufgehoben und man begab sich wieder in die Bibliothek. Diesmal führte der Diener den Grafen auf der einen Seite, die andre Hand aber stützte derselbe wieder auf des Enkels Schulter, nur nicht so wuchtig wie zuvor. Nachdem der Diener sich zurückgezogen hatte, lagerte sich Cedrik auf dem Teppiche vor dem Kamine neben Dougal, streichelte den Hund und blickte schweigend auf das Feuer.

      Der Graf beobachtete ihn scharf. Es war ein Ausdruck von Sehnsucht und tiefem Nachsinnen in des Kindes Augen, und ein paarmal seufzte er leise.

      »Fauntleroy,« begann der alte Herr schließlich, »woran denkst du?«

      »An Herzlieb,« erwiderte er, »und – und es wird besser sein, wenn ich ein wenig aufstehe und im Zimmer herumgehe.«

      Er erhob sich, steckte die Hände in die Taschen und fing an, auf und ab zu gehen. Seine Augen leuchteten verdächtig, und er hatte die Lippen aufeinander gepreßt. Aber er hielt den Kopf hoch und trat sicher und fest auf. Langsam stand Dougal auch auf, sah eine Weile zu ihm hinüber, dann schritt er auf das Kind zu und folgte ihm. Cedrik zog eine Hand aus der Tasche und legte sie dem Hunde auf den Kopf.

      »Ein guter Hund, der,« sagte er. »Er ist schon ganz mein Freund und weiß, wie mir's zu Mute ist.«

      »Wie ist dir's denn zu Mute?'' fragte der Graf.

      Es war ihm unbehaglich, mit anzusehen, wie der kleine Mensch da zum erstenmal mit seinem Heimweh kämpfte, und doch freute er sich, daß Cedrik sich so tapfer hielt: der kindliche Mut gefiel ihm.

      »Komm her,« sagte er.

      Fauntleroy kam sofort.

      »Ich bin noch nie von Hause weg gewesen,« sagte das Kind, die großen braunen Augen etwas mühsam aufreißend, »'s ist eine sonderbare Sache, wenn man auf einmal die ganze Nacht in jemandes Schloß bleiben soll, statt nach Hause zu gehen. Aber Herzlieb ist ja nicht so sehr weit weg, daran soll ich denken, hat sie gesagt, und – und ich bin ja schon sieben – und ich kann auch ihr Bild ansehen, sie hat mir's gegeben,«

      Er fuhr mit der Hand in die Tasche und zog ein kleines Etui von dunkelblauem Samt hervor.

      »Hier ist es. Sieh, wenn man daran drückt, so springt es auf und drin ist sie!«

      Er lehnte sich dabei so vertrauensvoll an des Grafen Arm, als ob dies von jeher sein Platz gewesen wäre.

      »Das ist sie,« sagte er und sah lächelnd zu ihm auf.

      Der Graf zog finster die Augenbrauen zusammen. Er wollte das Bild nicht sehen und warf trotzdem einen Blick darauf. Es erschreckte ihn förmlich, ein so junges, hübsches Gesicht vor sich zu haben, mit den nämlichen braunen Augen, wie das Kind an seiner Seite.

      »Vermutlich glaubst du, sie sehr lieb zu haben?«

      »Ja,« erwiderte Cedrik sanft und einfach, »das glaube ich und das ist auch so. Weißt du, Mr. Hobbs war mein Freund, und Dick auch und Mary, aber Herzlieb und ich, wir sind doch die aller-allerbesten Freunde und sagen einander alles. Und ich muß auch für sie sorgen, weil mein Papa das nicht mehr thun kann – wenn ich groß bin, werd' ich arbeiten und Geld verdienen.«

      »Wie gedenkst du denn das anzufangen?« erkundigte sich der Großvater.

      Seine kleine Herrlichkeit setzte sich wieder auf den Kaminvorsetzer, hielt das Bild in der Hand und schien sich seine Antwort reiflich zu überlegen.

      »Ich habe schon gedacht, ich könnte in Mr. Hobbs' Geschäft eintreten,« sagte er, »aber lieber würde ich Präsident.«

      »Da schicken wir dich besser ins Oberhaus,« sagte der Graf.

      »Ja nun, falls ich nicht Präsident werden kann und das auch ein gutes Geschäft ist, will ich's wohl thun. Spezereigeschäfte sind nicht immer unterhaltend.«

      Vielleicht dachte er noch weiter über den Gegenstand nach, denn er blieb ganz ruhig sitzen und sah ins Feuer. Der Graf sprach nichts mehr, lehnte sich in seinen Fauteuil zurück und beobachtete das Kind. Manch neuer, ihm fremder Gedanke mochte den alten Edelmann beschäftigen. Dougal hatte sich lang ausgestreckt, den mächtigen Kopf auf die breiten Tatzen gelegt und schlief – tiefes Schweigen herrschte.

      Als eine halbe Stunde später Mr. Havisham in das Zimmer geführt wurde, machte ihm der Graf halb unwillkürlich ein hastiges Zeichen, leise aufzutreten, Dougal schlief noch immer, und neben ihm, das lockige Köpfchen auf den kleinen Arm gelegt, schlummerte Lord Fauntleroy.

      Sechstes Kapitel.

       Der Graf und sein Erbe

       Inhaltsverzeichnis

      Als Lord Fauntleroy am andern Morgen erwachte, hörte er ein Stimmengeflüster, und als er sich umdrehte und die Augen aufschlug, entdeckte er zwei Frauen in seinem Zimmer. Alles sah lustig und hell aus, der Sonnenschein fiel durch das epheuumrankte Fenster und tanzte fröhlich auf dem bunten, großblumigen Kattun, mit dem alles bezogen war. Die Frauen traten an sein Bett und er erkannte nun eine derselben als Mrs. Mellon, die Haushälterin; die andre dagegen war ihm fremd, hatte aber ein so gutmütiges, wohlwollendes Gesicht, als man sich's nur wünschen konnte.

      »Guten Morgen, Mylord,« sagte Mrs. Mellon. »Gut geschlafen?«

      Seine Herrlichkeit rieb sich die Augen und lachte.

      »Guten Morgen,« sagte er, »ich weiß gar nicht, wo ich bin.«

      »Sie wurden gestern abend schlafend hier heraufgetragen in Eurer Herrlichkeit Schlafzimmer, und hier ist Dawson, die Sie zu bedienen hat,« erläuterte Mrs. Mellon.

      Fauntleroy saß im Bette auf und bot Dawson die Hand, gerade wie er sie auch dem Grafen geboten hatte.

      »Guten Morgen,« sagte er, »ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie für mich sorgen wollen. Miß Dawson oder Mrs. Dawson bitte?«

      »Ganz einfach Dawson, Mylord!« erwiderte die Angeredete, freudestrahlend und knicksend. »Weder Miß noch Mrs., Gott segne Eure Herrlichkeit! Wollen Sie jetzt aufstehen und sich ankleiden lassen und dann im Kinderzimmer frühstücken?«

      »Anziehen kann ich mich schon seit ein paar Jahren allein. Danke,« erwiderte Cedrik. »Herzlieb hat es mir gezeigt, Herzlieb ist meine Mama. Mary mußte ja bei uns ganz allein alle Arbeit thun und waschen, da hätte man ihr nicht auch noch die Mühe machen können. Auch