Martin Luther

Die beliebtesten Weihnachtsklassiker


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nein, Harro, nein, und so lange, wie ich dich nicht gesehen habe – o Harro, warum hast du nicht einen einzigen Brief von mir beantwortet? Auch nicht den letzten, vor vierzehn Tagen!«

      »Vor vierzehn Tagen? ...« So lange hat sie noch geschrieben. »Ich habe nie einen Brief bekommen.«

      »Nie, – alle meine Briefe ...? Du hast gedacht, ich hätte dich ganz vergessen!«

      »Nein, das habe ich nie gedacht. Nur, es sei Ihnen nicht gestattet, ich konnte es auch gar nicht erwarten ...«

      »Harro, dein neues Haus steigt aus dem Walde auf. Es ist das schönste im ganzen Land. O Harro, ich möchte hundert Dinge von dir wissen. Und daß du mich gar nicht gleich kanntest, weil ich häßlich geworden bin und so überlang neben allen Leuten, nur neben dir nicht.«

      »Häßlich,« sagt der lange Thorsteiner, »o Gott, häßlich!«

      Und Rosmarie sieht plötzlich erschrocken und wie aus einem Traume erwachend zu ihm auf. Eine langsame brennende Röte steigt in ihre Wangen und ihre Augen füllen sich wieder mit Tränen. Die Augen des Seelchens, die sanften, träumerischen Augen, die noch so feucht vom Kinderbrunnen sind. Harro ergreift die feine Hand: »Ich habe Ihnen noch nicht gedankt. Es war so gütig von Ihnen, so ganz wie das Seelchen ... Ich bin seitdem recht einsam gewesen.«

      »Nicht so einsam wie ich,« sagte die Prinzessin langsam. »Nein, es ist da die große Arbeit, die Freude daran und der Erfolg – ich habe davon gelesen. Ich lese alles, auch gesehen habe ich die drei Bäume bei Schulte!«

      Er lächelt. »Und die hohe Kritik, darf ich noch darum bitten ...«

      Rosmarie antwortet ganz ernsthaft: »Es schien mir, als sei der Himmel zu schwer, zu drohend die Wolken, und dazu das Land zu lächelnd, als wäre das Bild aus zwei Stimmungen gemalt, aber vielleicht täusche ich mich.«

      »So wenig als früher, Rosmarie, du hast immer noch das zweite Gesicht. – So ganz hat mich nie mehr etwas befriedigt, seit wir nicht mehr zusammen die Bilder malen ... ich könnte dir da erzählen, –« er stockt, es ist ihm ja wieder das alte Du entfahren, das darf nicht mehr sein, das ist vorüber. – Und Rosmarie hat wie immer den leisesten Schatten über seinem Wesen sofort gefühlt.

      Sie schweigen, und da drüben pendelt der blaue Diener herum, als treibe ihn ein Argwohn. Einen Augenblick erhebt sie wieder fast scheu die Augen zu ihm auf, ihr Blick gleitet an ihm herunter und trifft den schwarzen Mann und lächelt ein wenig.

      »Ich sah dich bei dem Knaben stehen, sonst hätte ich dich nicht mehr erreicht unter den vielen Schemen. Gib ihn mir, Harro, den schwarzen Mann, daß ich auch etwas zu Weihnachten bekomme!« –

      Er zieht ihn aus der Tasche und drückt ihn zurecht, und das schwarze Scheusälchen wird in dem weichen Atlasfutter des Sealskinmuffes verborgen, der ihr an einer goldenen Kette vom Halse hängt. Dabei hat er gesehen, daß sie an den schönsten Füßen noch Herrn Wurmhabers Schuhe trägt. Darum dieser Gang, wie nur Königinnen durch Traumgärten schreiten können. Die goldene Krone trägt sie auch. Unter dem Sealskinbarett quillt es hervor in weichen großen Wogen und über dem Ohr hängt frei eine Locke. Eine heiße Welle fliegt über sein Herz, er erhebt sich plötzlich:

      »Rosmarie, ich bin in Sorge um Sie, Sie werden gewiß erwartet, und wenn Sie jemand hier so allein sähe. – Es sind leider nicht nur Schemen, es gibt auch böse, geschäftige Zungen.«

      Rosmarie erhebt sich langsam. Sie gibt ihm ihre Hand.

      »So leb wohl, Harro ... Wann seh ich dich wieder – in Brauneck?« Harro küßt schweigend die Hand, die durch den Handschuh so kalt ist. Es ist, als schnüre ihm etwas den Hals zu.

      »Also nicht auf Wiedersehen? Harro, doch! Auf den Wiesen, wo die gelben Blumen stehen und das bittere Wasser des Vergessens fließt. Dort. Auch ich traue mich nicht mehr in die seligen Gärten hinein. Auf Wiedersehen also – vor den Toren. Vielleicht kommt doch ein verlorener Ton heraus. – Leb wohl.«

      Sie geht an ihm vorbei hinunter, langsam, wie Königinnen schreiten. –

      »O du ... Königin von Thule,« flüstert er ... »O Gott ... einen Augenblick noch. Wenn du geblieben wärest... Gott sei Dank, daß es vorbei ist.« – – –

      Der Kutscher Bernbacher aus Brauneck, der so tadellos neben dem Lakaien auf dem Bock sitzt und so sicher das Coupé durch das Gewirr der Autos und Wagen lenkt, bewegt doch seine Lippen dabei. Er brummt: »Es gibt Kerls, die dienen und das Maul nicht halten können ... aus denen wird im Leben nichts. Bagage! Es gibt eine leere Geschirrkammer und eine lange Peitsche und nirgends ein Zeuge. Und kann einer auf die Polizei laufen, die gute Stelle hat er verloren und die Empfehlung von der Herrschaft. – Wir halten auf Ordnung in Brauneck ... Also ein junger Kerl weiß nichts. Der Herr kann groß gewesen sein, er kann auch klein gewesen sein; ist die Prinzessin ausgestiegen oder nicht –. Er hat die Pferde gehalten wegen der dreimal verfluchten Autos ... Br!« Der Wagen hält, der Lakai reißt den Schlag auf, und die Prinzessin steigt die Treppe hinauf und geht in Hut und Mantel in ihres Vaters Zimmer. Der sitzt vor seinem Diplomatenschreibtisch, der mit allerhand Papieren beladen ist. Er sieht erstaunt auf.

      »Du kommst von einem Ausgang, ist dir etwas?«

      »Ich habe Harro Thorstein wieder gesehen.« Dem Fürsten steigt eine dunkle Röte auf die Stirne.

      »War er hier?«

      »Nein, er wäre wohl nicht hierher gekommen, ich mußte mit ihm sprechen, ich bat ihn, in die Nationalgalerie zu kommen. Und er war so gut und kam auch.«

      »Dies muß ich für im höchsten Grade taktlos von dem Grafen halten, dich zu treffen wie eine Konfektionsmamsell in einer Galerie.«

      »Was konnte er tun, wenn ich ihn bat, – mit Tränen gebeten habe.«

      »So trifft der Vorwurf dich. Es kann dich jemand gesehen haben, es ist heillos, nur daran zu denken. Du hast dich kompromittiert, du hast alle Mädchenhaftigkeit, deine ganze Erziehung, – Gott, ich weiß ja gar nicht, was ich sagen soll, ich bin wie vor den Kopf geschlagen. Wo ist denn Miß Granger?«

      »Ich habe Miß Granger in die englische Kirche gebracht, es ist heute Saintsday, und bin dann allein die Linden hinuntergefahren ...«

      »Ich habe dir vertraut, es kam mir kein Gedanke, daß du dies kurze Alleinsein mißbrauchen könntest. Du weißt doch, daß ein junges Mädchen nicht mit einem Herrn allein in eine Galerie geht!«

      »Harro ist doch nicht irgend ein Herr, sondern mein alter Freund.«

      »Alt, – er ist keine fünfunddreißig Jahre alt!«

      »Daß ich etwas tue, was Mama nicht recht ist und vielleicht auch dir nicht recht, fühlte ich wohl, darum komme ich jetzt zu dir und sage es dir. Bereuen kann ich es nicht, Vater. Wo sind alle meine Briefe, die ich an Harro geschrieben habe und von denen er keinen bekommen hat?«

      Der Fürst riß eine dunkle Kassette hervor; ein Druck auf das Schloß, und sie sprang auf. Sie war bis zum Rande gefüllt mit sorgfältig kouvertierten Briefen, alle uneröffnet.

      »Glaubst du denn, ich werde das dulden? Nachdem ich eingesehen habe, und auch Mama, die es als Frau besser verstehen muß, mich aufgeklärt hat, welcher Art deine Gefühle für den Thorsteiner sind. Du wirst mir einst dankbar sein. Damals wollte ich keine noch schlimmere Katastrophe herbeiführen, da du ohnedies übermäßig erregt warst, und ich hoffte, du werdest dich mit der Zeit beruhigen und an der einseitigen Korrespondenz genug bekommen. Du siehst, daß ich nichts geöffnet habe. Und Graf Thorstein hat dir nie zu schreiben versucht. Für ihn war die ganze Periode abgeschlossen, er hat sich auch nie mehr sehen lassen. Was ich ihm auch immer hoch angerechnet habe.«

      »Er mußte doch denken, wenn er nie mehr etwas von mir hörte, daß ich ihn vergessen und alles, was er mir Gutes und Schönes getan. Aber nun weiß er es ja, und ich bereue es nicht. Und du sollst ihm keinen Vorwurf machen und ihn nicht taktlos schelten ... er konnte nicht anders ... er mußte kommen. Und es war ihm nicht recht und er hatte beständig Sorge, es möchte uns jemand sehen, und es könnte mir daraus ein Schaden werden. Ich