wohlfeiler und bequemer zu haben waren als die der fernen Steinbrüche.“
Nicht bloß Kunstwerke wurden von dem Verfall betroffen, sondern auch die öffentlichen Anlagen, die dem Wirtschaftsleben oder der Hygiene dienten, Straßen und Wasserbauteil. Dieser Verfall, eine Folge des allgemeinen ökonomischen Niederganges, trug mm seinerzeit wieder dazu bei, ihn zu beschleunigen.
Die Militärlasten aber wuchsen trotz alledem, sie mußten daher immer unerträglicher werden und den völligen Ruin vollenden. Die Summe der öffentlichen Lasten – Naturalabgaben, Arbeitsleistungen, Geldsteuern – blieb gleich oder vermehrte sich, indes die Bevölkerung und ihr Reichtum ab nahm. Auf den einzelnen häufte sich eine stets schwerere Staatslast. Jeder suchte sie auf schwächere Schultern abzuwälzen; auf die unglückseligen Kolonen wurde am meisten abgeladen, ihre ohnehin schon traurige Lage dadurch zu einer verzweifelten, wie zahlreiche Aufstände bezeugen, zum Beispiel die der Bagauden, gallischer Kolonen, die sich zuerst unter Diokletian, 285 n. Chr., erhoben, nach siegreichen Anfängen niedergeschlagen wurden, aber ein volles Jahrhundert lang immer wieder durch neue Unruhen und Aufstandsversuche die Größe ihres Elends dartaten.
Indes wurden auch die anderen Klassen der Bevölkerung immer tiefer herabgedrückt, wem auch weniger hart wie die Kolonen. Der Fiskus nahm alles, was er finden konnte, die Barbaren konnten nicht ärger plündern als der Staat. Eine allgemeine Auflösung der Gesellschaft trat ein, eine steigende Unwilligkeit und Unfähigkeit der einzelnen Glieder der Gesellschaft, für das Gemeinwesen und für einander auch nur das Notdürftigste zu leisten. Was sonst Sitte und ökonomisches Bedürfnis geregelt hatte, mußte nun immer mehr durch die Gewalt des Staates erzwungen werden. Seit Diokletian wuchsen diese Zwangsgesetze. Die einen fesselten den Kolonen an die Scholle, verwandelten ihn also gesetzlich in einen Hörigen; andere verpflichteten die Grundbesitzer, an der Stadtverwaltung teilzunehmen, die freilich hauptsächlich in der Eintreibung von Steuern für den Staat bestand. Wieder andere organisierten die Handwerker in Zwangsinnungen und verpflichteten sie, ihre Dienste und Waren zu bestimmten Preisen zu liefern. Und es wuchs die staatliche Bureaukratie, die diese Zwangsgesetze durchzuführen hatte.
Bureaukratie und Armee, kurz die Staatsgewalt, gerieten dadurch in immer stärkeren Gegensatz dicht bloß zu den ausgebeuteten, sondern auch zu den ausbeutenden Klassen. Auch für diese verwandelte sich der Staat immer mehr aus einer schützenden und fördernden in eine plündernde und verheerende Einrichtung. Die Staatsfeindschaft stieg; selbst die Herrschaft der Barbaren wurde als eine Erlösung betrachtet. Zu ihnen, den freien Bauern, flüchtete immer mehr die Bevölkerung der Grenzbezirke, sie wurden schließlich von ihr als Retter, als Erlöser von der herrschenden Staats- und Gesellschaftsordnung herbeigerufen und mit offenen Armen empfangen.
Ein christlicher Schriftsteller des ausgehenden Römerreichs, Salvianus, schrieb darüber in seinem Buche De gubernatione dei:
„Ein großer Teil von Gallien und Spanien ist schon gotisch, und alle Römer, die dort leben, haben nur den einen Wunsch, nicht wieder römisch zu werden. Ich würde mich nur darüber wundern, daß nicht alle Armen und Bedürftigen überlaufen, wenn nicht der Grund wäre, daß sie ihre Habseligkeiten und Familien nicht im Stiche lassen können. Und wir Römer wundern uns, daß wir die Goten nicht überwinden können, wenn wir Römer es vorziehen, lieber unter ihnen als unter uns zu leben.“
Die Völkerwanderung, die Überschwemmung des römischen Reiches durch die Schwärme roher Germanen bedeutete nicht die vorzeitige Zerstörung einer blühenden hohen Kultur, sondern nur den Abschluß des Verwesungsprozesses einer absterbenden Kultur und die Grundlegung zu einem neuen Kulturaufschwung, der dann freilich jahrhundertelang recht langsam und unsicher vor sich ging.
In den vier Jahrhunderten von der Begründung der kaiserlichen Gewalt durch Augustus bis zur Völkerwanderung bildete sich das Christentum: in jener Zeit, die mit dem höchsten Glanzpunkt beginnt, den die antike Welt erreicht hat, mit der kolossalsten und berauschendsten Zusammenfassung von Reichtum und Macht in wenigen Händen; mit der massenhaftesten Ansammlung des größten Elends von Sklaven, verkommenden Bauern, Handwerkern und Lumpenproletariern; mit den schroffsten Klassengegensätzen und dem grimmigsten Klassenhaß – und die endet mit völliger Verarmung und Verzweiflung der ganzen Gesellschaft.
Alles das hat dem Christentum seine Merkmale aufgedrückt und seine Spuren in ihm hinterlassen.
Aber es trägt noch Spuren anderer Einflüsse, die aus dem staatlichen und gesellschaftlichen Leben entsprangen, das auf dem Boden der eben geschilderten Produktionsweise erwuchs und das deren Wirkungen vielfach noch verstärkte.
2. Das Staatswesen
a. Staat und Handel
Neben der Sklaverei bestanden noch zwei große Ausbeutungsmethoden in der antiken Gesellschaft, die ebenfalls zur Zeit der Entstehung des Christentums ihren Höhepunkt erreichten, die Klassengegensätze aufs höchste verschärften, um dann den Niedergang der Gesellschaft und des Staates immer mehr zu beschleunigen: der Wucher und die Plünderung der unterworfenen Provinzen durch die erobernde Zentralgewalt. Beide Methoden hängen mit dem Charakter des damaligen Staatswesens aufs innigste zusammen, das überhaupt mit der Ökonomie so verquickt ist, daß wir seiner schon bei der Erörterung der Grundlage von Staat und Gesellschaft, der Produktionsweise, mehrfach gedenken mußten.
Vor allem müssen wir jetzt also den antiken Staat kurz kennzeichnen.
Die Demokratie des Altertums ist über den Rahmen der Stadtgemeinde oder der Markgenossenschaft nicht hinausgekommen. Die Markgenossenschaft wurde von einem oder mehreren Dörfern gebildet, die gemeinsam ein Gebiet besaßen und verwalteten. Dies geschah auf dem Wege der direkten Gesetzgebung durch das Volk, durch die Versammlung sämtlicher stimmfähigen Markgenossen. Das setzte bereits voraus, daß die Gemeinde oder Genossenschaft nicht ausgedehnt war. Ihr Gebiet durfte gerade nur so groß sein, daß es für jeden Genossen möglich war, von seinem Hof aus die Volksversammlung ohne übermäßige Mühe und Schädigung zu erreichen. Eine demokratische Organisation über diesen Rahmen hinaus zu entwickeln, war dem Altertum unmöglich. Es fehlten ihm dazu die technischen und ökonomischen Vorbedingungen. Erst der moderne Kapitalismus mit dem Buchdruck und dem Postwesen, mit Zeitungen, Eisenbahnen, Telegraphen hat die modernen Nationen nicht als bloße Sprachgemeinschaften, wie die alten, sondern als feste politische und ökonomische Organismen geschaffen. Das vollzog sich im wesentlichen erst im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts. Nur England und Frankreich waren durch besondere Verhältnisse in der Lage, früher schon Nationen im modernen Sinne zu werden und einen nationalen Parlamentarismus, die Grundlage einer Demokratie in einem weiteren Rahmen als dem der Gemeinde, zu begründen. Aber auch da wurde dies nur möglich durch die Führung zweier großer Gemeinden, London und Paris, und noch 1848 war die nationale, demokratische Bewegung vorwiegend die Bewegung einzelner überragender Gemeinden – Paris, Wien, Berlin.
Im Altertum mit seinem weit weniger entwickelten Verkehrswesen blieb die Demokratie auf den Rahmen der Gemeinde beschränkt. Wohl erreichte der Verkehr unter den Ländern am Mittelmeer schließlich, im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, eine ansehnliche Ausdehnung, so sehr, daß er dort zwei Sprachen zu internationaler Geltung brachte, das Griechische und das Lateinische. Aber das vollzog sich unglücklicherweise gerade zu der Zeit, wo die Demokratie und das politische Leben überhaupt ein Ende nahm – unglücklicherweise, aber nicht durch einen unglücklichen Zufall. Die Entwicklung des Verkehrs zwischen den Gemeinden war damals notwendigerweise an Bedingungen geknüpft, die auf die Demokratie tödlich wirkten.
Es ist nicht unsere Aufgabe, das an den Ländern des Orients darzutun, wo die auf die Gemeinde beschränkte Demokratie zur Grundlage für eine besondere Art des Despotismus wurde. Wir wollen hier bloß den besonderen Entwicklungsgang der hellenischen lind römischen Welt betrachten, und zwar nur an einem Beispiel, dein der Gemeinde Rom. Dieses zeigt die Tendenzen des antiken Entwicklungsganges besonders drastisch, weil er hier rascher und riesenhafter vor sich geht, als bei jeder anderen der Stadtgemeinden in der antiken