Stefan Zweig

Gesammelte Werke von Stefan Zweig


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Ein gewaltiger Sieg muß es sein.

      EIN ZWEITER:

       Sonst hätte er nicht so verborgen getan.

      EIN DRITTER:

       Man spart uns die Kunde.

      STIMMEN:

       Ja… ein gewaltiger Sieg… bald werden wir es hören… Tausende müssen gefallen sein… vielleicht Nabukadnezar selbst… Tausende… Zehntausende müssen es sein… ich habe es immer gesagt… heil Zedekia… ein weiser König ist er… Salomo…

      EINER (sich durchdrängend):

       Ist es wahr… Nabukadnezar ist gefallen… sie sagen es in allen Gassen…

      STIMMEN:

       Ja… tot ist der Bedrücker… nein… es ist noch nicht gewiß… ja… er hat es gesagt… der Bote… inmitten seines Zeltes haben sie ihn geschlagen… Zehntausende mit ihm… lobpreiset Gott… ja… ja… lobpreiset Gott… danket dem Herrn… der Bedrücker ist gefallen… Halleluja…

      EIN ÄLTERER MANN:

       Aber er sagte doch nur, der Bote…

      STIMMEN:

       Sieg hat er gekündet, was zweifelst du noch… ausrotten soll man diese Kleinmütigen… ich hab es gehört… ich auch… ich auch… er sagte, daß sie Nabukadnezar schlugen… inmitten seines Zeltes, sagte er… nein, das hat er nicht gesagt… ja… nein… aber Sieg hat er gekündet… frei ist Israel… frei…

      DER ÄLTERE MANN:

       Aber ich stand doch neben ihm und hörte…

      STIMMEN:

       Taub ist dein Herz und deine Ohren, totschlagen soll man diese Würger der Freude… kommt, legt Festkleider an… fort mit dir, du Schwätzer…

      (EINE NEUE GRUPPE strömt aus der Gasse.)

      STIMMEN:

       Sieg… Sieg, Nabukadnezar ist gefallen… habt ihr es auch gehört… durch die ganze Stadt… ein Bote ist gekommen und hat es berichtet… ja, hier… hier hat er es erzählt… längst wissen wir es schon… länger als ihr… uns hat er es zuerst berichtet… nein… uns… uns… wir wußten es als erste!…

      EINER:

       Hananja hat es verkündet als erster, der Seher, der Profet. Oh, wie weise waren wir, daß wir auf ihn hörten und nicht die Verzagten, die flennten und greinten, der Tempel werde stürzen…

      EIN ANDERER:

       Assur würde Zion besiegen…

      EIN DRITTER:

       Unsere Jungfrauen geschwächt werden von den Chaldäern.

      DER ERSTE:

       Zum Tempel! Zum Tempel! Wir müssen Gott danken und Hananja, seinem Profeten!

      STIMMEN:

       Ja… ja… nein, wir wollen warten… Freude und Ungeduld zehrt unser Herz… der König wird erscheinen… ja… ja… wer hat es gesagt… immer erscheinen die Könige nach dem Siege… er wird in den Tempel gehen… er zuerst muß Dankopfer spenden, nicht uns ziemt es… ja… ja… bleiben wir… aber Zimbeln und Pauken laßt uns rüsten zum Siege… wie David hinter der Lade wollen wir tanzen… oh, Gott ward wieder gütig Jerusalem… den Reigen rüstet… den Reigen… die Frauen holt alle… die Bläser und die Lautenschläger… ja… ja… tuen wir also… allen erzählet vom Siege… ein Fest lasset uns rüsten, ein Fest dem König der Könige… ja, wir gehen… ich bleibe…

      (DIE MENGE wogt freudig wie ein aufgeregter Strom hin und wider, Gruppen bilden und lösen sich in Erwartung und Ungeduld.) (JEREMIAS und BARUCH kommen aus einer Nebenstraße gegangen, um ihren Weg weiter durch die Menge zu verfolgen.)

      EINER (lachend):

       Da… da kommt er… da seht hin… Jeremias…

      ANDERE (übermütig):

       Gegrüßt, du Verkünder!… der Profet kommt, lasset uns grüßen den Zerstörer Jerusalems… da ist er, der Schwätzer der Gasse… kommt… kommt mit…

      (EINIGE DER LEUTE umringen Jeremias und Baruch, hindern sie, ihren Weg fortzusetzen, indem sie sich spöttisch vor ihnen verneigen.)

      EINER (sich tief verneigend):

       Gegrüßt du, Gesalbter des Herrn!

      DIE ANDERN:

       Gegrüßt du, Elia… heil dir, du Verkünder… Gruß dir, du Starkmutiger… heil Jeremias, dem Profeten!

      JEREMIAS (stehen bleibend, finster):

       Was heischt ihr von mir?

      BARUCH (an ihm drängend):

       Nicht sprich mit ihnen, nicht rede mit ihnen. Spott ist auf ihren Lippen und Verhöhnung in ihrem Blick.

      EINER:

       Weisheit wollen wir von dir und Verkündigung!

      DER ZWEITE:

       Wir wollen dich fragen, ob unsere Jungfrauen Jungfrauen bleiben dürfen.

      DER DRITTE:

       Wir wollen dich bitten, daß du dich geduldest und lassest weiter ragen die Mauern Jerusalems.

      JEREMIAS (hart):

       Was wollt ihr von mir! Nicht ists zu Scherzen Zeit, da Blut fließt und Krieg hängt über Israel.

      DER ERSTE:

       Vorbei ist der Krieg, nun dürfen wir wieder scherzen!

      DER ZWEITE:

       Und am Bart fassen die Weisen und an ihrer Torheit die Schwätzer.

      DER DRITTE:

       Wo ist er, dein König von Mitternacht, wo ist er, du Verkünder?

      DER VIERTE:

       Wo sind ihre Sklaven, wo sind ihre Rosse?

      JEREMIAS:

       Was wirrt euch die Sinne? Seid ihr rasend geworden? Wie sagt ihr? Vorbei schon der Krieg, kaum daß er begonnen?

      BARUCH:

       Nicht rede mit ihnen, nicht rede mit ihnen! Zum Spott wird, wer mit Rasenden spricht!

      DER ERSTE:

       Er weiß es noch nicht! Er weiß es noch nicht, der Profet!

      DER ZWEITE:

       Ei, seht! Er weiß nicht, was gestern war, und will künden, was morgen geschieht.

      JEREMIAS:

       Was weiß ich noch nicht? Was ists, das euch so froh macht, ihr Witzlinge! Ein Arges wohl muß es sein.

      DER ERSTE:

       Ein Arges nennt ers. Ein Arges fürwahr deinen Wünschen!

      DER ZWEITE:

       Dein König ist gefallen, erstickt ist er in seinem Blut!

      JEREMIAS:

       Nabukadnezar ist gefallen? Assur geschlagen?

      DER ERSTE:

       Ja, du Allweiser. Hananjas Wort hat sich bewährt.

      DER ZWEITE:

       Zerreiß dein Gewand und scher dir den Bart. Israel hat gesiegt.

      DER DRITTE:

       Grab dich ein, du Profet, und verschneide deine Zunge. Tot ist Nabukadnezar, ewig währet Jerusalem.

      JEREMIAS (erschüttert):

       Tot wäre Nabukadnezar? Ist es wahr, ist es gewiß auch? Sprecht… treibt nicht Scherz mit so Gewaltigem!

      DER ERSTE:

       Er zweifelt noch! Weine, weine, Profet!

      DER ZWEITE:

       Ja, ich