den Tanten veranstaltet. Schrecklich pietätlos war sie, meinem Vater ein Schmerz.« »Sie hängt nur Landschaften auf ... und ihre Sammlung von Rassepferden.«
»Entsetzlich.«
Beide lachten ... »Und doch läßt man sich immer wieder malen,« sagte die junge Frau. »Ist dieser Thorsteiner kein moderner Maler, daß er zu sehr in Stimmung und Beleuchtung macht, und man mit grünem Haar und blauer Nase auf die Nachwelt kommt?«
Ihr helles Lachen klang durch die hohen Räume, der Fürst schlang seine Arme um sie. – –
Das Seelchen wartete in der Sommerstube sehr lange auf ihren Vater. Doch sie ist ein geduldiges Kind und hat viel zu überlegen. Ein sehr ängstlicher Gedanke ist unter der Schar, die sich ihr aufdrängt. Stiefmütter können ihre Stiefkinder ebenso lieb haben wie die rechten Mütter, Harro hat ihr erzählt von dem Maler Feuerbach und seiner Stiefmutter, und was sie alles für ihren Sohn tat, und welch schönes Denkmal er ihr in dem herrlichen Bild gesetzt. Stiefmütter wohl, aber Stieftöchter?
»Eine so nachdenkliche Kleine!«
Papa lacht, seine schönen Augen leuchten, das Kind sieht, daß irgend welche Veränderung mit ihm vorgegangen ist. Wie wenn er auf einmal ganz jung wäre, und ist vorher doch auch nicht alt gewesen. Er geht im Zimmer auf und ab, summt vor sich hin und vergißt sogar, sich eine Zigarette anzuzünden.
»Nun sind wir nicht mehr allein. Kleine. Die Mama! Lebendig wird es hier werden!«
Er summt vor sich hin und sieht hinaus in den verglühenden Abendhimmel. Und dann wendet er sich und sagt erstaunt:
»Ja, bist du denn noch da, Kleine? Ich hatte dich ganz vergessen.« Da fällt ihm ein, daß er etwas wollte – was war es doch? »Ach richtig, das Bild. Kleine, dein Bild, wo hängt es denn?«
»Dort steht es, es ist zugedeckt. Harro sagt, es soll noch nicht aufgehängt werden; man weiß ja noch gar nicht, ob es dir gefällt.« Das Kind zieht die Hülle hinweg und steht erwartungsvoll. Aber Papa sagt nichts. Er starrt das Bild an, als ob er das kleine Mädchen darauf gar nicht kennte.
»Das hat der Thorsteiner gemalt? Und das bist du, Kleine! Wo habe ich denn meine Augen gehabt!« Das Kind zieht sich einen Stuhl herbei, sie reißt sich ihren Rosenkranz vom Kopfe, sie schlingt die Hände um das Knie und wendet ihm ihr Köpfchen zu. So genau, wie sie das Bild kennt in jedem Strich. Sie kann es bis auf den Ausdruck darstellen. Und Papa sieht sie an und das Bild, aber er spricht kein Wort. Da ertönt der Gong. Der Fürst erhebt sich schnell.
»Wir müssen dir nun wirklich einen Namen suchen unter all deinen Namen ...«
»Ich habe doch schon einen, ich heiße doch Seelchen.«
»Das ist nur für die Leute, die dich lieben, du mußt doch einen Namen haben, den man auf deine Briefe setzen kann. Komm, wir gehen zu Mama und holen uns Rat.«
»Aber Papa, kennst du mich nicht viel besser als Mama, und siehst du mir nicht an, wie ich heiße?«
»Du warst so elend, als wir dich tauften, wir fürchteten, deine Mutter nähme dich mit, so haben wir dir die Namen deiner Paten gegeben.«
Er trat wieder vor das Bild. »Wenn wir dich Maria nennten oder nach deiner Mutter Rose ... oder beide Namen ... Was meinst du, ist es dir so recht ... Rosmarie, meine liebe Rosmarie?« – –
In dem großen Empfangssaal stehen die Gäste noch in Gruppen, die Herren mit der Zigarre, die Mokkatäßchen mit mehr oder weniger Geschick balancierend. Harro, der sich halb hinter einer Palmengruppe versteckt hat, liebäugelt mit seinem Spiegelbild, das ihm seinen neuen Frack zeigt. »Was tut man nicht einer jungen, hohen Dame zulieb! Noch ganz andere Dinge, als sich in ein Habit werfen, das nun einmal in unserer augenlosen Zeit das Festgewand der Männlichkeit vorstellt. Die Beine Fabrikschornsteine,« so redet sich Harro an, »die Arme, der Hals, alles ein Röhrensystem in weiß und schwarz, wohl Symbol unserer wirtschaftlichen Erhebung. Der Schwalbenschwanz hinten deutet an, daß wir am Manne am meisten den Lakaien verehren, mit dem wir das herrliche Gewand teilen. Die Brust ein Leichenstein, Krawatte ebenfalls weiß, bei groß und klein, dünn und dick das gleiche Schleifchen wie aus Blech ... So, o Mensch, mit deinem Palmenzweige stehst du an des Jahrhunderts Neige ...« Er fährt auf aus seiner Betrachtung, der Fürst steht vor ihm.
»Graf Thorstein, das Bild meiner Tochter hat mich überrascht ... Ich wollte, ich verstünde mehr davon, um Ihnen die richtigen Worte sagen zu können ...«
»Wenn es geworden ist, wie es ist, so ist es der Prinzessin selbst zu danken, die mir meine Aufgabe ungemein erleichtert hat.«
»Meine Tochter, ach, Sie sind viel zu bescheiden! Was könnte die Kleine dabei getan haben?«
»Sie kann still sitzen, ohne steif zu werden, jeden geistigen Ausdruck auf Wunsch festhalten. Sie hat auch einen fabelhaften Farbensinn und pflegt mit ihren Wahrnehmungen nicht hinter dem Berge zu halten.«
»Sie wird sich doch nicht erlauben ...«
»O gewiß, Durchlaucht – eine oft vernichtende Kritik. Dies ist zu blau, das Rot zu freudig, in dem Gelb lacht gar nichts. Zuerst ärgerte ich mich darüber, nun bin ich schon gewöhnt, die Kritik mit gebührender Demut hinzunehmen; es ist mein eigener Schaden, wenn ich's nicht tue!«
»Was Sie alles noch aus meiner Kleinen herauslesen, Graf Thorstein! ... Aber vielleicht wissen Sie doch mehr von ihr, als wir alle. Vielleicht hat mich darum ihr Bild so sehr überrascht, abgesehen von meiner Bewunderung! Ich muß es Ihnen sagen: es war mir, als sähe ich meine Kleine zum ersten Male. Und nun haben wir ihr auch einen Namen gegeben: Was halten Sie von Rosmarie? ...«
Die Fürstin steht in ihrem neuen entzückenden Boudoir. Ihr Morgenkleid ist ein Pariser Kunstwert aus Spitzen und Band, ihre schlanke Taille umschließt eine Goldkette. Eben hat sie eine befriedigende Überschau vor ihrem großen Spiegel gehalten. Und nun besinnt sie sich mit einem kleinen Seufzer auf ihre Pflichten. Eine gemalte Bonbonniere auf ihrem Tischchen hat sie daran erinnert. Sie drückt auf eine Birne neben der Chaiselongue und sagt zu dem wie aus einer Versenkung auftauchenden Schokoladebraunen:
»Die Prinzessin, ich lasse bitten.«
Irgend etwas ist mit der Kleinen nicht in Ordnung! Was es ist, weiß sie nicht. Mit einem gewissen klagenden oder mitleidigen Ton wird immer von ihr gesprochen. Sonderbar sieht sie ja aus, aber das kann von dem verrückten Kleidchen kommen, das sie anhatte. Nun, die werden wohl nehmen, was irgend eine verdrehte Schneiderin, die große Rechnung machen möchte, ihnen schickt. Eigentlich hat sie sich das Kind ganz anders vorgestellt, vielleicht würde es sogar einmal schön werden. Und dann war der hübsche junge Vetter, mit dem sie gestern sprach, vielleicht in wenigen Jahren schon bereit, die weitere Verantwortung zu übernehmen.
Da stand schon die Kleine an der Tür, mit dem freundlichsten Morgengesicht und zum Glück angezogen wie andere Kinder. Sie kam sehr freundlich herbei, umarmte ihre neue Mutter und küßte sie auf die Wange. Die Fürstin war ganz erstaunt über so viel Entgegenkommen. War's am Ende ein Schmeichelkätzchen! Sie schob ihr die Bonbonniere hin.
»Magst du das oder darfst du nicht, Rosmarie? – sie sind freilich auch gut, wenn man nicht darf.«
Aber das Kind ist sich keiner gegenteiligen Vorschrift bewußt, mit Bonbons ist sie überhaupt nicht verwöhnt worden. Und so lächelte sie vergnügt und fing an, mit spitzen Fingerchen herauszunehmen und die Herrlichkeiten zu probieren. Die junge Mama half auch bei dem Vergnügen, und so saßen sie sehr kameradschaftlich beieinander, Seelchen auf einem kleinen Tabouret, die Fürstin auf ihrer Chaiselongue gegenüber von einem schmalen langen, in die Tapete eingelassenen Spiegel.
»Und deine Frau von Hardenstein hast du wohl sehr gerne?«
»Sehr lieb habe ich sie. Sie kommt abends an mein Bett und sitzt ein wenig bei mir und dann sagt sie: Behüt Gott! Sie hat einen Sohn gehabt und der ist tot. An den denkt sie immer, wenn sie mir gute Nacht sagt. Und dann fährt sie über meine Decke, siehst du –, und dann ist's ihr gewiß, als ob sie ihm noch gute Nacht sage.«
Frau von Hardenstein wäre sicher sehr erstaunt gewesen, wenn sie das gehört hätte.