englische Kriegsschiffe genügten denn auch, um am 7. September 1839 die Durchfahrt zu erzwingen. Die sechzehn Kriegsdschunken und dreizehn Brander, mit denen die Chinesen sich widersetzten, wurden in dreiviertel Stunden zusammengeschossen und zerstreut. Nach diesem ersten Siege verstärkten die Engländer ihre Kriegsflotte bedeutend und gingen zu Beginn 1841 zum erneuten Angriff über. Diesmal erfolgte der Angriff gleichzeitig gegen die Flotte und gegen die Forts. Die chinesische Flotte bestand in einer Anzahl Kriegsdschunken. Schon die erste Brandrakete drang durch die Planken in die Pulverkammer einer Dschunke, so daß diese mit der ganzen Mannschaft in die Luft flog. Nach kurzer Zeit waren elf Dschunken einschließlich des Admiralschiffes zerstört, der Rest suchte in wilder Flucht sein Heil. Die Aktion zu Lande nahm einige Stunden mehr in Anspruch. Bei der gänzlichen Untauglichkeit der chinesischen Geschütze schritten die Engländer mitten durch die Befestigungen, erklommen einen wichtigen Punkt. der ganz unbesetzt geblieben war, und metzelten die wehrlosen Chinesen von oben nieder. Die Schlußrechnung der Schlacht war: auf chinesischer Seite 600 Tote, auf englischer - 1 Toter und 30 Verwundete, wovon mehr als die Hälfte durch das zufällige Auffliegen eines Pulvermagazins Schaden erlitt. Einige Wochen später lieferten die Engländer ein neues Heldenstück. Es galt, die Forts von Anunghoi und Nord-Wantong zu nehmen. Hierzu standen auf englischer Seite nicht weniger als 12 Linienschiffe in voller Ausrüstung zur Verfügung. Außerdem hatten die Chinesen wieder die Hauptsache vergessen, nämlich die Insel Süd-Wantong zu befestigen. Die Engländer landeten also dort in aller Seelenruhe eine Haubitzenbatterie und beschossen das Fort von einer Seite, während die Kriegsschiffe es von der anderen unter Feuer nahmen. Wenige Minuten genügten, um die Chinesen aus den Forts zu verjagen und die Landung ohne Widerstand zu bewerkstelligen. Die unmenschliche Szene, welche nun folgte - so sagt ein englischer Bericht -, wird stets ein Gegenstand tiefen Bedauerns für die englischen Offiziere bleiben. Die Chinesen waren nämlich, als sie aus den Verschanzungen fliehen wollten, in die Gräben gefallen, so daß diese mit hilflosen, um Gnade flehenden Soldaten buchstäblich angefüllt waren. Auf diese liegende Masse menschlicher Leiber wurde nun von den Sepoys - angeblich entgegen dem Befehl der Offiziere - unablässig gefeuert. So wurde Kanton dem Warenhandel erschlossen.
Ebenso erging es den anderen Häfen. Am 4. Juli 1841 erschienen drei englische Kriegsschiffe mit 120 Kanonen bei den Inseln am Eingang zur Stadt Ningpo. Andere Kriegsschiffe trafen am folgenden Tage ein. Am Abend sandte der englische Admiral eine Botschaft an den chinesischen Gouverneur mit der Forderung, die Inseln zu übergeben. Der Gouverneur erklärte, daß es ihm zum Widerstande an Macht fehle, daß er jedoch ohne Befehle aus Peking die Übergabe nicht vornehmen dürfe und daher um Aufschub bäte. Dieser wurde ihm nicht gewährt, und um 21/2 Uhr morgens begannen die Engländer den Sturm auf die wehrlose Insel. In neun Minuten waren Fort und Häuser am Strand ein rauchender Schutthaufen. Die Truppen landeten an der verlassenen Küste, die mit zerbrochenen Spießen, Säbeln, Schilden, Flinten und einigen Toten bedeckt war, und zogen vor die Wälle der Inselstadt Ting-hai, um sie einzunehmen. Durch die Mannschaften der inzwischen eingetroffenen weiteren Schiffe verstärkt, legten sie am nächsten Morgen Sturmleitern gegen die kaum verteidigten Mauern und waren nach wenigen Minuten Herren der Stadt. Dieser glorreiche Sieg wurde von den Engländern mit folgender bescheidener Meldung verkündet: "Den Morgen des 5. Juli 1841 hatte das Geschick als denkwürdigen Tag bezeichnet, an dem zuerst die Fahne Ihrer Majestät von England über der schönsten Insel des himmlischen Reiches der Mitte weben sollte, das erste europäische Banner, welches siegreich über diesen blühenden Fluren stand."216 Am 25. August 1841 erschienen die Engländer vor der Stadt Amoy, deren Forts mit mehreren hundert Kanonen größten chinesischen Kalibers armiert waren. Bei der fast gänzlichen Untauglichkeit dieser Geschütze sowie der Unbeholfenheit der Kommandierenden war die Einnahme des Hafens wieder ein Kinderspiel. Die englischen Schiffe näherten sich unter fortgesetztem Feuern den Wällen von Kulangsu, dann landeten die Seesoldaten und vertrieben nach kurzem Widerstand die chinesischen Truppen. Die Engländer erbeuteten dabei im Hafen 26 Kriegsdschunken mit 128 Geschützen, die von der Mannschaft verlassen waren. Bei einer Batterie leisteten die Tataren dem vereinigten Feuer von fünf englischen Schiffen heldenhaften Widerstand, die gelandeten Engländer fielen ihnen aber in den Rücken und richteten unter ihnen ein vernichtendes Blutbad an.
So endete der glorreiche Opiumkrieg. Im Friedensschluß vom 27. August 1842 bekamen die Engländer die Insel Hongkong, ferner mußten Kanton, Amoy, Fu-Tschou, Ningpo und Schanghai dem Handel erschlossen werden. Fünfzehn Jahre später erfolgte der zweite Krieg gegen China, wobei diesmal die Engländer gemeinsam mit Franzosen vorgingen, 1857 wurde Kanton durch die verbündete Flotte ebenso heldenhaft wie im ersten Kriege erstürmt. Im Frieden von Tientsin 1858 wurde der Opiumeinfuhr, dem europäischen Handel und den Missionen Zutritt ins Innere des Landes gewährt. Schon 1859 eröffneten die Engländer von neuem die Feindseligkeiten und beschlossen, die Befestigungen der Chinesen am Pei-ho zu zerstören, wurden aber nach einer mörderischen Schlacht mit 464 Toten und Verwundeten zurückgeschlagen.217 Jetzt operierten England und Frankreich wieder zusammen. Mit 12.600 Mann englischer und 7.500 französischer Truppen unter General Cousin-Montauban nahmen sie Ende August 1860 zunächst die Takuforts ohne einen Schuß, dann drangen sie bis Tientsin und weiter nach Peking vor. Unterwegs kam es am 21. September 1860 zu der blutigen Schlacht bei Palikao, die Peking den europäischen Mächten preisgab. Die Sieger, die in die fast menschenleere und gar nicht verteidigte Stadt einzogen, plünderten zunächst den kaiserlichen Palast, woran sich General Cousin, der spätere Marschall "Graf von Palikao", mit Eifer persönlich beteiligte, Lord Elgin aber ließ den Palast "zur Sühne" in Flammen aufgehen.218
Jetzt wurde den europäischen Mächten zugestanden, Gesandte in Peking zu halten, Tientsin und andere Städte wurden dem Handel eröffnet. Während in England die Antiopiumliga gegen die Verbreitung des Giftes in London, Manchester und anderen Industriebezirken arbeitete und eine vom Parlament ernannte Kommission den Genuß des Opiums für höchst schädlich erklärte, wurde der Opiumeinfuhr nach China noch in der Tschi-fu-Konvention 1876 die Freiheit gesichert. Gleichzeitig sicherten alle Staatsverträge mit China den Europäern - Kaufleuten wie Missionen - das Recht auf Landerwerb zu. Hierbei half neben dem Feuer der Geschütze auch bewußter Betrug kräftig mit. Nicht nur bot die Zweideutigkeit der Vertragstexte eine bequeme Handhabe zur stufenweisen Ausdehnung der vom europäischen Kapital in den Vertragshäfen besetzten Gebiete. Auf Grund der bekannten frechen Fälschung im chinesischen Text der französischen Zusatzkonvention vom Jahre 1860, den der katholische Missionar Abbé Delamarre als Dolmetscher ausgefertigt hatte, wurde der chinesischen Regierung in der Folge das Zugeständnis abgepreßt, den Missionen nicht bloß in den Vertragshäfen, sondern in allen Provinzen des Reiches Landerwerb zu gestatten. Die französische Diplomatie wie namentlich die protestantischen Missionen waren einig in der Verurteilung der raffinierten Schwindelei des katholischen Paters, was sie jedoch nicht hinderte, auf der Anwendung der so eingeschmuggelten Rechtserweiterung der französischen Missionen energisch zu bestehen und sie 1887 ausdrücklich auch auf die protestantischen Missionen ausdehnen zu lassen.219
Die Erschließung Chinas für den Warenhandel, die mit dem Opiumkriege begonnen war, wurde mit der Serie der "Pachtungen" und der Chinaexpedition des Jahres 1900 besiegelt, in der die Handelsinteressen des europäischen Kapitals offen in internationalen Landraub umschlugen. Fein kehrt diesen Widerspruch zwischen der anfänglichen Theorie und der schließlichen Praxis der europäischen "Kulturträger" in China die Depesche der Kaiserin-Witwe hervor, die nach der Einnahme der Takuforts an die Königin Victoria schrieb:
"Ew. Majestät einen Gruß! - In allen Verhandlungen Englands mit dem chinesischen Reiche, seit Beziehungen zwischen uns angeknüpft wurden, ist auf seiten Großbritanniens niemals die Rede von Vergrößerung des Landbesitzes gewesen, sondern nur von dem eifrigen Wunsch, die Interessen seines Handels zu fördern. Die Tatsache erwägend, daß unser Land nunmehr in einen entsetzlichen Kriegszustand gestürzt ist, erinnern wir uns daran, daß ein großer Teil von Chinas Handel, 70 oder 80 Prozent, mit England abgeschlossen wird. Außerdem sind Eure Seezölle die niedrigsten in der Welt und wenig Beschränkungen in Euren Seehäfen auf fremde Einfuhr gelegt.