Rosa Luxemburg

Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band)


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Kauf- und Verkaufsakte unter Kapitalisten derselben Abteilung. Zu diesem Austausch, also sowohl zur Erneuerung der Produktionsmittel in I 4.000 c wie zur Erneuerung der Konsummittel der Kapitalistenklasse in II 500 m, bedarf es gleichfalls gewisser Geldbeträge in den Händen der Kapitalisten beider Abteilungen. Dieser Teil der Zirkulation bietet an sich kein besonderes Interesse, denn er trägt den Charakter einfacher Warenzirkulation, da hier Käufer wie Verkäufer zu einer und derselben Kategorie von Agenten der Produktion gehören, und sie bewirkt bloß den Stellenwechsel von Geld und Ware innerhalb derselben Klasse und Abteilung. Gleichwohl muß das Geld, das zu dieser Zirkulation erforderlich ist, im voraus in den Händen der Kapitalistenklasse sein und ist ein Teil ihres Kapitals.

      Bis jetzt bot die Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals auch unter Berücksichtigung der Geldzirkulation an sich nichts Merkwürdiges. Daß zu dieser Zirkulation im Besitze der Gesellschaft eine gewisse Geldsumme notwendig ist, muß aus zwei Gründen von vornherein als selbstverständlich erscheinen: Erstens ist die allgemeine Form der kapitalistischen Produktionsweise die Warenproduktion, womit auch Geldzirkulation gegeben ist, zweitens beruht die Kapitalzirkulation auf beständiger Verwandlung der drei Formen des Kapitals: Geldkapital, produktives Kapital, Warenkapital. Um diese Verwandlungen zu ermöglichen, muß auch Geld vorhanden sein, das die Rolle des Geldkapitals spielen kann. Und endlich, da dieses Geld eben als Kapital fungiert - in unserem Schema haben wir ausschließlich mit kapitalistischer Produktion zu tun -, so ist damit gegeben, daß dieses Geld sich wie Kapital in jeder Gestalt im Besitz der Kapitalistenklasse befinden muß, von ihr in Zirkulation geworfen wird, um zu ihr aus der Zirkulation zurückzukehren.

      Nur ein Detail kann auf den ersten Blick frappieren. Wenn das ganze Geld, das in der Gesellschaft zirkuliert, von den Kapitalisten hineingeworfen wird, so folgt daraus, daß die Kapitalisten auch zur Realisierung ihres eigenen Mehrwerts das Geld selbst vorschießen müssen. Die Sache sieht so aus, als wenn sich die Kapitalisten als Klasse ihren eigenen Mehrwert mit eigenem Geld bezahlen müßten, und da das entsprechende Geld auch noch vor der jeweiligen Realisierung des Produkts jeder Produktionsperiode, bereits von früher her, im Besitze der Kapitalistenklasse sein muß, so kann es auf den ersten Blick scheinen, daß die Mehrwertaneignung nicht, wie tatsächlich, auf unbezahlter Arbeit der Lohnarbeiter beruht, sondern ein Resultat des bloßen Warenaustausches ist, zu dem die Kapitalistenklasse selbst das Geld im gleichen Betrage liefert. Eine kurze Überlegung verscheucht den falschen Schein. Nach dem allgemeinen Ablauf der Zirkulation befindet sich die Kapitalistenklasse nach wie vor im Besitz ihres Geldbetrages, der zu ihr zurückkehrt oder in ihren Händen bleibt, während sie außerdem Lebensmittel in gleichem Betrage erworben und verzehrt hat - wir bleiben wohlgemerkt immer bei der Hauptvoraussetzung des Reproduktionsschemas einfache Reproduktion, d.h. Erneuerung der Produktion im alten Umfang und Verwendung des ganzen produzierten Mehrwerts zu persönlichen Konsumtionszwecken der Kapitalistenklasse.

      Der falsche Schein verschwindet übrigens ganz, wenn wir nicht bei einer Reproduktionsperiode stehenbleiben, sondern mehrere Perioden in ihrer Aufeinanderfolge und gegenseitigen Verschlingung betrachten. Das, was die Kapitalisten heute als Geld zur Realisierung ihres eigenen Mehrwertes in die Zirkulation werfen, ist nämlich nichts anderes als die Geldgestalt ihres Mehrwertes aus der vergangenen Produktionsperiode. Wenn der Kapitalist zum Ankauf seiner Lebensmittel Geld aus der eigenen Tasche vorschießen muß, während sein neuproduzierter Mehrwert in ungenießbarer Naturalform oder dessen genießbare Naturalform in fremden Händen sich befindet, so kam andererseits das Geld, das er jetzt sich selbst vorschießt, in seine Tasche als Resultat der Realisierung seines Mehrwertes aus der vorigen Periode. Und dieses Geld wird zu ihm wieder zurückkehren, wenn er seinen neuen in Warenform steckenden Mehrwert realisiert hat. Im Laufe mehrerer Perioden ergibt sich also, daß die Kapitalistenklasse regelmäßig aus der Zirkulation außer allen Naturalformen ihres Kapitals auch noch ihre eigenen Konsummittel herausfischt, wobei aber ihr ursprünglicher Geldbetrag ständig in ihrem Besitz unverändert bleibt.

      Für den Einzelkapitalisten ergibt sich aus der Betrachtung der Geldzirkulation, daß er nie sein Geldkapital zum vollen Betrag in Produktionsmittel verwandeln kann, vielmehr stets einen gewissen Kapitalteil in Geldform zu Zwecken des variablen Kapitals, für Löhne, übriglassen und ferner Kapitalreserven für fortlaufenden Ankauf von Produktionsmitteln im Verlaufe der Produktionsperiode zurücklegen muß. Außer diesen Kapitalreserven muß er aber Geldvorrat für Zwecke der persönlichen Konsumtion besitzen.

      Für den Reproduktionsprozeß des gesellschaftlichen Gesamtkapitals ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Produktion und Reproduktion des Geldmaterials. Da diese in unserer Annahme gleichfalls als kapitalistische gedacht werden muß - nach dem besprochenen Marxschen Schema kennen wir keine andere als kapitalistische Produktion -, so muß das Schema eigentlich als unvollständig erscheinen. Den beiden großen Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion: der Produktion von Produktionsmitteln und der Produktion von Konsumtionsmitteln, müßte als dritte Abteilung beigeordnet werden die Produktion von Austauschmitteln, für die es gerade charakteristisch ist, daß sie weder zur Produktion noch zur Konsumtion dienen, sondern die gesellschaftliche Arbeit in unterschiedsloser gebrauchsunfähiger Wate darstellen. Zwar sind Geld und Geldproduktion wie auch der Austausch und die Warenproduktion viel älter als die kapitalistische Produktionsweise. Bei letzterer aber ist die Geldzirkulation erst zur allgemeinen Form der gesellschaftlichen Zirkulation und dadurch zum wesentlichen Element des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses geworden. Die Darstellung der Geldproduktion und -reproduktion in ihrer organischen Verschlingung mit den beiden anderen Abteilungen der gesellschaftlichen Produktion würde erst das erschöpfende Schema des kapitalistischen Gesamtprozesses in seinen wesentlichen Punkten liefern.

I. 4.000 c + 1.000 v + 1.000 m = 6.000 Produktionsmittel. II: 2.000 c + 500 v + 500 m = 3.000 Konsummittel. III. 20 c + 5 v + 5 m = 30 Geldmittel.

      Die (von Marx als Beispiel gewählte) Wertgröße 30 entspricht offenbar nicht dem jährlich in der Gesellschaft umlaufenden Geldquantum, sondern lediglich dem jährlich reproduzierten Teil dieses Geldquantums, also dem jährlichen Verschleiß des Geldmaterials, der bei gleichbleibendem Umfang der gesellschaftlichen Reproduktion und gleichbleibender Dauer des Kapitalumschlags sowie gleichbleibender Raschheit der Warenzirkulation im Durchschnitt derselbe bleibt. Betrachten wir die dritte Reihe, wie Marx will, als integrierenden Teil der ersten, so ergibt sich die folgende Schwierigkeit. Das konstante Kapital der dritten Abteilung 20 c besteht aus wirklichen, konkreten Produktionsmitteln wie in den beiden anderen (Baulichkeiten, Werkzeuge, Hilfsstoffe, Gefäße usw.), das Produkt jedoch dieser Abteilung, 30 g, das Geld darstellt, kann in keinerlei Produktionsprozeß in seiner Naturalgestalt als konstantes Kapital fungieren. Zählen wir also dieses Produkt 30 g als integrierenden Teil des Produkts der ersten Abteilung 6.000 p, dann bekommen wir ein gesellschaftliches Defizit an Produktionsmitteln zum gleichen Wertbetrag, das die Reproduktion im gleichen Umfang entweder in der Abteilung I oder in der Abteilung II unmöglich machen wird. Nach der bisherigen Annahme - die die Grundlage des ganzen Marxschen Schemas bildet - ist das Produkt jeder der beiden Abteilungen in seiner sachlichen Gebrauchsgestalt der Ausgangspunkt der Reproduktion im ganzen, die Proportionen des Schemas basieren auf dieser Annahme, ohne die sie sich in Chaos auflösen. So beruhte der erste grundlegende Wertzusammenhang auf der Gleichung. I 6.000 p = I 4.000 c + II 2.000 c. Für das Produkt III 30 kann