Arbeiten verrichteten sie von nun an gemeinsam, benützten gemeinsam die Traktoren und die Fräsen, bearbeiteten ihre Gründe gemeinsam, schnitten die Bäume und ernteten die Oliven. Auf wessen Grund sie gerade arbeiteten, dort kochte die Hausfrau das Mittagessen, und jede strengte sich an, etwas möglichst Gutes auf den Tisch zu stellen. Sie schwärmten vom letzten Essen beim Nachbarn Alvaro. Jetzt aber waren sie gekommen, um uns ihre Hilfe anzubieten.
Sie hatten uns beobachtet, und was sie dabei wahrnahmen, hatte offenbar ihr Misstrauen beseitigt. Das sagten sie auch: Sie hatten gesehen, dass wir uns um die Erhaltung all dessen bemühten, was unsere Vorgänger in diesem Haus und auf diesem Grund hinterlassen hatten. Wir waren hier nicht eingezogen, wie man es von manchen Städtern aus Mailand, Rom oder Turin gesehen hatte, die aus alten Häusern moderne Villen gemacht hatten, denen das Land, die Oliven und der Wein nichts bedeuteten und die sich sogar über die Vorschriften des Denkmalamts hinwegsetzten, denn die Olivenbäume stehen hier unter Denkmalschutz, das Landschaftsbild darf nicht verändert werden. Und da wir offenbar alles so erhalten wollten, wie es bisher gewesen ist, wären sie bereit, dies für uns zu tun, denn dass wir das nicht tun konnten, war ihnen natürlich klar, waren wir doch über größere Zeitabstände gar nicht da und gewiss auch keine Bauern.
Aber wie konnten wir ihrem genossenschaftlichen Prinzip entsprechen, in dem doch jeder für jeden arbeitete? Nun, das hatten sie sich schon überlegt, und sie sagten es geradeheraus: Obwohl sie es bisher noch nie getan hatten, wären sie bereit, sich ihre Arbeit mit Geld ablösen zu lassen. Sie hatten sich auch schon einen Preis ausgedacht. Sie nannten ihn, und er war sehr bescheiden. Wir waren überglücklich. Nicht nur, weil damit eines unserer größten Probleme im Zusammenhang mit diesem Grundstück gelöst schien, sondern auch, weil wir mit diesem Angebot unseren Nachbarn ein großes Stück nähergekommen waren. Um es vorwegzunehmen – sie alle sind im Laufe der Zeit unsere Freunde geworden.
Als sie kamen, um zum ersten Mal unseren Grund zu bearbeiten, erkannten wir, wie sinnvoll, aber auch wie ökologisch richtig die Landwirtschaft hier angelegt war. Wir hatten uns schon gewundert, was alles auf diesem Grund wuchs. Da waren einmal die Olivenbäume, Reihe für Reihe auf eigens für sie angelegten Terrassen gepflanzt. Der Sinn der Terrassen war klar: Das oft rare Regenwasser war maximal aufzufangen und zu speichern. Auch sollten die Mauern Erdrutsche und Muren verhindern, wenn es einmal ordentlich regnete, und das hieß in der Toskana Regen von wolkenbruchartiger Heftigkeit, der oft tage- und sogar wochenlang anhielt. Die Terrassen aber wurden gleichzeitig auch anderweitig genutzt. An ihren Rändern standen die Weinstöcke. Selbst der Sonne ausgesetzt, sorgten sie mit ihrem Schatten dafür, dass der Boden rund um die Olivenbäume nicht zu schnell austrocknete. Und deutlich war noch zu sehen, dass man auf diesem Boden zwischen den Olivenbäumen Hafer und Lupinen angebaut hatte, den Hafer vermutlich für die Pferde, die Lupinen zur Selbstdüngung des Bodens, denn ihre stickstoffreichen Samen wurden, sobald sie reif waren, in den Boden eingepflügt. Ein Dünger, der wenig, ja nichts kostete.
Und offenbar gab es früher auch noch eine andere Art von Dünger – jene Teile der Schafwolle, die übrig blieben, wenn man die Haare auf gleiche Länge schnitt, wie es die Abnehmer in den Textilfabriken vorschrieben. Später lernten wir, dass man von dieser Art der Düngung bis heute nicht abgegangen ist. Die Bauern halten zwar keine Schafe mehr, weil es in diesem offenen Gelände und bei der geringen Größe der Gründe eines Hüterjungen bedürfte, den es bei der heutigen Schulpflicht nicht mehr gibt. Aber die Textilfabriken verkaufen den Bauern für wenig Geld die Enden der neuseeländischen Schafwolle, die beim Schnitt übrig bleiben. Doch der Schnitt erfolgt erst, nachdem die Wolle gefärbt ist, und darum werden rund um unsere Olivenbäume grüne, rote und violette Schafwollreste in den Boden eingebracht. Schafwolle als Dünger? Die Wolle zersetzt sich im Boden und wird von einer Unzahl kleiner und kleinster Lebewesen als Nahrung aufgenommen, und deren Exkremente düngen die Oliven. Kunstdünger kennen die Bauern hier nur vom Hörensagen, er wäre ihnen auch viel zu teuer.
Dann sahen wir, wie sie die Weinstöcke bearbeiteten. Als feste Pflöcke holten sie sich das Holz der schlanken Akazienbäume, von denen es auf unserem Grund einen kleinen Wald gab. Dieses Akazienwäldchen war offenbar schon vor Generationen angelegt worden, um genau diesem Zweck zu dienen: die festen Steher für die Weinriegen abzugeben, sozusagen die Eckpfeiler. Dazwischen aber wurde der Wein von Stangen gehalten und an Stangen gebunden, die aus einem anderen Teil unseres Grundes kamen. Es handelte sich um Trockenschilf, das eine Höhe von zwei bis vier Metern erreichte und dessen Mittelteile geradezu ideale Stützen für den Wein abgaben. Und an diese Stützen werden die Reben gebunden, mit einem weiteren Naturprodukt vom eigenen Grund, mit den zarten Zweigen der Weidenbäume, die auch schon frühere Generationen sorgfältig entlang des kleinen Baches gepflanzt hatten, der durch unseren Grund fließt.
Was den Wein betrifft, war also alles, was man zu dessen Pflege braucht, schon vorhanden, mit Ausnahme der Spritzmittel, die auch hier zur Bekämpfung von Ungeziefer und Krankheit angewendet werden. Aber es sind die mildesten unter den Giften: Schwefel und Kupfersulfat, beide leicht abwaschbar, und beide werden auch von jedem Regen prompt abgewaschen.
Lange Zeit blieb für uns unklar, weshalb es auf dem Grund derart viele Haselnussstauden gab. Dabei ist der Ausdruck Staude nicht angebracht: Die einzelnen Äste wachsen wie Bäume aus dem Boden, werden bis zu 30 Zentimeter dick und ragen oft 15 Meter hoch – der schon erwähnte Haselnusswald. Doch nach einem der heftigsten Regengüsse, den die wettererprobte Toskana je erlebt hatte, erkannten wir den Nutzen auch der Haselnüsse: Ihr Wurzelwerk trotzt den Wassermassen und hält den Boden fest.
Es gibt nur eine einzige andere Pflanze, und es gab sie auf unserem Grund in großer Dichte, die Gleiches und noch Besseres vollbringt: wilde Brombeeren. Sie erteilten uns eine unvergessliche Lehre. Als wir endlich wussten, was nun alles zu unserem Grund gehört, wussten wir auch, dass ein Teil dieses Grundes völlig verwildert war. Wie uns schien, einer der schönsten Teile: das einzige flache Gelände im Talboden. Einst standen dort Obstbäume, jedenfalls waren sie da und dort in ihrer verwilderten Form noch erkennbar, aber überrankt wurde das gesamte Gelände von wilden Brombeeren. Wir nannten sie wild, weil sie ausschließlich aus ungeheuer langen, dicht mit großen Dornen besetzten Ranken bestanden, die ein undurchdringliches Dickicht bildeten. Was früher einmal an Bäumen da war, hatten sie umrankt und unter sich begraben. Also entschlossen wir uns, dieses schöne Stück Grund roden zu lassen. Keine große Angelegenheit. Ein Caterpillar besorgte das innerhalb eines Tages.
Aber damit war der Kampf gegen die wilden Brombeeren auf unserem Grundstück noch lange nicht gewonnen. Wo immer ein Stückchen Grund auch nur zeitweise nicht bearbeitet wurde, schossen sie aus dem Boden, die „Spini“, wie sie die Bauern nennen. Lange bevor uns David Attenborough in seinen eindrucksvollen Filmen „Das geheime Leben der Pflanzen“ vor Augen führte, konnten wir das geheime Leben der Spini beobachten: Sie blühen nicht, sie tragen keine Beeren und daher auch keine Samen. Sie vermehren sich durch Ableger, Triebe, die mit unglaublicher Geschwindigkeit wachsen und sich innerhalb von Tagen meterweit vorschieben. An jedem Hindernis, das ihnen entgegensteht, wachsen sie hinauf, überranken es und kommen auf der anderen Seite wieder zu Boden. Sobald sie eine entsprechende Distanz zur Mutterpflanze gewonnen haben, schlagen diese Triebe selbst Wurzeln, kappen sich von der Mutterpflanze ab und bilden ein eigenes Gewächs, das nun seinerseits wieder Dutzende Triebe dieser Art nach allen Seiten aussendet. Den Spini gelingt es solcherart in überraschend kurzer Zeit, sich über große Flächen auszubreiten. Kein Wunder, dass die Spini von den Landwirten gefürchtet sind.
Der Kampf gegen die Spini kennt kein Ende. Und viele meinen, er könne letztlich nicht gewonnen werden, denn ihre Wurzeln sitzen tief, und aus diesen Wurzeln werden immer wieder neue Triebe kommen. Wir haben den Kampf streckenweise doch gewonnen, indem wir auch die Wurzeln aufspürten und aushoben. Und haben diesen Sieg bald bereut. Denn wo immer wir die Spini samt ihren Wurzeln beseitigten, gab der Boden beim nächsten großen Regen nach und rutschte ab. Dutzende Muren waren die Folge. Jeder radikalere Eingriff in die Natur rächt sich hier sofort. Eine über Jahrhunderte gewachsene Naturordnung darf nicht gestört werden.
Aber immerhin haben wir einen Erziehungserfolg zu verzeichnen. Die Spini wuchsen entlang des schönen Weges, der durch unseren Grund führt. Und da wir sie von nun an schonten, überwucherten sie mit ihren Ablegertrieben regelmäßig diesen Weg. Und ebenso regelmäßig wurden sie von uns zurückgeschnitten, besser gesagt