Anny von Panhuys

Ich bleib dir treu


Скачать книгу

seine Gesichtsmuskeln bezähmen, daß sie nichts von dem Hohn merken ließen, der ihn jetzt erfüllte.

      „Ich bummelte heute vormittag über den Boulevard des Italiens, und da kam ich bei einem Juwelier vorbei, sah etwas in seinem Schaufenster, was mir sehr gefiel — und nun bitte ich Sie herzlich, es von mir anzunehmen und es zu tragen zur Erinnerung an meine Lebensrettung.“

      Er nahm vom Tisch ein viereckiges Etui, reichte es mit fast schüchterner Bewegung Vernon hin.

      Dieser war sofort Herr der Lage.

      „Aber, Monsieur Mallentin, wenn Sie mir gern ein sichtbares Zeichen Ihrer Dankbarkeit geben wollen, ich sehe keinen Grund, es abzuschlagen.“

      Sein liebenswürdigsts Lächeln legte sich um seinen Mund, und er öffnete das sehr elegante Etui aus mattem Leder.

      Nur mühsam drängte er einen lauten Ruf der Ueberraschung zurück. Das war ja eine fürstliche Gabe, die da auf veilchenblauem Samtpolster vor ihm lag! Manschettenknöpfe aus Perlen und großen Brillanten, eine dazu passende Schlipsnadel, ein Ring und ein Zigarrenetui. Alles war im gleichen Muster gehalten. Eine jener hochmodernen Garnituren, wie sie reiche Leute gern zu Geschenkzwecken verwenden.

      Alle Selbstdisziplin hatte Gaston de Vernon nötig, um seine weltmännische, etwas blasierte Miene nicht durch den Ausdruck naiven Staunens zu zerstören. Immerhin, ein kleines Aufleuchten in den Augen schadete wohl nichts.

      Er sagte lebhaft: „Welch eine geschmackvolle Gabe haben Sie gewählt, Monsieur Mallentin! Ich trage im allgemeinen keinen Schmuck, aber diesen werde ich gern tragen.“

      Nun brauchte er sich vorläufig keine Geldsorgen zu machen. Dankend reichte er dem Aelteren die Hand.

      „Ich werde Ihr schönes Andenken stets in Ehren halten.“

      Dann überlegte er flüchtig, morgen früh wollte er das Zigarrenetui verkaufen. Er kannte einen Juwelenhändler, der so etwas anständig bezahlte.

      „Wie froh bin ich, daß Sie mich nicht zurückweisen“, versicherte Mallentin. „Ich habe heute auch meinen Kindern geschrieben von Ihnen, passen Sie auf, die empfangen Sie mit Ehrengirlanden auf Groß-Rampe. Uebrigens, wo sollen wir heute speisen? Schlagen Sie, bitte, vor. Oder wollen wir das wieder hier im Hotel abmachen? Man ißt hier gut, meine ich.“

      Nach dem Souper stiegen beide in ein Auto, und Gaston gab die Adresse der Singspielhalle an, in der Lucie Manin auftrat. Es war halb elf, und kaum daß die zwei in einer kleinen Loge Platz genommen hatten, sprang Lucie mit federnden Tanzschritten auf die Bühne.

      Sie trug ein Kleid aus silberübersponnener rosa Seide.

      Eberhard Mallentin schmunzelte. „Ein bildhübsches Dingelchen!“ Nach einem Weilchen stellte er fest: „Sie kann auch tanzen, ich finde, sie tanzt mit Empfindung, tanzt vielleicht besser als mancher Star. Ich verstehe das ja nicht so genau, aber der Tanz gefällt mir.“

      Gaston überlegte, was er bestellen sollte, denn von jetzt an mußte er wohl die Unkosten tragen. Für einen vergnügten Abend reichte seine Kasse, morgen half ihm das kostbare Zigarrenetui weiter.

      Mallentin kam ihm zuvor, bestellte Sekt. Der Kellner ging. Mallentin sagte lächelnd: „Ich habe Sie um Ihre Führung gebeten, Monsieur de Vernon, die Unkosten trage also natürlich ich.“

      Um so besser, dachte Gaston, wehrte sich scheinbar noch ein wenig, lächelte dann achselzuckend: „Wenn Sie durchaus wollen!“

      Lucie tanzte noch einmal, in einem weißen, reichfaltigen Kleid, einen Tanz aus längst verschollenen Tagen. Sie erntete großen Beifall.

      Die Singspielhalle war gefüllt. Unten im Saal saß das Publikum, das nur gekommen war, zu hören und zu sehen, das Kaffee oder Bier trank, während oben in den kleinen, diskreten Logen meist Herren saßen, die sich für die Sängerinnen und Tänzerinnen interessierten, die, nachdem sie ihre Nummer beendet hatten, gerne eine Einladung annahmen.

      Lucie Manin ging langsam den Gang hinter den Logen entlang. Sie trug jetzt ein großes, blaues Samtcape, ihr Haar war unbedeckt.

      Mallentin bemerkte sie.

      „Ist das nicht die kleine, graziöse Tänzerin?“ fragte er leise seinen Begleiter.

      Geston nickte. „Wir wollen sie einladen. Ich kenne sie.“

      Der Aeltere dachte an manchen vergnügten Abend von einst. Weshalb sollte er sich nicht für kurze Zeit einbilden, dreißig Jahre jünger zu sein?

      Gaston trat auf den Gang hinaus, wo er Lucie erblickte. Wie wartend stand sie da.

      In ihrem Gesichtchen leuchtete es auf, sie kam ihm entgegen.

      „Wie hübsch von dir, Gaston, daß du kamst.“ Er sah sie ein wenig verliebt an.

      „Bist doch ein charmantes Käferchen! Mein Freund ist begeistert von dir. Komm mit, kriegst Sekt!“

      „Daraus mache ich mir zwar auch was“, gab sie zurück, „ich möchte aber noch lieber etwas essen.“

      „Ich weiß“, lachte er, „Kaviar, Hummern, Täubchen und Pfirsich. Ich kenne ja die Wünsche deines verwöhnten Magens. Sollst du alles haben, aber benimm dich! Zause mich vor dem Herrn nicht an den Ohren, bespritze mich nicht mit Sekt und sprich auch nicht von der Wette, derentwegen ich Yvettes Etage geliehen haben möchte, erwähne auch nicht, wo ich wohne.“

      Lucie schüttelte den Kopf.

      „Ich werde gar nichts reden. Am besten ist’s, ich wackle nur mit den Ohren, nicht wahr?“

      Er lachte wieder. „Also komm!“ Sie betraten zusammen die Loge.

      Mallentin hatte sich erhoben und machte Lucie Komplimente über ihren Tanz. Das hörte sie gern und vergaß, daß sie eigentlich nur mit den Ohren hatte wackeln wollen.

      Sie erzählte Eberhard Mallentin von dem Agenten Duran und ihren ehrgeizigen Hoffnungen.

      „Da werden Sie in absehbarer Zeit also einen Siegeszug durch Europa antreten“, sagte Mallentin. „Vielleicht darf ich Sie dann auch einmal im Berliner Wintergarten bewundern.“

      Lucies Zierlichkeit saß zwischen den beiden Herren, den Samtmantel ließ sie über die Lehne des Stuhls zurückfallen. Ein schwarzseidenes Abendkleid mit leichter, roter Stickerei zeigte sich. Es war verblüffend einfach und doch von raffiniertem Schick.

      Sie antwortete Mallentin, sie hoffe natürlich auch in Berlin zu tanzen.

      „Wenn Sie einmal in den Zeitungen lesen werden, ich tanze in Berlin, dann kommen Sie doch, bitte, und machen Sie mir einen Besuch. Dann sprechen wir von heute abend.“

      Mallentin fand die Idee nett.

      „Ja, Mademoiselle Lucie, das will ich Ihnen versprechen. Also wundern Sie sich nicht, wenn Sie sich mit Ihrem charmanten Tanz den Beifall der Berliner holen, und es tritt plötzlich so ein alter Bauer an und behauptet, Sie schon von Paris her zu kennen.“

      Gaston achtete kaum auf die Unterhaltung der beiden, die ihm reichlich töricht schien.

      Lucie fragte, ob man denn eine französische Tänzerin gut in Deutschland aufnehmen würde.

      Mallentin trank ihr zu.

      „Schönheit und Kunst werden in der ganzen Welt gut aufgenommen, Schönheit und Kunst sind international. Sie werden gut empfangen werden in Deutschland., seien Sie sicher.“

      Der diskrete Kellner erschien lautlos.

      „Monsieur Duran ist hier, er möchte Mademoiselle Manin dringend sprechen.“

      Lucie war schon von ihrem Stuhl empor. „Ich komme sofort.“ Sie warf graziös den blausamtnen Umhang über die Schultern, reichte Mallentin die Rechte. „Duran ist der Agent, der mir hochhelfen will. Au revoir, Monsieur Mallentin, au revoir eines Tages in Berlin.“

      Gaston erhob sich, und nach kurzer Entschuldigung gegen Mallentin begleitete er Lucie bis auf den Gang.

      Sie