Nataly von Eschstruth

Ungleich - Band II


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Mantel und Hut. Selbst will er sich die Antwort holen, warum klein Mignon ihn verschmäht. Er ist nicht beleidigt, nicht zornig und racherfüllt, nein, er pfeift mit lachendem Angesicht:

      „Wenn ein Mädchen mir gefällt,

      Hilft kein Widerstreben!

      Hat mein Herz sie auserwählt,

      Muss sie sich ergeben!“

      Und dieweil er hastig durch den feuchtwarmen Tauwind schreitet, hat er sogar noch Interesse dafür, wie plötzlich das Wetter umgeschlagen ist. Ists zu verwundern? Lag nicht in seinem Herzen vor kurzer Zeit auch noch Eis und Schnee, und glüht jetzt nicht der Liebe Sonnenschein so heiss darin, dass er am liebsten über Nacht die Myrten aus der Knospe küssen möchte?

      Ungleich! Alles ist ungleich, wohin man sieht, alles berührt sich in schroffem Wechsel und dennoch ists stets zu Heil und Segen, wenn die Sonne und die Liebe solches Überganges Vermittler sind. — Wunderliche Liebe! Kapriziöseste aller Göttinnen, wie spielst du Fangball mit den Menschenherzen! Wo gestern noch voll kühler Berechnung und Weltklugheit ein Fürstenkrönlein und die Hand einer Prinzessin das Ziel der Wünsche war, da hebst du heute das Bild eines spröden Backfischchens auf den Herzensaltar, damit es durch einen einzigen Kuss alle anderen Götzen stürze.

      Cyprian läutet Sturm in Villa Ohly.

      Frau Baronin hat zwar keinerlei Visiten mehr empfangen wollen, aber die „äusserst dringlich“ Angelegenheit des Grafen nötigte den Lakaien, den späten Besuch doch noch zu melden.

      Und die Türen öffnen sich.

      Frau Florence in einem hocheleganten Hausrock von zimmetfarbener Seide mit japanischer Goldstickerei, erhebt sich aus dem Sessel am Kamin, wirft ein Buch beiseite und schreitet dem Rittmeister mit ausgestreckten Händen entgegen.

      „Pauvre diable!“ lacht sie in ihrer leichten Art. „Kommen Sie, um auf den Ruinen von Karthago mit mir zu weinen?“

      Er küsst abwechselnd ihre Hände. „Gott behüte!“ scherzt er, „noch ist das Karthago meiner Hoffnung durchaus nicht zerstört! im Gegenteil, der Feldherr rückt im Sturme vor, das feindliche Terrain ohne die mindesten Verluste zu nehmen!“

      „O Sie gläubige Konfirmandenseele!“

      „Dieser schmerzliche Seufzer, welcher meinen Erfolg bezweifelt, versichert mir, dass die Schwiegermama bereits erobert ist!“

      Sie blinzelt ihn voll Humor an. „Wenn die Schwiegermama aber die einzige Kriegsbeute bleibt, ist der Sieger in doppeltem Sinne ein geschlagener Mann!!“

      Cyprian zuckt neckend die Achseln. „Warum diese schrecklichste der Möglichkeiten annehmen! Ich betonte „ohne Verlust“ das feindliche Terrain nehmen zu wollen und das sehen Sie doch selber ein, süsse Schwiegermama, dass ich für Sie auf jedem Sklavenmarkt noch zwanzig Pfennige Schmerzensgeld dem Käufer aufzahlen müsste! Solche Ausgaben gestatten mir jedoch meine Verhältnisse nicht!“

      Sie schlug amüsiert die Hände zusammen. „Dies ist der Übergang zu der pekuniären Generalbeichte!!“

      Sie neigte sich und flüsterte mit Grabesstimme: „Haben Sie Schulden?!“

      Er nickte voll düsterer Mimik und rang dazu die Hände.

      „Unglückseliger — wie viel?!“

      Er brach wahrhaft zusammen unter der Wucht der Summe, welche er zu gestehen hatte.

      „Fünf Mark und fünfundzwanzig Pfennige für Kölnisch Wasser bei meinem Friseur!“ murmelte er dumpf.

      „Verschwender!“ Mit zerschmetterndem Blick griff die Baronin in die Tasche und zog das Portemonnaie. „Voilà, fünf Mark fünfundzwanzig! — So; — löschen Sie Ihre Kreide und treten sie alsdann mit ungebeugtem Nacken vor meinen Mann. Wenn Sie auch ihn erobern und geben ihn als „Markknochen“ auf dem Sklavenmarkt mir zu, erlässt der Händler die zwanzig Pfennige!“

      Sie erhob sich und wollte nach der Schelle greifen, Cyprian aber fasste hastig ihre Hand und zog sie abermals an die Lippen.

      „O Sie Engel —“

      „Lügen Sie doch nicht so!“

      „Es gibt ja auch böse Engel!!“

      „Ah richtig! — pardon — Nun? was wünschen Sie?“

      „Lassen Sie mich vorerst noch nicht bei Ihrem Herrn Gemahl melden, es macht sich besser, wenn Mignon und ich uns vereint seinen Segen holen!“

      „Sie wollen meiner Kleinen noch einmal persönlich die Kriegserklärung Ihrer Liebe machen?!!“

      „Ich möchte versuchen, ihren schlechten Geschmack, welcher nicht auf mich anbeissen will, etwas zu korrigieren!“

      Florence zuckte neckend die Achseln. „Sie fürchtet vielleicht, sich einen Zahn zu verletzen, denn das „Alter“ goutiert man nur am Wein!!“

      „Ich bin süss, hohe Gönnerin! — Ich gehöre zur Spezies der Liebesäpfel, welche die Zeit — — weich macht! —“

      „Das ist etwas anderes; eh bien, ich werde dem Verhängnis seinen Lauf lassen.“ Sie rührte die kleine silberne Schelle. „Baronesse Mignon soll hierher kommen, Lotz, aber melden Sie nicht, dass Besuch anwesend ist!“ — — —

      Die Tür öffnete sich, Mignon trat hastig ein. Sie trug ein schlichtes blaues Tuchkleid, welches durch ein weissgesticktes Schürzchen mehr geschmückt wie verdeckt wurde.

      Ihr Auge richtete sich nach der Chaiselongue, und da diese zu ihrer Überraschung leer war, wandte sie sich mit forschendem Umblick nach dem Salon.

      Die Lampen waren durch rote Seidenschleier tief verhängt, aus ihrem magischen Licht tauchte das schöne Antlitz Cyprians, welches sich ihr mit beinahe humorvollem Lächeln zuwandte.

      Das junge Mädchen schien leicht zusammen zu schrecken, dann hob sich das blonde Köpfchen noch unnahbarer auf dem Nacken und das liebliche Madonnengesicht sah so stolz und abweisend aus, wie es Lankwitz nie für möglich gehalten.

      „Guten Abend, mein gnädigstes Fräulein!“

      Dieser lustige Ton klang beinahe wie Ironie, heisse Glut flammte in ihre Wangen empor.

      Sie neigte knapp den Kopf und fasste schnell den Türgriff, um sich zu entfernen.

      „Einen Augenblick, Fräulein Mignon!“

      Schneller noch wie sie, stand er neben ihr und hielt ihre Hand an der Tür fest. „Sie schulden mir eine Antwort, welche ich berechtigt bin, von Ihnen zu fordern!“

      Sie befreite mit sehr energischer Bewegung ihre Fingerchen.

      „Eine Antwort?“ fragte sie mit aufsprühendem Blick. „Hat meine Mutter sie Ihnen noch nicht übermittelt?“

      Er rollte einen Sessel näher. „Setzen wir uns dazu, die Debatte scheint langwierig zu werden!“ lächelte er.

      Sie blieb regungslos stehen; ihr ganzes Gesichtchen drückte lebhafteste Opposition aus.

      „Eine Antwort ist schnell gegeben, ich bin eilig.“

      „Um so besser! Sagen Sie mir recht schnell, dass der Brief Ihrer Frau Mama ein grosser Irrtum gewesen und dass Sie mich ebenso kolossal lieb haben, wie ich Sie, Mignon!“

      Er trat ihr mit herzlich ausgestreckten Händen entgegen, gleichviel, ob sie zornig vor ihm zurückwich.

      „Hat mich Mama hierher rufen lassen, um mich abermals Ihren Beleidigungen auszusetzen, Graf Lankwitz? Ich verbitte mir Ihre Scherze, welche Sie sich keinem Schulmädchen, viel weniger mir gegenüber erlauben dürfen!“

      „Scherze?“ Er zog leicht die Brauen zusammen. „Ich stehe in vollstem und feierlichstem Ernste vor Ihnen und wünsche Ihnen das auf eklatanteste Art zu beweisen!“

      Sie zuckte die Achseln. „Um so schlimmer, wenn Sie eine Dame im Ernst derart kompromittieren können. Da Sie den Brief meiner