Augenblicke, die man seinen Augen nicht zutraut.
George schüttelte den Mixbecher für eine neue Lage, als sei nichts geschehen. War ich schon so betrunken? Da auf einmal kam der Bootsmann wieder heraus, starr und gerade, und sagte im Hinausgehen, ohne sein Gesicht zu wenden, mit dem gleichen unbewegten Tonfall wie in der Bibliothek: »Denn laß ihn man mal ’n Glas heißen Rotwein kriegen. Ist sein letztes.«
Seine harte klare Stimme drang durch den mürben Schwall aus Tanz und Musik und Gemixe. Und siehe da, nun brach alles ab. George verschwand mit einer Flasche Bordeaux in die Kombüse nebenan, wo ein kleiner Heißwasserspeicher war für die Grogs.
Die Kokosmatte aber taumelte ein wenig, ließ das Einglas fallen und schnarrte: »Wat hat denn hier ejalweg det Personal zu suchen?«
Es war eine Weile unbehaglich still. Meine holde Tischgefährtin aus Hannover war blaß und sah mich angstvoll an, ihre großen kindlichen Augen rührten mich, aber ich verbiß es, verliebt zu sein oder gar unglücklich wegen ihres Wankelmuts. Und auch die Baronin sah mich an und die beiden Kavaliere auch, als ob ich hier Aufklärung zu geben hätte.
»Ja«, sagte ich da, um keinen zu enttäuschen: »Das ist eben nun mal so, da ist nichts zu machen.«
Der Venezuele hatte blaue Schatten ums Kinn; es war bald Zeit, sich wieder zu rasieren.
»Nein, da ist nichts mehr zu machen!« sagte da auch George. Er war wieder hinter die Theke getreten. Ergebung lag auf seinem guten Antlitz: »Wenn Bootsmann es sagt, dann ist es so. Der weiß mehr als jeder Schiffsarzt. Mich soll wundern, wenn er es noch bis Cuxhaven macht. Wenn erst Land in Sicht ist, dann wird er wohl Ruhe haben!«
»Liegt er denn hier und wer überhaupt?« fragte einer entsetzt.
»Natürlich, wo denn sonst? Hier hinter der Wand, Obersteward von der Zweiten!« antwortete George: »Erstens ist da sein Zimmer, und zweitens hört er so gern Musik, und drittens freut es ihn, wenn der Umsatz floriert. Er hat Wasser am Herzen. Meine Herren, einem Seemann soll das Wasser am Herzen liegen, bei einem Flunki ist es ungesund. Prost!«
»Eine Runde Maracaibo ist besser!« faßte sich der Venezuele.
Mir aber schmeckte es nicht mehr. Ich ging hinaus, wo die Sterne schwankten. Anfangs vernahm ich noch die Musik wie ein Radio aus fernen Sälen.
Es dämmerte. Auf einmal stand meine kleine Dame neben mir, verhüllt und stumm. Was sollte man viel sagen? Die Nacht war ungefähr dahin. Vorm Bug erglomm der Himmel, knallrosa Wolken waren wie ein Vorhang aufgetan vor der feurigen Helle.
»Ob er so ins Paradies sehen wird oder wir eines Tages?« sagte sie da leise an meiner Schulter.
Ich strich über ihr Haar, wie ich es vordem hatte tun wollen; es war feucht vom Tau. Ein Stück Küste schimmerte grau und messerdünn hinter der lila See und schnitt eine blasse Scheibe Sonne über die Kimm. Das Schiff wurde lebendig, es erscholl von Arbeit. Der Tag war da. Wir gingen zurück an den Niedergang.
Da, als unser Blick nach achtern fiel, hißte man gerade die Heckflagge; aber sie stieg nicht ganz empor, sie blieb auf Halbmast stehen.
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