hatte eben an sein Heiratsprojekt gedacht und platzte bei Vaters Worten in der Meinung, daß die Bemerkung seinem Plan selbst gelte, heraus. „Um Gotteswillen, Vater, sag' nicht nein! Ich würde grenzenlos unglücklich werden!“
„Du?“ fragte überrascht der alte Herr.
„Ja, gewiß, lieber Vater! Seit Tagen ringe ich mit mir selbst, ich fand den Mut nicht, dir einzugestehen, was mein ganzes Denken und Empfinden ausfüllt!“
Der Alte pfiff durch die Zähne und trocken sagte er dann. „Dein Büreauschwänzen muß allerdings einen gewichtigen Grund haben!“
Kleinlaut bat Franz: „Verzeih' mir, Vater! Es ischt so jäh und stark über mich gekommen, mit einer Macht, die stärker war als ich! Ich konnte nicht anders, und nun ich das beglückende Wort vernommen, bitte ich dich recht inständig um deine Einwilligung!“
„So? Wozu denn? Was soll ich bewilligen?“
„So ahnst du's nicht, was mich bewegt?“
„Nein!“
„Großer Gott! Steh' mir bei!“
„Du wirst doch nicht Schulden gemacht haben?“
„Nein, nein! Lieber Vater, verzeihe mir: Ich habe mich verlobt!“
Der Alte blieb stehen wie versteinert. Auf dieses Geständnis war er nicht vorbereitet.
„Verzeih' mir, Vater!“
„Mit wem hast du dich verlobt?“
„Mit Emmy Ehrenstraßer!“
Ein Lächeln flog über das faltige Gesicht des alten Herrn, verschwand aber schnell, und kühl klang die Erwiderung. „Das Mädchen ischt brav, ein Engel, hat aber nichts!“
„Ich will arbeiten, Vater! Ich stelle meinen Mann und kann mit eigener Arbeit eine Frau ernähren!“
„Es geht nicht! Jetzt schon gar nicht! Von deinem Salär kannst du allein nicht leben, geschweige denn mit Weib und Kind! Mehr zu geben ischt mir unmöglich. Die Zeiten sind zu schlecht, die Ausgaben riesig, wie die Projekte.“
„Welche Projekte?“
„Das ischt meine Sache! Ich kann dir kein Kapital ausfolgen, es steckt alles im Geschäft!“
„Vater, guter Vater! Gieb mir nur die Prokuristenstelle und ich werde es dir danken immerdar! Mach' mich nicht unglücklich, Vater!“
„Es geht nicht! Das wird Ehrenstraßer selbst einsehen! Hast du mit Emmys Vater schon gesprochen?“
„Nein! Erst wollte ich deine Einwilligung haben! Am Sonntag möchte ich Herrn Ehrenstraßer bitten!“
„Das kannst du thun! Seines Nein bin ich sicher! Vielleicht kuriert dich das von deinen Schwärmereien. Doch nun wollen wir umkehren! Geh' nach Hause, Franz! Ich will noch zum Kommissionär Pfahler, hab' mit ihm ein Wort zu sprechen!“
Gehorsam entfernte sich Franz und ließ betrübt den Kopf hängen. Im Herzen des Vaters regte sich etwas wie Mitleid, doch rief Ratschiller den Sohn nicht zurück, er murmelte nur. „Soll nur etwas zappeln! Schlecht ischt seine Wahl nicht! Wollen sehen! Es paßt nur nicht in den Riesenplan!“
Gemächlich begab sich der Fabrikherr zum Kommissionär Pfahler, der sein Büreau in der Nähe des Bahnhofes hatte, und traf ihn eben im Begriff, das Geschäft zu schließen. Beim Anblick des Fabrikanten öffnete Pfahler bereitwillig wieder die Thüre und bat Ratschiller einzutreten.
„Bitte, nein! Ich will Sie nicht abhalten, die Knödel würden hart werden!“ sagte gelassen Ratschiller.
„O nein, Herr Ratschiller! Bitte sehr! Wir haben übrigens nur ‚Gröstel‘, Sie wissen, das bescheidene Tiroler Nationalgericht aus Fleischresten und Schmorkartoffeln, wie es sich ziemt für einen armen Kommissionär! Aber bitte, womit kann ich dienen? Bitte, nehmen Sie gefälligst Platz! Bitte sehr! Apropos, habe schon gehört, gratuliere!“
„Wozu wollen Sie mir gratulieren?“
„O, bitte sehr! Frau von Bauerntanz, Sie wissen, die hübsche Doktorin, war so freundlich, mir zu erzählen, Ihr Herr Sohn sei mit Fräulein Emmy vom Bezirksrichter verlobt. Also baldige Hochzeit, giebt ein feines Paar, wie geschaffen für einander. Gratuliere bestens! Kann ich irgendwie dienen, ich stehe zu Diensten!“
Ratschiller sen. fühlte eine scharfe Zurechtweisung auf der Zunge sitzen, doch drückte er das Wort zurück, und blitzschnell überlegte er, daß ein Dementi der Verlobung durch den schwatzhaften Kommissionär ein heilloses Durcheinander im Städtchen hervorrufen könnte. Und noch ein Gedanke fuhr dem Fabrikherrn durch den Kopf. „Hören Sie, Pfahler! Ich danke Ihnen für Ihren gutgemeinten Glückwunsch! Aber man ischt noch nicht so weit! Das Paar hat ja noch gar kein Nest! Sie wissen, ich bin in meinem Hause arg beschränkt, könnte Zuwachs absolut nicht brauchen! Die Komptoirs sollen eine Vergrößerung erfahren.“
„Ja, ja, die Fabrik wächst, sie wird noch die Perlmooser überflügeln!“
„Reden Sie keinen Unsinn, Pfahler! Immer hübsch solid bei der Stange bleiben! Aber man wird daran denken müssen, dem Paare, wenn es zur Heirat kommt, ein Häuschen, so eine kleine Villa zu bauen. Dazu habe ich aber keinen geeigneten Grund. Wissen Sie einen feilen Baugrund?“
In rasender Eile zählte Pfahler die Namen käuflicher Grundstücke auf.
„Das ischt nichts für mich. Es soll eher etwas sein, das an meine Liegenschaften stößt und anrondiert werden kann. Mein Sohn soll nicht zu weit ins Komptoir haben.“
„Darf es Wiesengrund sein? Freilich arg sonnig dann, bis die Pflanzbäume einmal Schatten geben!“
„Nu, man kann ja größere Bäume kaufen!“
„Hm! Wie wäre es am Anger, der stößt an Ihre Gründe an, die Entfernung zum Büreau ischt minimal und viel dürfte der Angerer kaum verlangen. Soviel ich weiß, schwebt eine Klage gegen ihn in einer Schuldsache; er wird froh sein, Bargeld zu bekommen.“
„Nein, nein! Ich möchte dem Mann nichts abdrücken!“
„Wie weit dürfte ich gehen in der Vermittelung?“
„Ich weiß nicht, ob ich dieser Sache näher treten soll!“
„Wieviel Decimalen brauchen Sie?“
„Unter etlichen Tagwerken wird es nicht gehen! Wer weiß, ob der Mann so viel Grund abgiebt!“
„Aber ich bitte, Herr Ratschiller! Es ischt ja schlechter Wiesengrund, der Angerer wird froh sein, wenn er ihn zu halbwegs anständigem Preise losbringen kann.“
„Nun gut, ich nehme, so viel Grund er abgiebt. Den Preis soll er nennen. Aber wie gesagt, es muß nicht sein, denn aufgeboten ischt das Paar noch nicht. Ich weiß also nicht, ob es zum Villenbau kommt. Übrigens ein Prozent Provision und ein Trinkgeld, Sie wissen ja, wie immer!“
„Danke bestens, werde den Auftrag prompt besorgen. Der Grund gehört schon Ihnen! 'pfehl mich bestens, habe die Ehre, wünsche wohl zu speisen, gehorsamster Diener!“
Leicht grüßend verließ der Fabrikherr den Kommissionär, um sich nach Hause zu begeben.
IV.
Bezirksrichter Ehrenstraßer hielt in seiner Kanzlei den der Zeugin abgenommenen Vorladungszettel in der Hand, warf einen Blick in den offen ausgelegten Akt, bedeutete dem Aktuar, das Protokoll zu führen, und fragte. „Sie sind also die vorgeladene Zeugin Walburga Deng, Witib des vulgo Lusner?“
Die Zeugin nickte.
„Sie haben laut und vernehmlich zu antworten!“
„Ja, gnä' Herr!“
„Es genügt ja oder nein, alles übrige ischt überflüssig!“
„Ja!“
„Was können Sie zum Falle Kirchhammer