Inger Gammelgaard Madsen

Richter und Henker - Roland Benito-Krimi 8


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leitete mit Informationen über das Erlebnis des Hundebesitzers ein, der die drei erhängten Jungen in der stillgelegten Schlachtanlage in Brabrand gefunden hatte.

      „Und nun steht Sigurd Karlsson neben mir.“ Sie wandte sich ihm zu. „Was ging in Ihnen vor, als sie die Jungen entdeckten?“

      Der Kameramann richtete die Kamera auf Sigurd und zoomte hinaus auf den Hund, der an der Leine zerrte, um unter dem rotweißen Plastikband der Polizei durchzukommen.

      Sigurd zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht, rückte die Brille zurecht und holte den Hund erneut mit einem unsanften Ruck an der Leine zurück.

      „Zuerst habe ich den einen Jungen gesehen. Er … er hat nicht bei den anderen gehangen. Dann bin ich noch weiter in die Schlachthalle gegangen, wo Kvik, also der Hund, dann bellte. Dort haben die anderen, wie der erste, mit einem Strick um den Hals gehangen. Erst dachte ich, dass es wohl Selbstmord gewesen sein muss, doch jetzt höre ich, dass die Jungen vielleicht umgebracht wurden …“

      „Cut! Cut!“, rief Jytte und streckte die Arme in die Höhe. „Das schneiden wir beim Redigieren heraus“, sagte sie zum Kameramann und wandte sich wieder Sigurd zu, der verwirrt aussah. „Von Mord dürfen wir nichts sagen, okay? Dafür gibt es keine Beweise und ich möchte jetzt nichts am Hals haben, was ich dann wieder dementieren muss. Nun gut, beginnen wir von vorne.“ Erneut stellte sie sich mit ihrem professionellen Blick vor die Kamera und fragte genau dasselbe. Sigurd Karlsson gab auch dieselbe Antwort, nur diesmal etwas zögerlicher, und sparte die Aussage mit dem Mord ganz aus.

      „Wohnen Sie hier in der Nähe?“

      „Ja, gleich ums Eck hier in Helenelyst.“

      „Gehen Sie jeden Tag mit dem Hund spazieren?“

      „Ja, fast.“

      „Und Sie haben die Jungen noch nie gesehen? Oder kannten Sie sie?“

      „Nein. Die sind bestimmt nicht aus diesem Viertel …“

      „Aber es war Ihr Hund, der den Fund gemacht hat?“

      Sigurd nickte und wollte noch etwas sagen, wurde aber von einem Streifenwagen unterbrochen, der nun vor dem Gebäude vorfuhr und anhielt. Zwei Beamte in Uniform und einer in Zivil stiegen aus dem Wagen. Im Nu verlor Jytte das Interesse an dem Hund und seinem Besitzer.

      „Just in diesem Moment trifft der neue Polizeikommissar der Polizei von Ostjütland, Anker Dahl, ein. Wir versuchen, eine Aussage von ihm zu bekommen“, sagte sie eifrig ins Mikrofon, während der Kameramann hinter ihr herhastete, als sie den großen Mann einholte.

      „Gibt es Neuigkeiten in diesem Fall?“, fragte Jytte und streckte das Mikrofon dem zusammengekniffenen Mund des Kommissars entgegen.

      Er blieb stehen und sah die emsige, lockige, etwa dreißigjährige Frau in ihrem Pelzimitat mit einem langen, kalten Blick an, danach sah er auf die Kamera und das TV2-Logo, als ihm aufging, dass er im Fernsehen und somit gezwungen war, sich von seiner zuvorkommenden Seite zu zeigen. Anne lächelte, hier war es nicht so einfach auszuweichen, wie wenn man mit einem Journalisten sprach, der nur Notizen von einem Interview machte. Die Kamera hatte Macht.

      „Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich keinen Kommentar zum Stand unserer Untersuchungen“, antwortete er.

      „Es gibt also eine Untersuchung? Ist Selbstmord ausgeschlossen?“

      „Wie gesagt, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Auskunft geben.“

      „Was ist mit dem Polizisten, der den Schuss ausgelöst hat?“

      „Die Ermittlungen sind an die Polizeibeschwerdestelle übergeben worden. Nur sie dürfen in dieser Angelegenheit eine Verlautbarung abgeben, also kann ich hier leider auch nicht weiterhelfen.“

      Er warf ihr ein kurzes, abweisendes Lächeln zu, das sein leider nicht bestätigte, duckte sich unter der Absperrung, die einer der Beamten für ihn anhob, hindurch und verschwand in seinem knielangen Wollmantel im Gebäude. Jytte wandte sich mit einem bedauernden Gesichtsausdruck ihren Zuschauern zu.

      „Selbstverständlich bleiben wir an diesem Fall dran“, sagte sie abschließend.

      Als die Kamera ausgeschaltet war, seufzte sie laut.

      „Shit, da fällt ein Haufen Arbeit beim Redigieren an. Na gut, sollen wir weiter zur DUP? Die Redaktion wünscht sich einen Beitrag dazu in den Nachrichten. Außerdem brauchen wir die neuesten Infos zum Einbruch in diesem Sportladen, also wird’s jetzt ein bisschen stressig.“

      Die DUP lag am Bahnhofsplatz und wurde 2012 gegründet, nachdem mehrere Einwände seitens der Bürger und Politiker gekommen waren, weil die Polizei die gegen ihr eigenes Personal eingereichten Beschwerden selbst behandelte, sodass die Sachbearbeitung weder glaubwürdig noch objektiv wirkte. Der Beratungsleiter Martin Dalum willigte in ein Interview vor dem Gebäude ein, machte jedoch darauf aufmerksam, dass es noch nichts Neues gab.

      „Unsere Ermittler müssen den Fall erst untersuchen, wir müssen den Polizisten vernehmen und mit den Zeugen sprechen.“

      „Aber es gibt doch eine Videoaufnahme, reicht das nicht?“, fragte der Moderator.

      „Die Bilder sind zu undeutlich. Wenn also jemand den Vorfall gestern Abend um 21 Uhr am Telefonplatz beobachtet oder etwas Verdächtiges bemerkt hat, würden wir gerne von ihnen hören.“

      Er blickte appellierend in die Kamera. Anne sah ihm deutlich an, dass er an die Presse gewöhnt war und dass er so etwas schon einmal gemacht hatte.

      „Ist der Polizist vom Dienst befreit?“

      „Die Polizeibeschwerdestelle beschäftigt sich nur mit den Nachforschungen an diesem Fall und die Techniker der Reichspolizei helfen uns diesbezüglich mit den Untersuchungen am Tatort. Wir haben nichts damit zu tun, was mit dem Polizisten geschieht, solange wir den Fall untersuchen. In dieser Angelegenheit muss ich sie an die Reichspolizei verweisen.“

      „Wann erwarten Sie einen Beschluss?“

      „Jetzt brauchen unsere Ermittler erst einmal Ruhe zum Arbeiten“, sagte er, „eine Pressemitteilung folgt.“

      Er nickte der Journalistin kurz zu – eine Verabschiedung, die sie und der Kameramann verstanden und respektierten. Die Kamera schwenkte vom Beratungsleiter weg und nahm Jytte in den Fokus, als sie ihm dankte und erneut versprach, an dem Fall dranzubleiben.

      Anne half dem Kameramann zusammenzupacken, während Jytte mit Martin Dalum weitersprach, denn man musste sich diejenigen warmhalten, die einen mit Informationen über eine aufsehenerregende Story versorgten, die in der News Übersicht gut aussehen würde. In diesem Punkt gab es keinen Unterschied zur gedruckten Presse.

      Kapitel 6

      Er war sich nicht ganz sicher, ob sie es war, die er durch das Fenster auf der Treppe vor dem Bahnhof zusammen mit Martin Dalum und der TV-Crew stehen sah. Er kniff die Augen vor dem blendend hellen Licht zusammen, das in den Schmelzwasserpfützen über dem Betonsteinpflaster reflektierte.

      Doch, sie war es. Ihr Haar war länger geworden. Es sah aus, als wäre sie geschminkt, was ihr gar nicht ähnlich sah. Vielleicht war es nur die Entfernung, die sie besser aussehen ließ. Doch was machte sie da mit der bekannten Journalistin von TV2 Ostjütland? Hieß es nicht, dass sie gerade erst bei Media House Denmark gefeuert worden war, noch bevor sie dort so richtig angefangen hatte? Er hatte gehört, dass der Auslöser dafür ein Artikel gewesen sein sollte, den sie über eine Angelegenheit geschrieben hatte, die sein Leben grundlegend verändert hatte. Scheinbar auch das ihre. Sie hatte einen guten Freund verloren und war obdachlos geworden, als ihre Wohnung in der Frederiks Allee abgebrannt war. Er selbst musste damals eine der schwierigsten Entscheidungen treffen, vor die er in seinem Arbeitsleben je gestellt worden war. Auch sie hatte offenbar eine Entscheidung getroffen. Hatte sie bereits den ersten Fuß in der TV-Branche? Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Anne Larsen ging durch jegliches Feuer und Wasser – buchstäblich.

      Roland Benito konzentrierte sich wieder auf den