Torsten Andreas Hoffmann

Die Magie der Schwarzweißfotografie


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veranschaulicht – hochgradig grafisch zu sein. Hier habe ich mit Silver Efex noch den letzten Schliff ins Bild gebracht.

      18 mm (27 mm im Vollformat), Blende 4,6, 1/1250 Sekunde, ISO 400, Silver Efex

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       Das Bild rechts zeigt ein interessant ineinandergeflochtenes grafisches Muster, Ergebnis eines Licht- und Schattenspiels in New York. Analysiert man die Form, so greifen hier viele große und kleine optische Dreiecke ineinander. Das i-Tüpfelchen des Bildes ist natürlich der Mensch, der in diese grafische Konstruktion eingebettet ist. Es handelt sich um das Eisengerüst, das eine der großen Brücken in New York, die Queensboro Bridge, trägt.

      28 mm, Blende 11, 1/250 Sekunde

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       Ebenfalls sehr grafisch ist diese Komposition von den Säulen der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main. Hier ist die grafische Komposition viel strenger und einfacher zu erfassen. Dominant sind auf dem Bild die vertikalen Säulen und ihre Schatten, zu denen rechts oben die horizontalen Linien der Treppe korrespondieren. Ohne den Menschen würde der Komposition das gewisse Etwas fehlen. Auf den richtigen Menschen musste ich lange warten, aber so fügt er sich perfekt in die grafische Komposition ein.

      200 mm, Blende 11, 1/500 Sekunde

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       Die beiden Bilder dieser Doppelseite sind wieder bei Gegenlicht fotografiert, so wie ich es Ihnen empfohlen habe. An einem banalen Ort in Lanzarote entdeckte ich diese Strom-leitungen, die zusammen mit Hauswand, Laterne, Stoppschild und Agave eine interessante Bildkomposition ergeben. Mit Lightroom habe ich so gut wie alle Zwischentöne herausgenommen, sodass wir nur drei Tonwerte haben: einen Weißton, einen Schwarzton und einen mittleren Grauton in den Bergen. Einen leichten Grauverlauf habe ich noch in den oberen Teil des Himmels gelegt, damit er sich besser vom Hintergrund abhebt.

      153 mm, Blende 20, 1/640 Sekunde, ISO 200

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       Eine alte, zerstörte Windmühle, ebenfalls auf Lanzarote, wirft ein ähnliches Licht- und Schattenspiel. Hier stehen die linienförmigen Strukturen den kräftig schwarzen Balken gegenüber und ergeben eine interessante grafische Bildspannung.

      141 mm, Blende 18, 1/500, ISO 200

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       Bei diesem Bild in der Nähe der Istanbuler Galatabrücke ist vor allem die Spiegelung das Interessante am Bild. Die Menschen im Vordergrund sind Silhouetten und die Menschen im Spiegel oben sind ebenfalls Silhouetten. Auch wenn das Bild inhaltlich nichts weiter als Alltäglichkeit zeigt, lebt es von seinem starken grafischen Charakter – und das ist das Wesen der Schwarzweißfotografie!

      93 mm, Blende 9, 1/200 Sekunde, ISO 250

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       Ein wunderschönes grafisches Spiel zeigen die New Yorker Feuertreppen im Viertel SoHo bei Gegenlicht. Die sich klar abzeichnende Feuertreppe im rechten Bildteil schafft eine formale Spannung zu den hinteren Feuertreppen im linken Bildteil. Zwischen die beiden Bildteile sind die Silhouetten von zwei Menschen eingebettet, auch wieder zwei kleine Rädchen im großen Getriebe von New York. Versuchen auch Sie, Menschen bei Gegenlicht in grafische Kompositionen zu betten.

      155 mm, Blende 10, 1/800 Sekunde, ISO 250

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       Bei dem ging es um die Einheit von Architektur und moderner Kunst. Im Foyer des Frankfurter TaunusTurms fand die Ausstellung des Gegenwartskünstlers Michael Beutler statt. Die Formensprache seiner modernen Skulpturen ordnet sich wunderbar in die moderne Glasarchitektur des Foyers ein. Das Foto zeigt die Verbindung von beiden und entfaltet auch bei Gegenlicht sehr schöne Licht- und Schattenspiele.

      26 mm, Blende 11, 1/320 Sekunde, ISO 200

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       Blickt man von oben auf den Eingangsbereich der Deutsche-Bank-Hochhäuser in Frankfurt am Main, so lässt sich mit einer Telebrennweite auch ein sehr grafisches Bild komponieren. Die Grundstruktur der Architektur sind kleine Rechtecke, die aber in ein sehr abwechslungsreiches Formenspiel einschließlich seiner Spiegelung gekleidet sind. Mit Silver Efex habe ich noch eine leichte Vignette eingebaut, sodass das Bild eine Konzentration zur Mitte hin erfährt.

      128 mm, Blende 9, 1/125 Sekunde, ISO 250

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      Lernen Sie, Stimmungen zu empfinden und auszudrücken

      Mit Emotionen gehen wir in Deutschland eher zurückhaltend um. Vielleicht liegt das daran, dass wir im Dritten Reich erfahren haben, wie stark Emotionen missbraucht werden können. Und genau das beginnt ja auch heute schon wieder, wenn der Fremdenhass geschürt wird. Welche Massenemotionen sich entwickeln können, spürt man schon im Fußballstadion. Hierbei handelt es sich allerdings um ein harmloses, in der Regel friedliches Spiel. Bei Naziaufmärschen hingegen wurden die Emotionen geradezu mystisch aufgeladen, und so Vernunft und geistige Differenzierungskraft sehr vieler Menschen schnell ausgeschaltet. Es ist also wirklich sinnvoll, sich vorrangig von seiner Vernunft und von Fakten leiten zu lassen.

      Aber dennoch, Emotionen wohnen uns inne. Was sollen wir mit ihnen machen, wenn sie zu stark werden? Freude können wir natürlich nach außen bringen. Was aber ist mit den weniger positiven Emotionen?

      Frustration ist eine nicht zu unterschätzende Gefühlslage, aus der heraus sich schnell Wut und Hass schüren lässt. Genau da setzt meines Erachtens der Missbrauch von Emotionen heute wieder an. Wer frustriert ist und wem es an Differenzierungskraft fehlt, der ist offen dafür, ein Feindbild aufzubauen. Und da fängt es an, gefährlich zu werden.

      Die Tatsache, dass Emotionen gefährlich sein können und Menschen sich mithilfe von Emotionen manipulieren lassen, ist vielleicht mit ein Grund dafür, dass sich in der westlichen Fotowelt eine völlig unemotionale Bildsprache durchgesetzt hat: die Bildsprache von Bernd und Hilla Becher und deren Schülern. Sie fanden, dass der Fotograf mit seinen Emotionen sich so weit wie möglich zurücknehmen solle. So wurde die Gegenwartsfotografie stark von dem Gedanken geprägt, möglichst unemotional zu sein.

      Bilder sind aber nun einmal per se emotional. Wenn man aus Bildern die Emotionen herausnimmt, so wäre das in etwa so, als habe man eine Kuh gezüchtet, die Wasser anstatt Milch produziert, und wäre auch noch stolz darauf. Unemotionale Bilder sind kühl und distanziert.

      Ich möchte daher den entgegengesetzten Weg propagieren und dafür plädieren, wieder bewusst Emotionen ins Bild zu bringen. Daher ermutige ich Sie, Ihre Stimmungen, Grundgefühle und Emotionen zu entdecken und bewusst in Bilder zu übersetzen. So sind Sie auf dem Weg zu einer eigenen Bildsprache und zu einem befriedigenden Selbstausdruck.

      Nehmen Sie sich also bitte etwas Zeit und Muße, und stellen Sie sich die Frage: Wie sind Ihre Grundgefühle? Seien Sie dabei ehrlich zu sich selbst, auch wenn Sie womöglich entdecken, dass Ihre Grundgefühle nicht so positiv sind, wie sie vielleicht nach Vorgabe der Gesellschaft sein sollten. Wenn Sie entdecken, dass Ihnen Gefühle wie Trauer, Wut, Angst und Ohnmacht innewohnen, so möchte ich Sie keineswegs dazu anleiten, diese Gefühle offen nach außen zu bringen. Sie können sie aber wunderbar in Bilder übersetzen, denn Bilder sind in der Lage, diese Gefühle in sich aufzunehmen. Im Gegenzug werden Sie sich befreit fühlen, wenn Sie gerade für diese weniger heiteren Emotionen einen Weg des Ausdrucks gefunden haben.

      Natürlich gibt es auch die heitere Seite.