Jørn Nielsen

Auf der Flucht - mein Leben als Hells Angel


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      Jørn Nielsen

      Auf der Flucht

      SAGA Egmont

      Auf der Flucht

      Aus dem Dänischem von Gabriele Haefs nach

      Mit andet liv

      Copyright © 2004, 2018 Jørn Nielsen und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711524268

      1. Ebook-Auflage, 2018

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

      Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      Die beiden Männer standen nur fünfundzwanzig Meter von uns entfernt und hatten uns noch nicht gesehen. Sie schienen sich nicht ganz wohl in ihrer Haut zu fühlen und sie hielten eifrig Ausschau, während die Menschen an ihnen vorübereilten.

      »Die sind offenbar nervös«, meinte David Martin mit einem vielsagenden Lächeln. »Wir sind aber auch spät dran.« Ich nickte und folgte ihm durch die Menschenmenge.

      Jetzt entdeckten die beiden Männer uns. Ihre Gesichter leuchteten auf und sie kamen sofort auf uns zu. Der Anwalt und ich waren ja wohl kaum zu übersehen. David Martin reichte mir nur kurz über die Schultern und bewegte sich gelassenen Schrittes über den Steinboden des Flughafengebäudes. Dunkelhaarig und in einen tadellosen Anzug gewandet. In der Hand hielt er die obligatorische Aktentasche.

      Ich – ja, ich sah eben so aus, wie ich in den letzten drei oder vier Jahren ausgesehen hatte. Kurze Haare und kurzer Bart, wenn auch eine Spur länger als normal. Ich hatte mich so nach und nach auf hundert Kilo hinaufgeschlichen und wirkte neben dem schmächtigen Anwalt sicher wie ein ziemlicher Bär. Meine Sporttasche, die mit der Aktentasche des Anwalts um die Wette baumelte, enthielt all mein Hab und Gut. Mir war das nur recht so.

      Mit energischen Schritten gingen wir auf die beiden offiziell aussehenden Herren zu. »Haben Sie sich schon Sorgen gemacht?« fragte mein Anwalt.

      Beide Männer starrten mich neugierig an. »Ein wenig«, antwortete der eine. Er arbeitete in der Einwanderungsabteilung des kanadischen Justizministeriums. Seinem herzlichen Tonfall konnte ich entnehmen, daß David Martin ihm bereits von früher her bekannt war. Sein Begleiter kam von den Flughafenbehörden. Wir wurden einander vorgestellt und wünschten höflich guten Tag. Mir tat es gut, wieder ich selbst zu sein.

      Vancouver International Airport – die Höhle des Löwen. Jetzt führte kein Weg zurück.

      Beim Sicherheitsdienst des Flughafens wurden wir von weiteren Beamten erwartet. Alle waren höflich und korrekt, was nicht nur an der Anwesenheit meines Anwalts lag. Kanadische Polizeiangehörige verhalten sich eben auf andere Weise reif und professionell als dänische, überlegte ich.

      Der Mann vom Justizministerium stellte mich meinem »Reisebegleiter« vor, einem Mann mittleren Alters, der der Homicide Division in Vancouver angehörte, der Mordkommission.

      Wir hatten abgemacht, daß sie mich fotografieren und meine Fingerabdrücke nehmen würden. Die dänische Polizei wollte ganz sichergehen können, daß ihnen da wirklich Jönke geliefert wurde. Und die kanadischen Behörden wollten sich vermutlich eine up to date-identification sichern, um festzustellen, ob ich mich während meines Aufenthaltes in ihrem Land daneben benommen hätte.

      In dem Raum, in dem Akten und Kameras aufbewahrt wurden, wimmelte es nur so von Polizei. Sie trugen Zivil und rochen schon aus der Ferne nach E-squad. Das war die spezielle Biker-Polizei, deren Aufgabe es war, die MC-Vereine in British Columbia zu überwachen, in Kanadas westlichster Provinz also.

      Es war noch eine Stunde bis zum Abflug, und der Anwalt und ich wurden in ein Wartezimmer geführt. Der Mann von der Einwanderungsbehörde legte mir ein langes Dokument vor, es begann mit »I, Jorn Nielsen« und war ansonsten ein ziemlicher Unsinn. Ich überflog die vielen Seiten und schob sie dann dem Anwalt hin. Er fand das überhaupt nicht komisch. Natürlich wollten die Behörden sichergehen, daß ich das Land freiwillig verließ, aber ich wollte deshalb doch keinen ganzen Roman unterschreiben. David Martin, der Mann von der Einwanderung und ein hochrangiger Offizier der R. C. M. P. – der Royal Canadian Mounted Police – verließen den Raum, um das Dokument zu kürzen.

      Übrig waren noch die beiden vom E-squad, der Vertreter der Flughafenbehörde und ich. Ich hatte Süßigkeiten in den Taschen und bot den Jungs ein Bonbon an. Bald lutschten wir alle um die Wette. Die drei saßen mir gegenüber, auf der anderen Seite einer niedrigen Schranke. Ansonsten herrschte Schweigen. Das hielt jedoch nicht lange vor, denn die Polizisten fingen an, unruhig hin und her zu rutschen. Ich konnte sehen, daß sie vor Neugier brannten. »Wir wissen ja, daß du nicht mit uns sprechen willst, aber kannst du uns nicht einfach kurz erzählen, wie lange du schon in Kanada bist?« fragte der eine versuchsweise.

      Ich lächelte, gab aber keine Antwort. Alle drei erwiderten mein Lächeln, und der Schnüffelpuffel machte einen weiteren Versuch. »Gefällt es dir in Kanada?« Wieder lächelte ich – ein wenig breiter als beim ersten Mal.

      Der kahle Schädel des Polizisten funkelte im Neonlicht. Er versuchte, seine Verärgerung zu verbergen, und fing an, in seiner Aktentasche herumzuwühlen. »Einer deiner Brüder aus Dänemark ist auch hier. Hast du den schon getroffen?«

      Verdammt, natürlich hatte ich meinen Bruder gesehen. Wir hatten uns während der letzten zwei Tage teuflisch gut amüsiert. Guter Versuch, Bullenschnulli.

      Der E-squad-Mann zog ein Papier hervor. »Hamster«, las er vor und ich hätte fast laut losgeprustet. Die Situation war aber auch wirklich komisch. Er schaute mich auffordernd an und machte einen letzten Versuch. »Ich kann ja verstehen, daß du nicht mit uns reden und uns nicht sagen willst, wo du gesteckt hast, aber wenn du eben bestätigen könntest, daß du noch immer Mitglied …«

      »He da. Wir haben abgemacht, daß ihr ihn nicht ausfragt!« David Martin betrat den Raum. Aus den zehn Seiten waren zwei geworden. Ich las sie durch und unterschrieb.

      Anwalt und Polizisten begleiteten uns bis zur Sicherheitskontrolle. Wir verabschiedeten uns und ich bedankte mich für alle Hilfe.

      Niemandem im Flugzeug fiel auf, daß ich hier mit einem Sheriff zusammensaß. Wir sahen aus wie alle anderen Fluggäste und nahmen unsere Plätze ungefähr in der Mitte ein. Ich war meinem Begleiter gegenüber natürlich auf der Hut – und das galt auch umgekehrt. Während des ersten Teils der Reise wechselten wir kaum ein Wort. Ich ließ mich im Sessel zurücksinken und überlegte mir, was die Zukunft bringen würde. Ich war in guter Stimmung und freute mich auf das Wiedersehen mit meinen Brüdern und meinem Land. Ich hatte endlich den großen Schritt gewagt.

      Wir setzten zur Landung in Calgary an. Der Polizist neben mir fragte, ob ich zu den Olympischen Spielen hiergewesen sei. Er bat sofort um Entschuldigung, als ihm aufging, daß er mich im Grunde nach meinem Aufenthaltsort gefragt hatte. Und deshalb erzählte er nun von Calgary, wo er geboren und aufgewachsen war.

      Weitere Fluggäste stiegen zu. Ich hielt Ausschau nach Dänen unter ihnen. Die Olympischen Spiele waren eben erst zu Ende gegangen, und einen Teilnehmer kannte ich aus alten Zeiten. Wir starteten wieder, und bald darauf wurde das Essen serviert. Es gab frisches Krebsfleisch, garniert mit Tomate und Ei, danach gebratene Kalbskoteletts und Schinken. Das Essen brachte uns ein wenig Entspannung, und ich muß sagen, daß mir der Mann gefiel. Offenbar war er mit Horrorgeschichten über die Hells Angels vollgestopft worden. Eigentlich hätten mich zwei Polizisten über den großen Teich bringen sollen, aber nachdem sie festgestellt hatten, daß ich weder Vampirzähne noch Drachenklauen besaß, war einer eingespart worden.

      Flughafen Schiphol, Amsterdam. Zusammen mit drei oder vier niederländischen Polizisten warteten auch zwei Angehörige der