der Geschichte der Liga erzielte.
Lew Jaschin beim Militär, 1948.
Zunächst denkt Jaschin (Mitte) an eine Karriere als Eishockeyspieler.
Tschernischow amtiert von 1948 bis 1975 als Cheftrainer von Dynamos Eishockey-Team. Zugleich ist er für die Fußballjunioren des Klubs verantwortlich. Der Journalist Igor Iwanow: „In den damaligen Nachkriegsjahren sah Tschernischow seine Aufgabe darin, körperlich gut entwickelte und begabte Burschen systematisch für Fußball und Eishockey zu interessieren. Er schaute bei zahlreichen Spielen von Schülerund später auch Soldatenmannschaften zu.“ Tschernischows Zöglinge sollten möglichst viele Sportarten beherrschen. Jaschin spielte außer Fußball und Eishockey auch noch Basketball und Handball.
Jaschin erzählt später über die enge Beziehung von Fußball und Eishockey in der UdSSR: „Tschernischow verlangte von jedem Fußballer, dass er auch Eishockey spielen konnte. Das hatte mehrere Gründe. 1951 hatten wir noch keine so schönen Hallen in Moskau wie jetzt, da man zu jeder Zeit Fußball spielen kann. Die Winter aber mussten auch damals genutzt werden, also spielten wir Fußballer Eishockey. Tschernischow vertrat den Standpunkt, dass dieses Spiel die Reaktionsschnelligkeit fördert, den Blick für Kombinationsmöglichkeiten schult und zur Härte erzieht.“
Über die Grenzen des Torraums hinaus
Tschernischow beobachtet Jaschin im Tor von „Flügel der Sowjets“, als es diese im Park am Chimki-Hafen mit einem anderen Armeeteam aufnehmen. Mit dabei ist Dynamo-Torwart Alexander Khomich. Auch Khomich ist von Jaschin angetan. Tschernischow lädt den 20-Jährigen zum Dynamo-Training ein. Später erzählt er darüber: „Der junge Jaschin war mir aufgefallen, weil er meiner Vorstellung von einem Torwart entsprach: groß, schlank, gute Körperbeherrschung. Mir imponierte sein Trainingseifer und die Art, wie er das Spiel auffasste – schöpferisch mitdenkend. Außerdem spielte er Eishockey – als Stürmer. Das war sehr wichtig. Denn im Angriff lernt ein junger Sportler die Taktik besser zu begreifen. Es kam der Zeitpunkt, da ich ihm vorschlug: ‚Ljowa, wenn du willst, nehme ich dich in die Juniorenauswahl.‘ Er machte zwar technisch noch viele Fehler, aber es freute mich, dass er meinen Ratschlägen aufmerksam zuhörte und sie befolgte.“ Tschernischow ermuntert Jaschin, das Torwartspiel aktiver zu interpretieren: „Ich sagte, ‚Ljowa, du spielst im Eishockey Stürmer und bist im taktischen Kombinieren gut. Versuch doch mal, nicht im Tor stehen zu bleiben, sondern über die engen Grenzen des Torraums hinauszutreten.‘ Er probierte es und hatte Erfolg.“
Der Slapstick-Keeper
1949 – nach Beendigung des Militärdienstes – wird Jaschin offiziell Dynamo-Fußballer. Hier muss er zunächst einmal eine harte Ausbildung durchlaufen. Vor allem bemüht man sich, dem „etwas steifen, langen Lulatsch“ (Iwanow) Beweglichkeit beizubringen. Jaschin misst 1,89 Meter und ist 82 Kilo schwer.
Die Ausbildung ist brutal. Iwanow: „Die Konsequenz und Zielstrebigkeit sowjetischer Trainer ist bekannt. Tag für Tag bis zu sechs Stunden Gymnastik, schwimmen, ins Wasser springen (als Mutprobe), auf der Aschenbahn laufen, springen, werfen, stoßen, im Turnsaal Gewichte stemmen, boxen, ringen, Basketball und Volleyball spielen, im Winter dann Schlittschuh laufen und skilaufen – so groß und umfangreich ist das Kapital, das sich ein Sportler für sein ganzes Leben erarbeiten muss, um später damit richtig zu wirtschaften!“ Für Jaschin kommt noch das Torwarttraining hinzu.
Im Herbst 1949 treffen im Halbfinale des Moskauer Pokals Dynamos Senioren und Dynamos Nachwuchs aufeinander. Mit Jaschin im Tor schlägt der Nachwuchs die Senioren, bei denen Khomich zwischen den Pfosten steht, sensationell mit 1:0. Wenige Monate später wird Jaschin in den Kader der ersten Mannschaft hochgezogen.
Seinen Start bei den Dynamo-Senioren als holperig zu bezeichnen, wäre nett formuliert. Zutreffender wäre es, von einer Katastrophe zu sprechen. 1950 hat Jaschin seinen ersten Einsatz in der B-Elf von Dynamo. Die Mannschaft befindet sich im Trainingslager in Gagry. In einem Testspiel gegen Traktor Stalingrad (heute Rotor Wolgograd) verursacht Jaschin ein Gegentor. Und was für eines. Der gegnerische Torwart schlägt den Ball ab, bis weit in die gegnerische Hälfte hinein. Der mitspielende Torwart Jaschin will vor den gegnerischen Angreifern am Ball sein, prallt aber bei seinem Ausflug mit seinem Mitspieler Jewgeni Awerianow zusammen. Beide gehen zu Boden, und der Ball trudelt ins Tor. Jaschin hatte sich nur auf den Ball konzentriert und dabei nicht registriert, dass Awerianow herangerauscht kam, um per Kopf zu klären.
Jaschin schildert später die fatale Situation so: „Zum ersten Mal bin ich damals mit der Mannschaft ins Trainingslager gefahren. Und dort war dieses unglückliche Spiel. Es war ein interessantes Spiel, gerade für mich. Es war mein erstes Spiel für die Dynamo-Mannschaft. (…) Es kam zu einer solchen Situation, dass der Torwart der gegnerischen Mannschaft direkt mir ins Tor schoss. Das war zum Lachen, aber auch bitter, bis zu Tränen. Er fing den Ball ab, trat an den Strafraum und gab einen so starken Schuss ab, dass ich loslief, mit einem Verteidiger zusammenstieß, wir fielen hin, und der Ball rollte ins Tor. Nun, die dort saßen, waren unsere Kameraden – Khomich, Karzew, Beskow, Solowjow –, sie fielen direkt von der Bank und brachen in ein lustiges Gelächter aus. Sie haben zum ersten Mal gesehen, dass ein Torwart dem anderen ein Tor reinschießt. (…) Ich hörte sie fragen, wo um alles in der Welt man diesen Torwart aufgetrieben hätte.“
„Meine Beine zitterten wie Laub“
Am 2. Juli 1950 muss sich Jaschin erstmals in der A-Elf bewähren. Dynamo spielt gegen Spartak. Auch Jaschins A-Elf-Debüt verläuft unglücklich. Eine Viertelstunde vor Schluss kommt er für Khomich aufs Feld, der sich die Schulter ausgerenkt hat. Eigentlich wäre jetzt Dynamos zweiter Torwart Walter Sanaja an der Reihe gewesen, doch dieser ist erkrankt. (Im sowjetischen Fußball durfte bereits damals ein verletzter Spieler ausgewechselt werden – allerdings nur, wenn es sich bei ihm um den Torwart handelte.) Jaschin: „Ich stand hinter dem Tor als Reservetorwart. Und da ruft mir der Trainer zu: ‚Was stehst du da rum, los, geh aufs Feld.‘ Wie sollte ich aufs Feld gehen? 50.000 Zuschauer, damals kamen noch die Menschen zum Fußball. Man liebte ihn. Ich gehe hin, aber ich kann nicht auf einem Fleck stehen. Meine Beine zittern wie Laub. Was sollte ich tun? Stehen konnte ich nicht. Ich begann im Strafraum hin- und herzugehen. Ich sehe, dass ein Ball angeflogen kommt. Ich müsste ihn nehmen, fangen. Ich lief hin, und da wuchs plötzlich Parschin empor, keiner weiß, woher er kam. Er schoss mit dem Kopf über mich hinweg, und der Spielstand war 1:1. Als wir nach dem Spiel in die Umkleidekabine kamen, erschien einer aus der Leitung und sagt: ‚Woher haben Sie einen solchen Torwart genommen? Der muss hier verschwinden, und für die A-Mannschaft ist er nicht mehr zu nominieren.‘“
Jonathan Wilson beschreibt dieses Tor etwas anders: Jaschin sei nach einer Flanke von Alexander Paramonow erneut mit einem eigenen Abwehrspieler zusammengestoßen – dieses Mal mit Wsewolod Blinkow. Dabei habe er Nikolai Parschin den Ball so vorgelegt, dass dieser nur noch abzustauben brauchte.
Ab in die Reserve
Gegen Dynamo Tiflis spielt Jaschin dann erstmals über die volle Distanz im Tor der A-Elf. Das Spiel endet 5:4 – nach einer 4:1-Führung Dynamos. Khomich: „Bei seiner zweiten Prüfung, im Treffen mit Dynamo Tiflis, versagte er absolut. Wir führten 4:1. Durch Lews fahrlässige Spielweise – er verschuldete zudem einen Elfmeter – konnte der Gegner noch drei Tore erzielen. Das Fazit: Lew wurde für zwei Jahre in die Reservemannschaft verbannt. Ich weiß heute, dass er sich in diesen Jahren das Rüstzeug für seine erfolgreiche Laufbahn holte. In dieser Situation, in der andere aufgegeben hätten, begann Lew noch verbissener an sich zu arbeiten, machte sich die Erfahrungen anderer Torleute zu eigen und fügte bereits Neues, Eigenes hinzu. So schaffte er dann, als er in die Oberliga-Elf zurückkehrte, innerhalb von zwei Jahren den Sprung zum Klassetorwart.“
Jaschin über seine vorübergehende Degradierung: „Hätte ich in dieser Phase meinen Abschied angekündigt, glaube ich kaum, dass sie [die Dynamo-Verantwortlichen, Anm. d.A.] viel Zeit