die niedrigsten Einkaufspreise bekämen. Darauf ließ sich Minolta in einer schriftlichen Abmachung zähneknirschend ein. Wie wenig dieses Papier wert war, musste insbesondere Martin feststellen, der auf seinen Akquisitionstouren immer wieder neue Targets ausfindig machte und beim Blick in deren Geschäftsunterlagen feststellen musste, dass Minolta wieder einmal eine als Top Secret eingestufte Kick-Back-Vereinbarung22 mit dem Händler getroffen hatte. Mit jeder Firma, die wir erwarben und die Minolta als Lieferanten hatte, hasste uns Minolta mehr und diese Abneigung war durchaus gegenseitig.
So fiel bei uns irgendwann der Entschluss, das Branchenkonzept Büromaschinenhandel nicht mehr fortzusetzen. Die von uns erreichten Größeneffekte ließen sich nicht erweitern. Im Gegenteil, wir waren inzwischen so groß geworden, dass Minolta ein virulentes Interesse daran hatte, dass wir keine weiteren Firmen kauften. Mit unseren Erwerbungen in Lemgo und Erfurt – diese noch für einen symbolischen Kaufpreis – hatte es sich inzwischen im Markt herumgesprochen, dass wir als Akquisiteure dabei waren, ein minoltabasiertes Branchenkonzept aufzustellen. Die Verkäufer wussten jetzt, dass wir, um weiter zu wachsen, auf diese Zukäufe angewiesen waren. So wurden auf einmal substantielle Kaufpreise aufgerufen. Da dies nicht in unserem Interesse lag, beschlossen wir, nachdem wir bereits die A + L Bürocenter mit einem Gewinn von DM 1 Mio. verkauft hatten, uns auch von allen anderen Kopier-Beteiligungen zu trennen.
Da kamen uns die beiden brw-Mitarbeiter, Herr Gerold23 und Herr Lüdenscheid24, gerade recht. Der eine war inzwischen in die Geschäftsführung der brw aufgestiegen und zuständig für Finanzen und Buchführung. Der andere war als Leiter des Vertriebs zuständig für die Expansion. Beide erklärten uns, sie wollten die inzwischen hochprofitable Firma samt allen Niederlassungen von uns erwerben. Beide waren aus familiären Gründen vermögend, sodass wir uns relativ schnell auf einen Kaufpreis von DM 4 Mio. einigen konnten, ein Kaufpreis, der im Hinblick auf die Akquisitionskosten von DM 1, den uns bereits bezahlten Geschäftsführergehältern von jeweils ca. DM 200 000 und einer ausgeschütteten Dividende von DM 2,5 Mio. einen passablen ROI25 darstellte. Nach nur 22 Monaten Geschäftsführertätigkeit hatten wir im August des Jahres 1995 jedenfalls weitere DM 6,5 Mio. erwirtschaftet, die wir in unsere Kriegskasse einlegen konnten. Damit sollte das Kapitel Büromaschinenhandel für uns abgeschlossen sein, fast jedenfalls.
22Unter einer Kick-Back-Vereinbarung versteht man eine Vereinbarung, nach der von einem vereinbarten (Listen-) Preis heimlich Teile wieder zurückgezahlt werden.
23Namen geändert.
24Namen geändert.
25ROI = return on investment; eine betriebswirtschaftliche Kennzahl zur Bestimmung der Rendite einer unternehmerischen Tätigkeit, gemessen am Gewinn im Verhältnis zum eingesetzten Kapital, auch Kapitalrendite genannt.
Das 4. Abenteuer Betrug in Heidenheim
Ich hatte unsere Büromaschinenaktivitäten bereits gedanklich hinter mir gelassen, als Martin Mitte Juli 1995 doch noch mit einer weiteren Akquisitionsmöglichkeit um die Ecke kam. In Heidenheim gebe es einen Büromaschinenhändler mit DM 8 Mio. Umsatz, der ebenfalls einen beträchtlichen Bestand an Leasinggeräten habe, auch schlecht gemanagt sei und daher Verluste mache. Den Kaufpreis habe er bereits verhandelt. Es würde sich mal wieder um einen symbolischen Preis von DM 1 handeln. Signing und Closing solle am gleichen Tag erfolgen. Ich bräuchte nur noch genauso wie er dorthin zu fahren, den Vertrag zu unterzeichnen und schon würde uns diese Firma gehören. So stiegen wir in unsere schicken Autos und fuhren diesmal in die Gegend am Rande der Schwäbischen Alb nach Heidenheim. Dort trafen wir wieder einmal zwei Eigentümer, die als Geschäftsführer die Gesellschaft selbst geleitet hatten und nun aus allerlei Gründen, die mir alle nicht so recht einleuchteten, ihre Firma verkaufen bzw. besser gesagt loswerden wollten. Aber für DM 1 kann man nicht viel falsch machen, dachte ich jedenfalls, und so unterzeichneten wir den Kaufvertrag an einem Freitag. Das Wochenende nutzten wir in bekannter Manier zusammen mit unserem Freund Stiwo Wirstle und forsteten sämtliche Unterlagen und Bücher durch. Bereits nach kurzer Zeit mussten wir einmal mehr feststellen, dass ein Großteil der in den Bilanzen aufgeführten Geräte überhaupt nicht im Bestand zu finden waren, sondern dass vielmehr zahlreiche Maschinen einfach mehrfach gebucht worden waren. FlowTex ließ grüßen.26
Es war, als ob ein Fluch auf dieser Branche lastete. Diese Eigentümergeschäftsführer schienen recht wenig von Recht und Gesetz und schon gar nichts von einer korrekten Buchführung zu halten. Jedenfalls war für uns klar, die Gesellschaft war unter Berücksichtigung der wahren Verhältnisse bereits jetzt überschuldet und für die Geschäftsführer bestand Konkursantragspflicht. Zu retten war sie nicht. Die Verkäufer waren ob ihres großen Verkaufserfolges über das Wochenende schon in Feierlaune. Keiner war jedenfalls mehr telefonisch erreichbar. So ließen wir ihrem Anwalt am Montag mitteilen, wenn sie die Firma nicht innerhalb der nächsten 24 Stunden komplett zurücknähmen, würden wir einen Konkursantrag stellen und ein strafrechtliches Verfahren wegen Untreue, Konkursverschleppung und Betrugs einleiten. Wir verwiesen auf den nicht unerheblichen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe27. Diese doch sehr sachlich gehaltenen Informationen verfehlten ihre Wirkung nicht. Bereits am nächsten Tag trafen wir ihren Anwalt beim Notar, der unter Übernahme sämtlicher Kosten die Firma für die beiden Herren wieder zurückerwarb. »Es habe wohl ein paar Missverständnisse gegeben.«
Damit war unser Ausflug in das Reich der Büromaschinenhändler nun wirklich ein für alle Mal beendet. Mit ausreichend Geld in unserer Kriegskasse wollten wir uns nun nach anderen Objekten umsehen. Es war immer noch Sommer 1995.
26Die FlowTex Technologie GmbH & Co. KG war ein Unternehmen, das von 1994 bis 1999 in betrügerischer Weise mit nicht vorhandenen Horizontalbohrmaschinen handelte und vor allem durch Mehrfachbuchungen einen Schaden in Höhe von DM 4,2 Mrd. verursachte.
27s. z. B. §263 Abs. 1 StGB.
Das 5. Abenteuer Das erste Sabbatjahr 28
Doch zuvor beschloss ich ein sogenanntes Sabbatjahr einzulegen. Ein bisschen Abwechslung sollte mir guttun und wer hat schon etwas gegen einen längeren Urlaub? Es war meine erste derartige Auszeit, sollte aber nicht meine letzte bleiben. In der Zukunft würde ich immer wieder ein solches mehr oder weniger langes Sabbatjahr einlegen.
Wenn Abschnitte meines wirtschaftlichen Lebens abgeschlossen waren, große Veränderungen anstanden oder eine entscheidende Weichenstellung für die Zukunft geplant werden musste, war der Einschub eines Sabbatjahres ein sehr probates Mittel. Es ist eben eine typische Eigenschaft des Menschen, dass er im Vertrauten unbedingt verharren will und jegliche Abweichung erst einmal ablehnt. Jeder Wechsel wäre mit einer Veränderung der lieb gewonnen Gewohnheiten, der Denkschemata und des Umfeldes verbunden, drei Dinge, die dem Menschen eine vermeintliche Sicherheit vorgaukeln. So verharren die meisten bis zu ihrem Lebensende oder bis zum Ende ihrer beruflichen Laufbahn in denselben Tätigkeiten und Abläufen, machen immer das Gleiche und wollen es um keinen Preis aufgeben.
Da ich jedoch nicht so enden wollte, brachten mir diese Auszeiten nicht nur viele neue Erlebnisse und damit auch viel Spaß, sondern sie boten mir die Gelegenheit, über das Vergangene nachzudenken, es zu analysieren, gemachte Fehler festzustellen und konzeptionelle Schwächen aufzudecken. Indem ich in einem Reflexionsprozess alles in Frage stellte, vermochte ich aus diesen Versatzstücken etwas Neues zu schaffen. Ich habe später, nach den positiven Erfahrungen meines ersten Sabbaticals, ungefähr alle fünf Jahre ein solches Sabbatjahr eingelegt, auch wenn es nicht immer ein ganzes Jahr dauern sollte. Irgendwann hatte ich erkannt, dass mir der Wandel immer dann besonders gut