Stefan Burban

Die Templer im Schatten 2: Blutregen


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seiner Rechten in den Nacken. Als dieser zu Boden stürzte, hing dessen Kopf nur noch an einem dünnen Hautfaden am Rumpf.

      Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung. Sein Schwert kam gerade noch rechtzeitig hoch, um einen tödlichen Hieb auf seinen eigenen Kopf abzuwehren. Der Vampirritter holte zu einem wuchtigen Tritt aus, der Christian durch den halben Raum schleuderte. Er prallte schmerzhaft gegen die Wand, was ihm fast die ganze Luft aus den Lungen trieb.

      Er bemühte sich hochzukommen. Sein Kontrahent bewegte sich allerdings selbst mit einem für einen Vampir ungewohnt hohen Maß an Geschwindigkeit und Eleganz. Christian sah die Klinge auf sein Gesicht niederfahren. Er erkannte im selben Moment, dass er nichts tun konnte, um das zu verhindern.

      Plötzlich tauchte eine Gestalt direkt vor ihm auf und fing den Schlag mit dem eigenen Körper ab. Christian sah auf. Es handelte sich um den Templer, der beinahe von der toten Frau getrunken hatte. Ihre Blicke begegneten sich. Was Christian dabei am meisten verstörte, war der gelöste Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes. Er hatte sich bewusst zu dieser Tat entschlossen, wohl wissend, was das für ihn bedeuten würde.

      Die Lippen des Templers verzogen sich zu einem schmalen Lächeln – nur eine Sekunde bevor dessen Körper zerfiel. Christian ergriff seine Klinge und sprang mit einem Wutschrei auf den Lippen auf.

      Mit weit ausholenden, wütenden Schlägen trieb er seinen Gegner zurück. Ihm war wohl bewusst, dass sein Kontrahent der bessere Kämpfer war. Vermutlich war er älter, erfahrener, aber vor allem war er technisch besser. Doch ein Gegner, der seine ganze Wut, seine ganze Kraft in den Angriff legte, konnte auch durch einen besser ausgebildeten Krieger nicht überwunden werden.

      Christian trieb den dunkel gekleideten Ritter immer weiter zurück. Wie aus weiter Ferne registrierte er dessen Pupillen, die mit jeder Sekunde, die verging, immer größer wurden. Der Mann stank nach Verzweiflung. Er schwitzte sie aus jeder Pore aus. Und mit einem letzten Hieb schlug er seinen Gegner von den Füßen und dieser prallte schwer auf den Rücken. Die Holzdielen knirschten unter dessen Gewicht.

      Vampire waren nicht leicht aus der Puste zu bringen. Nach diesem Schlagabtausch atmete Christian allerdings nur noch stoßweise. Er hob das Schwert und seine Klinge deutete auf die Kehle seines Gegners.

      »Wer seid Ihr?«, verlangte er zu wissen.

      Sein am Boden liegender Kontrahent jedoch lächelte lediglich völlig ruhig. »Die Zukunft«, antwortete er. Der Vampirritter hob einen Arm und entblößte ein linkes Handgelenk. Dort prangte ein seltsames Zeichen. Es ähnelte Vampirrunen, schien aber wesentlich älter zu sein. Die Tätowierung erinnerte an den Buchstaben B in schnörkeliger Schreibweise.

      Christian runzelte die Stirn – und stieß seine Klinge in die Kehle des Mannes. Dieser gurgelte kurz, bevor sein Körper sich auflöste und die edle Rüstung leer zurückließ.

      Christian sah sich um. Der Kampf war vorbei. Die Söldner waren geschlagen, doch auch seine Templer hatten hohe Verluste erlitten. Sogar ungewöhnlich hohe Verluste, wenn man bedachte, dass sie gegen Menschen gekämpft hatten.

      Sein Blick zuckte zur Treppe, aber die Dame, die der Ritter begleitet hatte, war verschwunden.

      Die Tür flog auf und Männer in einfacher Kleidung, aber mit Bögen und Schwertern bewaffnet stürmten die Taverne. Die Hälfte von ihnen hatte einen Pfeil auf die Sehne gelegt. Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass keine Gefahr mehr drohte, machten sie einem hochgewachsenen jungen Mann respektvoll Platz.

      Der Wirt wagte sich endlich aus der Küche. Beim Anblick des Anführers der Waldläufer brach er beinahe in Tränen aus. »Das ist Robin Hood. Robin Hood ist gekommen, um uns alle zu retten.«

      Christian entspannte sich etwas beim Anblick seines alten Freundes. Er bedeutete den Templern, das Schwert wegzustecken, und bedachte den Mann, der da vor ihm stand, mit einem amüsierten Blick. »Robin Hood?«, meinte er verschmitzt.

      Der Anführer der Waldläufer trat in die Mitte des Raumes. Den Bogen hielt er dabei locker in der Hand. Aus Erfahrung wusste Christian, dass dieser Mann meisterhaft damit umzugehen verstand.

      Robin von Locksley seufzte. »Das zu erklären, dürfte nicht ganz einfach werden, alter Freund.«

      Kapitel 6

      Die Waldläufer nahmen die Templer im Schatten in ihre Mitte, als sie diese in die Dunkelheit des Sherwood Forest eskortierten. Jeder der Vampire war in dicke Gewänder zum Schutz der immer noch am Himmel stehenden Sonne geschützt.

      Robin und er setzten sich etwas von den anderen ab. Christian begrüßte die damit einhergehende Privatsphäre, gab es ihm doch Gelegenheit, sich etwas mit seinem alten Freund zu unterhalten.

      Schon bald umfing die Dunkelheit sie wie ein schützender Mantel. Je tiefer sie in den Sherwood Forest eindrangen, desto dichter standen die Bäume. Der Anführer der Templer im Schatten legte vor Erleichterung seufzend sein Gewand ab und stopfte es zusammengeknüllt in den Beutel auf seinem Rücken. Christian kam nicht umhin zu bemerken, dass die Wälder ringsum beinahe wie eine Festung wirkten. Wer sich im Inneren aufhielt, genoss einen gewissen Schutz. Wer aber von außen eindringen wollte, musste mit erheblichen Hindernissen rechnen. Vor allem der Einsatz berittener Streitkräfte würde sich extrem schwierig gestalten.

      Christians Vampirsicht setzte ein. Mit einiger Verwunderung bemerkte er, dass Robin sich weiterhin leichtfüßig über das Gelände bewegte.

      Christian lächelte leicht. »Wie lange lebst du schon hier?« Er deutete mit einer Hand ringsum.

      Robin schnaubte. »Ein paar Monate.« Der Bogenschütze schüttelte leicht den Kopf. »Ich dachte, im Heiligen Land hätte ich alles gesehen. Alles erlebt. Und dann komme ich zurück und stelle fest, dass der Feind bereits unerkannt meine Heimat erobert hat.«

      Christian runzelte die Stirn. »Erobert? Ist das nicht vielleicht ein zu starkes Wort?«

      »Es gibt kein Wort, das zu stark ist, um unsere Situation zu beschreiben«, fuhr Robin fort. »Prinz John ist ein Vampir. Da bin ich mir sicher. Der Sheriff von Nottingham ebenfalls. Sie haben eine Schar blutgieriger Irrer um sich geschart und terrorisieren das Land. Dörfer, die sich ihnen widersetzen oder keinen Tribut entrichten, werden niedergebrannt. Männer werden erschlagen, Frauen vergewaltigt, Kinder zur Arbeit gezwungen.« Bitterkeit schlich sich in Robins Stimme. »Das ist nicht mehr das England, das ich kenne.«

      Der Bogenschütze blieb unvermittelt stehen und zwang dadurch auch Christian, sich ihm zuzuwenden. »Wie konnte das geschehen? Ich dachte, mit DiSalvatinos Tod wäre die Sache ein für alle Mal beendet.«

      Christian machte eine verkniffene Miene. »Die Dinge sind selten so einfach.« Er leckte sich leicht über die Lippen. »Nach allem, was man hört, geht Salah ad-Din mit äußerster Entschlossenheit gegen Vampirnester vor, wo immer er sie findet. Gut möglich, dass er einige von ihnen zurück nach Europa getrieben hat.«

      Robin schnalzte mit der Zunge und setzte sich wieder in Bewegung. Christian folgte mit kurzer Verzögerung. »Ich weiß nicht recht. Diese Antwort fühlt sich irgendwie nicht richtig an.«

      »Du hast eine andere Erklärung?«, hakte Christian nach.

      »Ich glaube, die Vampire sind schon lange hier. Schon verdammt lange. Ich vermute, sie haben sich im Verborgenen gehalten, und als König Richard mit dem Gros der wehrfähigen Männer zu seinem Abenteuer loszog, haben sie zugeschlagen.« Robin spie aus. »Der Narr hätte zu Hause bleiben und seinen Thron verteidigen sollen.«

      Christian dachte angestrengt über die Worte seines Freundes nach. »Du denkst, einige könnten sich die ganze Zeit hier versteckt gehalten haben?«

      Robin nickte. »Im Verborgenen. Wartend. Ihre Chancen abwägend.«

      »Zu welchem Zweck?«

      Robin machte den Anschein, etwas sagen zu wollen, klappte dann aber die Kiefer lautstark zusammen und zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber was die Vampire hier aus dem Boden gestampft haben, das erreicht man nicht mal eben in ein paar Jahren.«

      »Du