Stefan Burban

Die Templer im Schatten 2: Blutregen


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Vampire auf der eigenen Seite zu wissen.

      Kurzzeitig hatte es noch böses Blut gegeben, als sich die Templer im Schatten – allen voran Christian – geweigert hatten, sich dem Dritten Kreuzzug anzuschließen. Christian war felsenfest überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war. Er hatte diesen Orden nicht gegründet, um Menschen abzuschlachten, und auch nicht, um ihn von Menschen ausnutzen zu lassen. Vampire, die sich von Menschen ernährten, wurden von ihnen schlicht Menschenfresser genannt. Und bei jenen handelte es sich um den wahren Feind. Diese Meinung vertrat er und diese würde er auch nicht ändern.

      Mit betont freundlichem Lächeln trat er seinem Gast entgegen und reichte diesem die Hand. Der Gardist nahm sie nach kurzem Zögern entgegen. »Giovanni Maldonaldo«, stellte sich der Offizier vor, »Leutnant in der Leibwache Seiner Heiligkeit.«

      Christian neigte respektvoll das Haupt. »Ihr habt eine Botschaft vom Heiligen Vater für mich?«

      Der Gardist nickte, griff unter sein Wams und zog einen versiegelten Brief hervor. Christian nahm ihn entgegen, brach das Siegel und begann zu lesen. Nachdem er den Brief ein zweites Mal gelesen hatte, nahm er ihn sich ein drittes Mal vor in der Hoffnung, etwas übersehen zu haben, das die Lage etwas weniger trostlos erscheinen ließ.

      Christian setzte den Brief ab, leckte sich über die Lippen und entblößte dabei unabsichtlich seine Reißzähne. Er bemerkte, wie der Bote unwillkürlich erstarrte. Seine rechte Hand zuckte, als wolle er nach dem Schwert an seiner Seite greifen. Der Mann wollte die Reaktion verbergen. Es gelang ihm allerdings nicht wirklich. Christian kannte und akzeptierte derlei Verhalten auf den Anblick seiner Zähne. Die Menschen konnten nichts dafür. Im Gegenteil, er verstand sie sogar. Vampire waren Wesen der Nacht, entstanden durch einen Vorgang, den man nur als Vergewaltigung bezeichnen konnte. Natürlich wurden sie gefürchtet, ganz gleich, auf wessen Seite sie kämpften.

      Christian bemühte sich um ein freundliches Lächeln. Das Einzige, was er erreichte, war, dass der Bote noch besorgter schien als noch Sekunden zu vor.

      »Einen Augenblick. Ich muss mich mit meinen Hauptleuten beraten.«

      Der Gardist des Papstes sah sich beunruhigt in dem Unterschlupf um. Viele der Templer im Schatten hatten inzwischen mit dem Abendessen begonnen. Nagetiere wie Ratten und Hamster sowie kleine Wirbeltiere wie Füchse quiekten angsterfüllt, bevor ihr Gewimmer durch einen kräftigen Biss gnädigerweise endete. Die Miene des Boten verlor jede Farbe und er wirkte, als müsse er sich jeden Augenblick übergeben. Er straffte jedoch seine Gestalt und nickte tapfer. Christian hatte von einem Mann, der mit dem Schutz des Heiligen Vaters betraut war, nichts anderes erwartet. Am liebsten hätte er dem Leibgardisten eine Erfrischung angeboten. Das Problem war nur, sie hatten nichts da, was dem Mann schmecken würde.

      Er nickte dem Boten zu und schlenderte mit wenigen gelassenen Schritten in den Raum hinein. Er wollte seine Leute nicht beunruhigen, indem er sie unbewusst wissen ließ, dass etwas nicht stimmte. »Karl? Hendrick? Auf ein Wort bitte.«

      Die beiden Templer lösten sich von ihren Männern und gesellten sich zu ihrem Anführer. Christian gab seinen beiden Vertrauten den Brief zu lesen und beobachtete deren Miene genau. Im Wesentlichen spielten sich dort dieselben Gefühlsregungen ab wie auch bei ihm zuvor. Der Brief stammte von ihrem alten Waffenbruder Robin von Locksley. Er berichtete dort im Prinzip von seiner Heimkehr und von den Zuständen, die er im Schloss seiner Familie vorgefunden hatte. Und er bat um Hilfe, weil nicht auszumachen war, inwieweit die ganze Region von Vampiren verseucht wurde. Eine Bitte, die man dringend ernst nehmen musste. Robin war kein Mann, der leichtfertig um Unterstützung ersuchte.

      Seine beiden Hauptleute sahen auf und wechselten einen betretenen Blick, bevor sie sich Christian zuwandten. Dieser sah von einem zum anderen. »Und?«, forderte er seine Freunde zum Reden auf.

      »Das ist eine schlimme Sache«, meinte Karl. »England ist eines der mächtigsten europäischen Königreiche. Sollte es an die Vampire gefallen sein, sind wir alle in großen Schwierigkeiten. Die Vampire könnten die Inseln zu einer Festung ausbauen, an die wir dank des Meeres nur schwer rankommen. Von dort aus könnten sie Europa überrennen.«

      Hendrick schüttelte den Kopf. »Wir sollten nicht gleich alles so schwarzmalen. In dem Brief steht nichts davon, dass England von Vampiren beherrscht wird. Es ist nur von Locksley Castle die Rede.«

      Christian schürzte die Lippen. »Aber das sagt schon eine Menge aus. Wenn die Vampire bereits dieses mächtige Adelshaus kontrollieren, dann ist das sicher nicht das einzige. Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Seuche bereits ausbreitet.«

      »Es könnte auch eine Erklärung dafür sein, warum in Frankreich, Flandern und den deutschen Landen Vampirnester aus dem Boden schießen. Schneller, als wir sie zerstören können.« Karls Miene blieb während seiner Ausführungen überaus ernst.

      Christian hob eine Augenbraue. »Du meinst, sie kommen nicht aus dem Heiligen Land, sondern aus England?«

      Karl nickte. »Das ist eine Möglichkeit, die wir ins Auge fassen müssen.«

      »In der Tat«, stimmte Christian zu.

      Hendrick musterte ihn eindringlich. »Du spielst wirklich mit dem Gedanken, nach England überzusetzen?«

      Christians Augen funkelten. »Warum auch nicht? Robin ist unser Freund und bittet um Hilfe. Allein deshalb sollten wir schon gehen. Aber auch ohne diese Freundschaft wäre eine Vampirseuche in England ein Grund zu größter Sorge.«

      »Wenn wir dort tätig werden, könnte das einen Krieg auslösen«, gab Hendrick zu bedenken. »Bist du dir dessen bewusst?«

      »Was wäre die Alternative? Wenn wir untätig bleiben und die Vampire dort schalten und walten lassen, wie es ihnen beliebt, dann gehen wir einem Krieg nicht aus dem Weg. Wir schieben ihn lediglich auf die lange Bank. Und wenn die Vampire aus England ausbrechen, dann vermutlich in so großer Zahl, dass auch wir ihnen nahezu hilflos ausgeliefert wären.« Christian schüttelte vehement den Kopf. »Nein, ich sehe keine Alternative.« Er seufzte. »Wie viele Ritter können wir aufbieten?«

      Karl und Hendrick wechselten einen unschlüssigen Blick. Es war schließlich Karl, der antwortete. »In Paris? Etwa siebzig.«

      Christian runzelte die Stirn. »So wenige?«

      Hendrick zuckte die Achseln. »Wir hatten Verluste. Schwere Verluste. Und im Gegensatz zu den Vampiren, die wir bekämpfen, können wir unsere Reihen nicht so schnell wieder auffüllen. Wir verwandeln Rekruten für unsere Sache nur, wenn sie sich freiwillig dazu entscheiden. Und viele von ihnen sind keine geübten Kämpfer. Wir müssen sie erst ausbilden. Diese ganzen Vampirnester haben dieses Problem nicht. Sie verwandeln all jene, die ihnen gefallen, und der Rest ist bloße Nahrung für diese Bastarde.«

      Christian rümpfte die Nase. »Schon verstanden. Wir haben also ein Nachschubproblem.«

      »Sogar ein großes«, stimmten Karl und Hendrick gleichzeitig zu.

      Hendrick machte ein nachdenkliches Gesicht und strich sich über den sorgfältig gestutzten Kinnbart. »Wenn ich heute Nacht noch Nachrichten aussende, dann könnte ich innerhalb von einem Monat um die dreihundert unserer Brüder hier in Paris versammeln. Mit etwas Glück vielleicht mehr. Unsere Häuser auf dem Festland könnten uns jeden entbehrlichen Mann schicken.«

      »So viel Zeit haben wir nicht«, entgegnete Christian frustriert. Er brauchte nicht lange zu überlegen. Mit tief über der Nasenwurzel zusammengezogenen Augenbrauen wandte er sich an Karl. »Du brichst noch heute Nacht nach Calais auf. Dort suchst du uns ein gutes Schiff. Ich wähle fünfzig unserer besten Ritter aus und folge dir bei Anbruch der nächsten Nacht. Ich will in spätestens drei Tagen in See stechen.« Christian drehte sich zu Hendrick um. »Und du schickst deine Botschaften los, und zwar augenblicklich. Fordere jeden Mann an, den unsere anderen Kapitel uns schicken können. Sobald du genügend hast, folgst du uns über den Kanal.«

      Hendrick nickte. »Aber ist das klug, unsere Kräfte zu teilen?«

      »Ich sehe nicht, welche anderen Möglichkeiten wir haben.« Christian wechselte mit seinen beiden Freunden einen letzten Blick. »Ihr habt eure Befehle. Geht jetzt.«