herabgesetzt, ein auffälliger Schriftzug wies darauf hin, dass das Angebot nur noch bis zum Monatsende galt. „Man müsste mal checken, ob der Rabatt hier auch kein Beschiss ist.“
„Online ist sie zweihundert Kronen billiger.“
„Dann kaufen Sie sie doch online.“
„Ich brauch sie aber nicht.“
Er legte die Bohrmaschine zurück ins Regal und schaute wieder hoch.
„Jewgeni, wie geht’s Ihnen?“
„Ach, Ludvík, ich kann mich nicht beklagen. Und Ihnen?“
Beide wussten sie, dass die Namen, mit denen sie sich ansprachen, nicht ihre richtigen waren, aber sie hatten sich daran gewöhnt; sie verwendeten sie ganz normal und ohne jede Spur von Verlegenheit, wenn sie sich unterhielten. Jemanden mit Namen anzusprechen, hatte eine wichtige Funktion: Es erleichterte nicht nur den Kontakt, sondern es stärkte das gegenseitige Vertrauen.
„Mir geht’s entsprechend meinen Leistungen und Verdiensten ganz gut“, erwiderte Ludvík in seiner trockenen Art, mit der er alles und jeden kommentierte, sich selbst nicht ausgenommen. Zu Beginn ihrer Zusammenarbeit, als sie sich ein wenig angetestet hatten, war Jewgeni das unangenehm gewesen, aber mit der Zeit hatte ihn Ludvíks reservierter Stil immer weniger gestört, er hatte ihn sogar schätzen gelernt. „Was sagen Sie zu unserem neuen Ermittlerteam?“
„Jukl scheint fähig zu sein“, antwortete Jewgeni. „Meinen Informationen nach hat er, als er beim BIS war, Leute aus dem Russischen Kulturzentrum und aus der Geschäftswelt auf dem Schirm gehabt. Zwei sind damals wegen Spionage aus Tschechien ausgebürgert worden.“
Ludvík verzog das Gesicht. „Ein ITler.“ Sein Tonfall verriet, was er von dieser Sorte Menschen hielt.
„Der hat seine Finger in der Katalogisierung von kremlfreundlichen Websites.“
„In einem Mordfall ermitteln ist was andres, als Propaganda im Internet aufdecken.“
„Darf ich das so verstehen, dass uns sein Einstieg in die Ermittlungen keine Sorgen bereiten muss?“
„Da braucht man sich nichts vormachen, ohne Jukl wär’s natürlich besser, aber die haben ihn vom organisierten Verbrechen rübergeschickt. Keine Chance, dagegen was zu tun.“
„Was ist mit der Rieger-Affäre?“, fragte Jewgeni. Die Enthüllung dieses Korruptionsskandals interessierte ihn, denn darin lag der Schlüssel zu Jukl und seinen Methoden. „Kriegt der Herr Hejtman ordentlich was aufgebrummt?“
„Da saßen noch paar andere mit im Boot, die werden schon zusehen, dass der Rieger sie nicht mit in die Tiefe reißt. Ein paar Firmen, die zum Konzern von unserem Regierungschef gehören, haben mit Riegers Aufträgen Milliarden zusammengerafft. Jetzt hat der Premier natürlich das größte Interesse zu beweisen, dass das alles sauberes Geld war. Er wird tun, was er kann, damit er den Rieger da raushaut. Und er kann ’ne Menge, das braucht man ja wohl nicht extra betonen.“
„Also hat Jukl seine Zähne ganz umsonst eingebüßt? Und seine so mühsam beschafften Beweise befördern Rieger nicht in den Knast?“
„Mühsam beschaffte Beweise?“ Über Ludvíks Gesicht huschte ein amüsiertes Lächeln. „An die ist er durchs Bett von Madame Riegrová rangekommen. Besonders geschuftet haben wird der nicht.“
Die beiden gingen nicht dicht nebeneinander her, aber auch nicht in allzu großem Abstand, damit sie nicht unnötig laut sprechen mussten. Sie verließen den Gang mit dem Werkzeug und betraten die Lebensmittelabteilung: zwei Kunden, deren Wege sich zufällig gekreuzt hatten und die demnächst wieder unterschiedliche Richtungen einschlagen würden.
„Kriminalhauptkommissarin Alte“, kam Jewgeni auf ihr ursprüngliches Thema zurück. „Wer ist das? Zu der hab ich nirgends was gefunden.“
„Die hat noch nie was Größeres als ‚Hausschlachtungen‘ gemacht.“
„Und wird sie jetzt loslegen?“
„Sie hat keine Anhaltspunkte.“
„Haben wir was, das wir gegen sie verwenden könnten?“
„Sie hatte ’ne geheime Affäre mit ’nem verheirateten Mann, angeblich soll sogar ein Kind unterwegs gewesen sein, aber das ist schief gegangen, der brave Gemahl ist zurück an den heimischen Herd und von dem Kind keine Spur. Gerade ist sie, glaub ich, Single. Sieht so aus, als ob sie ihre ganze Energie in die Arbeit steckt. Aber mit der Geschichte jetzt kommt sie garantiert nicht zurande. Der Arojan-Fall ist gleich mehrere Nummern größer als alles, was sie jemals gemacht hat.“
„Also kein Grund zur Beunruhigung?“
„Ich red noch mal mit ihr und mit Jukl.“ Ludvík war bei den italienischen Spezialitäten stehengeblieben. Er nahm eine Dose Dorschleber aus dem Regal. „Die mag meine Frau so gern“, sagte er. Jewgeni schnappte sich eine Packung Nudeln und ein Glas Oliven. Beides legte er in seinen Wagen und ging in Richtung Kasse. Wie üblich bemühte er sich, das Treffen nicht in die Länge zu ziehen. Alles Nötige hatten sie besprochen. Über manche Dinge hatte er mit Ludvík absichtlich nicht geredet, nach anderen hatte er nicht gefragt, weil er dazu Informationen aus anderen Quellen hatte. Blieb nur noch ein Punkt.
„Und die Vergütung ist in Ordnung?“, fragte er.
„Mehr als das“, antwortete Ludvík.
Jewgeni lächelte. „Jedem nach seinen Leistungen und Verdiensten“, griff er Ludvíks Ausspruch auf und fügte ernst hinzu: „Ich bedanke mich für die fruchtbare Zusammenarbeit.“
Ludvík überholte ihn, am Ende des Gangs blieb er stehen und sah sich um. „Ich hab zu danken“, sagte er. Es klang wie üblich trocken, aber der Gesichtsausdruck, mit dem er seine Worte begleitete, war diesmal kein bisschen reserviert.
„Also, Ludvík, machen Sie’s gut.“ Jewgeni hob zum Abschied die Hand.
„Sie auch.“
Ihre Wege trennten sich. Ludvík bog in den nächsten Gang ein, Jewgeni ging zur Kasse. Als er bezahlt hatte und gerade hinausgehen wollte, sah er, wie Ludvík in der Textilabteilung stand und einen Morgenmantel anprobierte. Auch von Weitem sah man, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Unauffälliges Kakaobraun stand ihm gut.
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