Wortgefechte zwischen Frauen und Männern auf diesem Missverständnis beruhen. Frauen wollen reden, Männer präsentieren zackig Lösungen. Dann ist Frau enttäuscht, weil Mann nicht geduldig zuhört, und Mann findet die Reaktion zickig. Ein Klischee, sicher, aber oftmals beobachtet.
•Mit einem Ratschlag manövriert man sich in eine überlegene Position (ich sage dir, was du tun sollst). Insbesondere bei ungebetenen Ratschlägen weckt dies häufig Abwehr oder sogar Aggressionen. Der Inhalt dringt dann gar nicht mehr durch.
•Die oder der andere ist gerade emotional so aufgewühlt, dass sie/er keinen klaren Gedanken fassen kann und den Ratschlag gar nicht richtig versteht bzw. nicht in der Verfassung ist, ihn aufzunehmen.
•Der Ratschlag geht an der Lebenswirklichkeit und an den Werten des Gegenübers vorbei. Sie oder er fühlt sich unverstanden und reagiert enttäuscht (»Wie kann der/die mir so etwas raten? Das passt doch gar nicht zu mir!«).
•Der Ratschlag wird überlagert von einer (momentan oder dauerhaft) problematischen Beziehung: Von meinem unfreundlichen Chef lasse ich mir gar nichts sagen; meine Mutter hat schon immer versucht, sich in alles einzumischen; im Moment bin ich nicht gut auf meinen Kollegen zu sprechen usw.
•Der Ratschlag streut Salz in eine offene Wunde: »Genau das habe ich schon vergeblich versucht! Das funktioniert bei mir nicht.« (Oder aggressiver: »Meinst du nicht, da wäre ich auch schon selbst draufgekommen?!«)
Es ist also heikel, jemanden mit Ratschlägen zu beglücken. Ratschläge sind eben auch Schläge, wie ein Sprichwort warnt. Das gilt zumindest häufig und trägt dazu bei, dass mehr oder weniger »gut gemeinte« Ratschläge verpuffen. Was Sie dagegen tun können? Erteilen Sie Ratschläge nur dann, wenn Sie darum gebeten werden. Wenn Sie unsicher sind, ob der andere jetzt gerade einen Rat möchte, fragen Sie ihn: »Willst du meine Meinung dazu hören?« Und seien Sie nicht beleidigt, wenn die Antwort »Nein« lautet.
Warum wir wissentlich das Falsche tun.
Und dann gibt es ja noch die Fälle, wo jemand Ihren Rat sucht oder Ihnen zumindest für hilfreiche Hinweise dankt und dann zur Tür herausspaziert und genau das Gegenteil tut, so weitermacht wie bisher oder das macht, wovor Sie gewarnt haben. In der Beziehungskomödie »Harry & Sally« gibt es dazu eine passende Situation.
Sallys beste Freundin Marie hat seit Jahren ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, der immer dann bei seiner Familie ist, wenn sie sich eigentlich nach Zweisamkeit sehnt: an Weihnachten, an Feiertagen, in den Ferien. Marie ist jedes Mal kreuzunglücklich und weint sich dann bei Sally aus. Nach dem letzten Schluchzer sagt Sally jedes Mal: »Marie, du musst dich von ihm trennen! Er wird seine Frau nie verlassen.« Worauf Marie jedes Mal antwortet: »Du hast recht! Ich weiß, dass du recht hast!« Scheinbar ist der Trennungsvorsatz gefasst. Doch wenige Wochen später klagt sie Sally erneut ihr Leid. Erst eine neue Liebe ändert die Situation.
Was haben Sie gerade gedacht, als Sie diese Geschichte lasen? Hatten Sie Verständnis oder haben Sie die Wertungskeule hervorgeholt und Marie Inkonsequenz, Feigheit oder Schwäche unterstellt? Der Neurobiologe und Philosoph Gerhard Roth hat eine bessere Erklärung dafür, warum wir einem Rat mitunter selbst dann nicht folgen, wenn wir ihn als richtig erkennen und eigentlich umsetzen wollen. Unser Verhalten wird eben nicht nur von rationaler Einsicht geprägt, sondern von genetischen Dispositionen, frühkindlichen Prägungen, unserer Sozialisation, das heißt vor allem jenen Erfahrungen, die wir bis zum frühen Erwachsenenalter machen. Diese Eindrücke graben sich tief in die emotionalen und zum Teil unbewussten Bereiche unseres Gehirns ein, in das limbische und mesolimbische System. Sie machen unser »unbewusstes Selbst« aus, das von »emotionalen Konditionierungen« bestimmt wird, von tief verwurzelten Prägungen, die unser Denken und Verhalten steuern, ohne dass sie rationaler Überlegung zugänglich sind.2 So kommt es, dass wir uns manchmal selbst nicht verstehen und wider besseres Wissen Dinge tun, von denen wir eigentlich wissen, dass wir sie später bereuen werden. Wir können nicht anders, ohne sagen zu können, warum. Das mag einerseits ein frustrierender Gedanke sein. Andererseits kann man es als Anregung sehen, etwas geduldiger und nachsichtiger zu sein: mit sich selbst und mit anderen!
»Wenn nur alle so wären, wie ich das will …«
Wie die Welt aussähe, wenn unser Traum wirklich in Erfüllung ginge
Spötter sagen, es gibt nur eins, was noch schlimmer ist als unerfüllte Träume: die Erfüllung eines Wunschtraums. Wie sähe die Welt tatsächlich aus, wenn die anderen sich uns zuliebe ändern würden?
Harmonische Partnerschaft, rücksichtsvolle Schwiegermutter …
Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Morgen auf und Ihr Partner verhält sich jeden Tag zuverlässig exakt so, wie Sie sich das wünschen: Er oder sie nimmt sich mehr Zeit oder beeilt sich, ganz nach Ihrem Gusto, ist redselig oder schweigt, wenn Sie das lieber haben. Achtlos aufgehängte Handtücher, Socken unterm Bett oder die nicht zugeschraubte Zahnpastatube gehören längst der Vergangenheit an. Sie brauchen nur einen kleinen Hinweis zu geben und schon hat sich ein Problem dauerhaft erledigt. Kulturmuffel entdecken ihre Vorliebe für argentinische Autorenfilme und moderne Malerei, Fußballhasser regen sich nicht mehr über die Bundesligakonferenz im Radio auf, Couch-Potatoes gehen klaglos mit Ihnen joggen. Seit Sie Ihrer Mutter mitgeteilt haben, dass sie sich bitte nicht in Ihre Kindererziehung einmischen soll, ist dieses Thema erledigt und Sie ernten nicht einmal mehr kritische Blicke oder hochgezogene Augenbrauen, nein: Sie erleben selige Harmonie auf jeder Familienfeier! Sollten Sie keine Kinder haben, auch gut: Das ist ebenfalls kein Thema mehr. Ihr Umfeld verschont Sie mit bohrenden Nachfragen, Hinweisen auf die tickende biologische Uhr und fragenden Blicken auf Ihren Bauch.
Hilfsbereite Kolleginnen und Kollegen, nette Vorgesetzte …
Auch auf dem Weg zur Arbeit gibt es keinerlei Anlass zur Aufregung: Endlich sind Sie nicht mehr der Einzige, der vernünftig Auto fährt! Keine Mittelstreifenbummler, keine Sonntagsfahrer oder Drängler, sondern überall zügige und rücksichtsvolle Autolenker. Ihre Führungskraft redet Ihnen endlich nicht mehr in die Arbeit rein, sondern lässt Sie in Ruhe machen. Es gibt regelmäßig Anerkennung statt kleinlicher Kritik. Der Kollege, mit dem Sie das Büro teilen, telefoniert leiser, seitdem Sie ihn darum gebeten haben. Er isst keine überreifen Bananen oder müffelnden Döner mehr im Büro und hält jede Absprache ein. Die Azubine daddelt nicht mehr auf ihrem Smartphone herum und hängt gespannt an Ihren Lippen, wenn Sie ihr etwas erklären. Der Vertrieb schickt nur noch sorgfältig ausgefüllte Aufträge mit allen erforderlichen Daten, sodass Sie nicht mehr herumtelefonieren und nachfragen müssen. Wenn Sie im Kundenkontakt oder als Handwerker/-in tätig sind, haben Sie es tagein, tagaus ausschließlich mit geduldigen, freundlichen Leuten zu tun, die sich herzlich für Ihre Hilfe bedanken. Auch im Freundeskreis herrscht eitel Sonnenschein. Ob man sich nun besser vegan, vegetarisch, lowcarb oder paleo ernährt, ist kein Thema mehr, weil jede und jeder den anderen einfach in Ruhe essen lässt, was sie oder er möchte. Die egozentrische Freundin hört Ihnen plötzlich aufmerksam zu, der Aufschneider im Bekanntenkreis gesteht seine Schwachstellen ein. Ach ja, und die Nachbarn beschweren sich natürlich auch nicht mehr über laute Musik und finden Ihren leicht verwilderten Garten plötzlich cool.
Eine perfekte Welt? Der perfekte Albtraum!
Wäre das nicht gruselig? Und schrecklich langweilig dazu? Treibt man es so auf die Spitze, wird einem plötzlich bewusst, dass unsere Welt erst durch Unterschiede bunt und interessant wird. Gut, mir gefallen auch nicht alle Unterschiede, Ansichten und Verhaltensweisen anderer. Sie können nervig sein, anstrengend, irritierend, manchmal sogar ausgesprochen ärgerlich. Doch auf der anderen Seite bleibt das Leben auf diese Weise spannend. Gleichzeitig eröffnen uns Reibungsflächen die Chance, etwas dazuzulernen, uns selbst zu hinterfragen und uns weiterzuentwickeln. Manchmal wird einem ja erst nach Monaten oder gar Jahren bewusst, wozu etwas gut war, über das man sich früher schrecklich aufgeregt hat. Und der Rest, der einfach nur nervig bleibt: Der