auf die Welt und entwickeln uns im Lauf der Zeit zu selbstständigen, reifen Menschen. Mit fortschreitendem Alter werden wir wieder gebrechlicher und seniler, bis wir fast wieder so hilflos und von anderen abhängig sind wie ein Kleinkind.
Der Alterungsprozess selbst ist und bleibt jedoch linear. Aus Kindern werden Erwachsene und diese Entwicklung ist nicht umkehrbar.
Ein komplexeres Beispiel ist der gesellschaftliche und politische Wandel, auf dessen zyklische Elemente ich bereits verwiesen habe: gesellschaftliche Trends, die aufbranden und wieder abflauen; der gesellschaftspolitische Klimawechsel von liberal zu konservativ, von progressiv zu reaktionär, der sich regelmäßig in jedem Land der Welt vollzieht.
Langfristig und global betrachtet zeichnet sich jedoch ein eindeutig unidirektionaler, linear verlaufender Trend zu freiheitlichen, demokratischen Staatsformen ab, der unabhängig von allen regional begrenzten, zyklischen Richtungswechseln immer mehr Nationen erfasst. Dieser globale Trendverlauf ist nicht zyklisch. Trotz aller Rückschläge und zeitweiligen Niederlagen, die der Demokratisierungsprozess im Verlauf der Geschichte hinnehmen musste, ist der Siegeszug der Freiheit nicht aufzuhalten und schon gar nicht umkehrbar.
Beispiele linearer Prozesse
Der (menschliche) Alterungsprozess
Das globale Bevölkerungswachstum
Der Zuwachs an Daten, Informationen und Wissen
Der weltweite Bildungsfortschritt
Die steigende Zahl an Patenten und Erfindungen
Die zunehmend höhere Rechenleistung von Computersystemen
Die fortschreitende Konvergenz von Funktion und Funktionalität
Die Globalisierung
Zyklische Schwankungen nehmen die unterschiedlichsten Formen an. Das Elektrokardiogramm (EKG) – die Aufzeichnung der Herztätigkeit – zeichnet sich durch steile Spitzen aus, während sich der fließende Wechsel der Jahreszeiten in einer sanften, relativ gleichmäßigen Wellenbewegung widerspiegelt. Manchmal folgen die Zyklen innerhalb von Millisekunden aufeinander, wie beispielsweise bei der Darstellung der Gehirnwellen, zwischen anderen wiederkehrenden Zyklen – wie den Perioden der Eiszeiten – liegen ganze Erdzeitalter.
Ebenso vielfältig sind die Formen linearer Trendverläufe. Vom explosionsartigen Zuwachs einer Population bis zum graduell steigenden Interesse an einer neuen Musik-CD zeichnen sich lineare Trenddarstellungen aber allesamt dadurch aus, dass die Steigung der Geraden immer in eine Richtung verläuft und keine zyklischen Wiederholungen aufweist.
In den folgenden Diagrammen sind die zwei Formen der Wandlungsprozesse dargestellt.
Zyklische und lineare Prozesse
Beispiele zyklischer Prozesse
Beispiele linearer Prozesse
Die weiter oben genannten Beispiele zyklischer Prozesse – der Wechsel der Jahreszeiten und Gezeiten, Aktienkursverläufe und so weiter – nehmen Wellenformen an, wie im ersten Diagrammpaar dargestellt. Interessanter und spannender sind jedoch die linearen Trendverläufe des zweiten Diagrammpaars. Das Fehlen eines wiederkehrenden Musters deutet auf immer neue Bedingungen hin, unter denen sich einzigartige Chancen bieten. Es ist der linear verlaufende Wandel, der die Zukunft bestimmt und gestaltet, und seine Gesetzmäßigkeiten zu begreifen, schärft Ihren Blick für das, was die Zukunft bringt und lässt das noch nicht Offensichtliche Gestalt annehmen.
Die Fähigkeit, lineare Prozesse und ihr Zusammenspiel mit zyklischen Schwankungen zu erkennen, trägt in erheblichem Maß dazu bei, sich für die Art von blitzartigen Eingebungen zu öffnen, mit denen sich treffsichere Zukunftsprognosen erstellen lassen. Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, zukunftsweisende Entwicklungen von kurzfristigen Modetrends zu unterscheiden. So mancher Trend, der Aufmerksamkeit erhascht, ist vielleicht schon nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche verschwunden, während andere an Bedeutung und Nachhaltigkeit gewinnen und einen klaren Blick in die Zukunft ermöglichen. Es gilt also, kurzfristige von dauerhaften Trends zu unterscheiden, um keine so kuriosen Prognosen zu treffen, wie die, von der mein nächstes Beispiel handelt.
Am 16. August 1977 starb der »King of Rock’n Roll« im Alter von nur 42 Jahren. Mit über einer Milliarde verkauften Tonträgern wurde Elvis Aaron Presley noch zu Lebzeiten zu einer Legende und gilt weltweit als der erfolgreichste Solo-Künstler aller Zeiten. Auch wenn ihm musikalisch natürlich keiner das Wasser reichen konnte, fand er jede Menge Nachahmer. Schon zu Elvis’ Lebzeiten gab es rund hundert professionelle Elvis-Imitatoren, und nach seinem Tod wurden es so viele, dass quasi eine neue Berufsgruppe geboren war. Aber war Elvis-Imitator ein Beruf mit Zukunft?
Als (zugegebenermaßen leicht wundersame) Trendanalyse-Übung untersuchte ich fünf Jahre nach Presleys Tod die Zuwachsquote der Elvis-Imitatoren nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Ausgehend von der Entwicklung zwischen 1977 und 1982 ergab meine Studie, dass sich bis zum Jahr 2000 jeder dritte männliche US-Bürger als Elvis-Imitator betätigen würde.
Rein statistisch gesehen schien meine Prognose durchaus realistisch zu sein, aber das war sie natürlich nicht. Aber weshalb, wenn doch die Daten stimmten? Ganz einfach deshalb, weil die »harten Fakten« einen Trend implizierten, der so schnell wieder vom Tisch sein würde wie ein Erdnussbutter-Bananen-Sandwich, das man Elvis vorsetzte – das war nämlich eine seiner Leibspeisen.
So unsinnig meine Trendanalyse auch war, veranschaulicht sie jedoch einen wichtigen Punkt: Es werden ständig falsche oder mangelhafte Zukunftsprognosen erstellt, auf deren Grundlage im privaten Bereich ebenso wie auf Unternehmens- und Regierungsebene oft schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden, weil sie als glaubhaft und zuverlässig erachtet werden. Die Trends, die auf der Basis korrekter, harter Zahlen und Fakten ermittelt werden, stellen sich jedoch oft genug als Eintagsfliegen heraus.
1999 prognostizierte die US-Regierung einen Haushaltsüberschuss von einer Billion US-Dollar innerhalb einer Dekade. Die Prognose beruhte auf statistischen Werten, die ebenso fundiert waren wie die, die ich für meine Elvis-Imitatoren-Prognose nutzte – und sie erwies sich als ebenso unzutreffend. Gemäß den Vorhersagen müsste Amerika heute das Land mit den meisten wohlhabenden Elvis-Doubles sein. Hm … irgendetwas ist da wohl schief gelaufen.
Übrigens sahen 47 der 50 US-amerikanischen Bundesstaaten ebenfalls einen wahren Geldsegen voraus – und täuschten sich gründlich. Sie verließen sich darauf, dass der stetige Strom aus Grund- und Vermögenssteuereinnahmen nie versiegen würde, und gaben das Geld mit vollen Händen aus. Sie wetteten Haus und Hof auf die Richtigkeit der Vorhersagen und waren knapp davor, alles zu verlieren. Und warum? Weil sie auf Trends setzten, die vielversprechend und solide aussahen, es aber nicht waren. Der Elvis-Trugschluss führt geradewegs ins Desaster. Das lässt sich jedoch sehr einfach vermeiden, wenn man zwischen »harten«, zukunftsweisenden Trends und »weichen« Modetrends unterscheiden kann.
Harte und weiche Trends
Die meisten Leute halten Vorhersagen für zweifelhaft, weil sie auf der Grundlage von Trends erstellt werden, auf die man sich besser nicht verlassen sollte. Gemeinhin werden Trends mit Modeerscheinungen gleichgesetzt: Heute ist etwas schwer angesagt und schon morgen spricht kein Mensch mehr darüber. Wenn etwas »trendy« ist, ist es eben gerade in Mode, und wie jeder weiß, ändert sich die Mode ständig. »Das ist wieder so ein neuer Trend«, heißt es oft. »Auf ihn zu setzen ist ein Glücksspiel. Vielleicht setzt er sich durch, vielleicht auch nicht.«
In der Wissenschaft, Technik und Wirtschaft bezeichnet der Begriff »Trend« aber keine Modeerscheinung, sondern die »Grundrichtung einer Entwicklung oder Veränderung, von der angenommen wird, dass sie längerfristig und nachhaltig wirkt« (Gabler Online-Wirtschaftslexikon: www.wirtschaftslexikon.gabler.de). Eine der wichtigsten Erkenntnisse, die ich in 25 Jahren Forschungsarbeit gewonnen habe, ist, dass es zwei unbedingt