sogar die, die sich selbst für undiszipliniert, faul und willensschwach halten, sich von unliebsamen Gewohnheiten zu trennen und neue Ziele zu erreichen.
Was Sie dazu benötigen? Zehn Wochen, in denen Sie bereit sind, systematisch an sich zu arbeiten, um sich selbst zu beweisen, dass es möglich ist, sich nachhaltig zu verändern. Keine Angst: Der Weg der „magischen“ zehn Wochen macht Spaß und zeigt, dass Selbstveränderung kein unerreichbares Unterfangen ist, wenn man weiß, welche Gegebenheiten des Gehirns dabei zu berücksichtigen und welche Schalter im Kopf zu betätigen sind.
Nun liegt es an Ihnen, ob Sie bereit sind, zehn Wochen zu investieren, um Ihre schon lang gehegten Vorsätze dauerhaft in Ihrem Alltag zu verankern. Freuen Sie sich darauf!
Ihr
Markus Hornig
1. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Warum fällt es den meisten Menschen so schwer, sich von negativen Gewohnheiten zu befreien bzw. gut gemeinte Vorsätze dauerhaft in die Tat umzusetzen? Die Zahlen sprechen alljährlich dieselbe Sprache: Über die Hälfte der Deutschen nehmen sich zum Jahreswechsel vor, ihr Leben zu ändern. Regelmäßig Sport treiben, abnehmen, weniger Stress haben oder mehr Zeit mit der Familie verbringen, sind die Klassiker unter den Neujahresvorsätzen. Leider schaffen es nur weniger als ein Viertel, diese Vorsätze nachhaltig in den Alltag zu integrieren. Welche „psycho-logischen“ Voraussetzungen gilt es auf dem Weg der Veränderung zu beachten? Welche Grundlagen des Gehirns sind dabei zu berücksichtigen und welche Strategie führt langfristig zum Erfolg?
1.1 Die (Miss-)Erfolgsquote der Veränderung
Dass die Deutschen durchaus gewillt sind, sich zum Besseren zu verändern, zeigt sich immer wieder zum Jahreswechsel. Gemäß dem Motto „Am 1. Januar fange ich an!“ wiederholen sich die Neujahresvorsätze, wie eine repräsentative Studie des Forsa-Instituts auch für das Jahr 2015 feststellte: Demnach nehmen sich 60 % der Deutschen vor, im neuen Jahr stressfreier zu leben. Auf Platz zwei und drei landen, jeweils mit 55 %, die Vorsätze, mehr Sport zu treiben und mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. 48 % wollen sich mehr Zeit für sich selbst nehmen, 34 % wollen abnehmen, 28 % sparsamer sein, und 15 % nehmen sich vor, weniger fernzusehen bzw. online zu sein. Dazu passt ein aktuelles Ergebnis von Forschern der Universität von Pennsylvania: Sie haben nachgewiesen, dass der Begriff „Diät“ jeweils am 1. Januar um 82 % häufiger bei Google eingegeben wird als an den folgenden Tagen des Jahres. Gesundheit und Entschleunigung sind demnach die beiden Hauptkategorien, in die sich die Vorsätze der Deutschen zusammenfassen lassen. Diese Top 10 der gut gemeinten Vorsätze wiederholen sich Jahr für Jahr, was nicht verwunderlich ist, denn nur die wenigsten dieser Versuche der persönlichen Selbstoptimierung sind von Erfolg gekrönt. Leider schleicht sich zwischen Wunsch und Wirklichkeit ein scheinbar nur äußerst schwer zu überwindender Widersacher ein: der innere Schweinehund! Er ist dafür verantwortlich, dass es nur ca. einem Viertel der Veränderungswilligen gelingt, die Vorsätze in die Realität umzusetzen. So berichtet der Focus in seiner Titelstory „So erreichen Sie Ihre Ziele“ (Focus, 47/2015), dass die Erfolgsquote bei der Umsetzung der Neujahrsvorsätze bei den Männern bei 28 % und bei Frauen bei 19 % liege.
Schockierend in diesem Zusammenhang ist das Ergebnis einer Studie des Psychologen Robert Kegan von der Harvard University. Er stellte fest, dass es nur einem von sieben Herzinfarktpatienten nach einer Bypass-Operation gelingt, mit dem Rauchen aufzuhören bzw. sich gesünder zu ernähren. Konsterniert stellt er fest: „Wir glauben, die Patienten ändern ihr Verhalten, wenn für sie das Leben auf dem Spiel steht. Selbst der baldige Tod scheint nichts zu bewirken.“ (Focus, 2/2013, S. 104)
Studien belegen, dass es offenbar sehr schwer ist, den inneren Schweinehund zu überwinden. Die meisten guten Vorsätze werden nicht umgesetzt. |
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1.2 Veränderung ist möglich
Auch wenn diese Zahlen alles andere als optimistisch stimmen, darf man davon ausgehen, dass die Erfolgsquote um ein Vielfaches höher läge, hätten die Veränderungswilligen zwei Dinge zur Verfügung: fundiertes Wissen darüber, wie Veränderung im Gehirn funktioniert, und eine entsprechende Strategie. Der Emotionsforscher Rolf Arnold bringt es auf den Punkt: „Selbstveränderung ist möglich. Wir brauchen dazu Wissen und Mut. Zunächst gilt es zu lernen, nach welchen Mechanismen unser Denken, Fühlen und Handeln funktioniert“. (Zeit Wissen, 2/2010, S. 22)
Die Gehirnforschung hat mittlerweile einen guten Überblick darüber gewonnen, welche Mechanismen des Gehirns zu berücksichtigen sind, will man Vorsätze erfolgreich umsetzen. Das Credo der Neuroforscher lautet: Wir können uns ändern! Unser Gehirn kann umerzogen werden, wir können uns antrainieren, in bestimmten Situationen nicht mehr routine- bzw. gewohnheitsmäßig zu reagieren. Dafür sind zwei Voraussetzungen entscheidend: eine gehirngerechte Strategie, die auch die Bedeutung der Emotionen berücksichtigt, sowie eine Portion Geduld und Beharrlichkeit.
Denkbar ungünstig ist dagegen die irrige Annahme, ein Veränderungsprozess könne quasi nebenbei, sozusagen im Handumdrehen, abgewickelt werden. Das Gegenteil ist der Fall: Persönliche Veränderung ist motivationspsychologisch betrachtet ein hartes Stück Arbeit. Wer sich dessen nicht bewusst ist, dessen Erfolgschancen stehen von Anfang an schlecht. Als „False-Hope-Syndrom“ bezeichnen es die beiden Wissenschaftler Janet Polivy und C. Peter Herman von der University of Toronto, wenn Menschen unterschätzen, wie schwierig die Auseinandersetzung mit sich selbst ist. Ihre Studien belegen, dass vor allem diejenigen, die zu viel auf einmal wollen – gemäß dem Motto: „Jetzt kremple ich mein ganzes Leben um!“ –, zum Scheitern verurteilt sind. Hoch motiviert, aber schlecht informiert ist eine denkbar ungünstige Ausgangsposition, die schnell zu unrealistischen Erwartungen und damit zur vorprogrammierten Enttäuschung führt.
Veränderung als Projekt betrachten
Generell erweist es sich als günstig, den Veränderungsprozess als persönliches Projekt zu betrachten. Wer sich z. B. sagt: „In Zukunft gehe ich jeden zweiten Tag eine halbe Stunde joggen!“, bei dem tauchen postwendend innere Widerstände auf. Besser ist es, sich erst einmal einen überschaubaren Zeitraum vorzunehmen, wie z. B.: „Mein persönliches Projekt für die nächsten zwei Monate besteht darin, zweimal in der Woche zu joggen!“ Darüber hinaus ist es sinnvoll, sein persönliches Projekt mit einem Slogan zu versehen, etwa: „Der Herbst 2016 wird der Herbst des Laufens!“
Solch eine mentale Ausgangsposition verspricht von Anfang an größere Erfolgschancen, weil es sich zum einen um einen überschaubaren Zeitraum handelt und weil man sich zum anderen die Option offenhält, nach Ablauf dieses Zeitraums wieder zum alten Leben zurückzukehren. Ob dies dann tatsächlich der Fall sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Der Trick dabei ist: Wer erst einmal in Fahrt gekommen ist und erste Erfolgserlebnisse ausgekostet hat, dessen Chancen steigen, das gewünschte Verhalten auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.
Die Chancen, das eigene Verhalten zu ändern, steigen, wenn man sich bewusst ist, dass sich Gewohnheiten nicht einfach so nebenbei ändern lassen. |
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1.3 Gehirngerechte Strategie
Dass es nicht so einfach ist, Gewohnheiten zu ändern und gute Vorsätze in die Tat umzusetzen, zeigt schon der Blick in die Anatomie unseres Gehirns. Sitz unserer Vernunft ist