Nicole Pathé

Feigling oder Führungskraft?


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was Sache ist? Besser nicht! Schließlich möchte man sich nicht unbeliebt machen oder die Karriere aufs Spiel setzen.

       Feiglinge hemmen Veränderungsprozesse

      Theoretisch betrachtet kann es von der Sorte Feigling keine oder nur wenige geben. Denn wie soll ein Unternehmen der Anforderung ständiger Veränderung gewachsen sein, wenn die Führungsverantwortlichen nicht in der Lage sind, die Mitarbeiter sicher durch den Change zu führen? So weit die Theorie. Die Praxis sieht jedoch ganz anders aus. Es wimmelt von Feiglingen in Unternehmen. Sie hemmen Veränderungsprozesse, bringen sie sogar zum Scheitern. Sie verheimlichen, lügen und verstecken sich hinter der großen Scheinheiligkeit ihrer Titel als Vorstand, Bereichsleiter, Abteilungsleiter, als Führungskraft welcher Hierarchiestufe auch immer.

      Feiglinge haben Angst und verbreiten Angst. Und Angst war noch nie ein guter Begleiter von Entwicklung und Veränderung – im Gegenteil: Eine Angstkultur lähmt und führt zu Stagnation. Ein Unternehmen, das Change-Prozesse erfolgreich umsetzen will, braucht eine Mutkultur, die von Klarheit und Courage gekennzeichnet ist, und zwar konsequent und durchlässig – von der Unternehmensspitze über den Sachbearbeiter bis zum Hilfsarbeiter. Wie heißt es so schön? »Der Fisch stinkt immer vom Kopf.« Das gilt auch für Angst und Mut: Das obere Management bestimmt den Geruch.

      Neben Geschichten über Feiglinge, Jasager und Mitläufer werden Sie auf den folgenden Seiten auch eine Reihe Beispiele mutiger Führungskräfte lesen. Von Menschen, die in Kauf nehmen, sich »für den guten Zweck« auch mal unbeliebt zu machen. Führungskräfte, die nach oben, zur Seite und nach unten Tacheles reden, die Strategien mit ihren Teams und Kollegen weiterentwickeln, Menschen einbeziehen und Veränderungen umsetzen. Die klar sagen, was sie tun, und tun, was sie sagen. Und die bereit sind, sich mit der unbequemen Wahrheit auch mal angreifbar zu machen.

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      Veränderung muss sich durch alle Hierarchien ziehen – begleitet von einer unternehmensweiten Kommunikation ohne weichgespültes Blabla. Häufig werden hochmotiviert Betriebsversammlungen einberufen oder Townhall-Meetings durchgeführt, in denen der Vorstand seine Botschaften vermittelt. Alles prima und wunderbar. Aber was nützt es, wenn sich in den Versammlungen niemand traut, Fragen zu stellen? Was nutzt der rhetorisch geschickteste Vorstandsvorsitzende, der die Leute durch flammende Reden für den angestrebten Change begeistert, wenn die Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz von einem feigen Vorgesetzten erwartet werden? Einem Feigling, der ihren Fragen aus dem Weg geht, Unsicherheiten im Raum stehen lässt und den Eindruck erweckt, mit allem nichts zu tun zu haben: »Die da oben werden schon wissen, was sie machen.« Klasse – das hilft den Mitarbeitern wirklich und motiviert sie für den anstehenden Change! Ironie – aus.

       Menschen arbeiten für Menschen

      Menschen arbeiten für Menschen und sie orientieren sich an ihnen. Das bedeutet, Führungskräfte sind Vorbilder, die die Stimmung ihrer Mitarbeiter maßgeblich prägen: Treten sie als Feiglinge auf, die selbst Skepsis und Angst vor der Veränderung zeigen, nützt die beste Kommunikation nichts.

      Feiglinge blockieren und verhindern Veränderung. Daher ist es für Unternehmen wichtig, feige Vorgesetzte zu identifizieren und ihnen die Chance zu geben, eine mutige Führungskraft zu werden. Denn: Einmal Feigling bedeutet nicht immer Feigling. Das habe ich bei meiner Arbeit mit mehr als dreitausend Führungskräften erfahren. Gott sei Dank, denn sonst wäre ich wahrscheinlich irgendwann verzweifelt. Aber nein, ich habe oft erlebt, dass sich ein ängstlicher Feigling zu einer mutigen Führungskraft entwickelt hat. Die Voraussetzung dafür ist die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst, das Hinterfragen eigener Verhaltensweisen und innerer Haltungen. Dazu ist ein Perspektivwechsel nötig. Er hilft dabei, unvoreingenommen an ein Thema heranzugehen.

       Wie gehen wir mit Angst um?

      Um nicht selbst Gefahr zu laufen, nur aus meiner Perspektive heraus zu berichten, habe ich zu Beginn meiner ersten Schreibphase Interviews mit einigen Kunden geführt. So konnte ich ihre Sichtweise auf die Feiglinge und Führungskräfte mit meiner abgleichen. Eine meiner Interviewfragen lautete: »Wie gehen Sie mit Ihrer eigenen Angst um?« Bemerkenswert war, dass keiner meiner Interviewpartner abstritt, gelegentlich Angst im Job zu haben. Nur im Umgang mit der Angst unterscheiden sich die Führungskräfte voneinander:

      image »Ich identifiziere exakt den Punkt, der mir Angst macht. Es ist nie das gesamte Thema, sondern ein spezieller Teilaspekt, mit dem ich mich auseinandersetze, nachdem ich ihn erkannt habe.«

      image »Ich denke an Situationen, in denen das Überwinden meiner Angst zum Erfolg geführt hat.«

      image »Ich tanke bewusst Energie, indem ich mache, was mir guttut, zum Beispiel Sport treiben oder lesen.«

      image »Ich frage mich, welchen Nutzen die Angst an der Stelle hat.«

      image »Ich akzeptiere die Angst genauso wie meinen Mut. Denn das eine gibt es nicht ohne das andere.«

      Die Antworten zeigen: Es geht keineswegs darum, als Führungskraft unfehlbar zu sein und sich zu einem angstlosen Geschöpf entwickeln zu müssen. Das wäre ja hochgradig emotionslos. Es geht vielmehr darum, sich mit dem Thema Angst auseinanderzusetzen. Jede Führungskraft für sich: auf individueller Ebene durch Selbstreflexion und gezielte persönliche Entwicklung. Und jedes Unternehmen für seine Mitarbeiter: durch das Etablieren einer Mutkultur und den Einsatz von Befragungstools auf breiter Ebene.

       Wichtig: eine Mutkultur etablieren!

      In diesem Buch geht es mir nicht um den erhobenen Zeigefinger. Mir geht es darum, den Feiglingen Mut zu machen, sich durch Klarheit und Courage zu einer echten Führungskraft zu entwickeln. Ich möchte den Mut all jener verstärken, die sich ihrem inneren Feigling stellen wollen. Die Beispiele, die ich zur Veranschaulichung gewählt habe, sind alle genau so geschehen. Sie sind natürlich anonymisiert und abstrahiert dargestellt, um die beschriebenen Personen und Unternehmen zu schützen.

      Der Begriff »Führungskraft« ist in Unternehmen geläufig – egal, ob es sich um eine feige oder fähige Führungskraft handelt. Eine Positionsbezeichnung, die nicht hinterfragt oder bewertet wird. Daher verwende ich ihn auch allgemein für Personen mit Führungsverantwortung. Wenn ich über feige Führungskräfte spreche, bezeichne ich sie grundsätzlich als Feiglinge. Geht es um fähige, mutige Führungskräfte, dann benenne ich sie auch so.

      Nun wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre, die hoffentlich eine Betroffenheit in Ihnen auslöst – sei es als Führungsverantwortlicher oder Mitarbeiter, als Feigling oder als Führungskraft.

       Nicole Pathé

      1. FEIGLING oder FÜHRUNGSKRAFT?

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      In meiner Rolle als Managementtrainerin und Coach habe ich bisher einige Tausend Menschen erlebt, die Führungspositionen bekleiden. Immer wieder begegnet mir Verhalten, das ich typischerweise dem von mir skizzierten Bild eines Feiglings oder einer wirklichen Führungskraft zuschreibe. Waren die Feiglinge schon immer Feiglinge und bleiben Führungskräfte immer Führungskräfte? Das habe ich mich oft gefragt. Beide Fragen beantworte ich inzwischen mit »Nein«. Vielmehr bin ich der Überzeugung, dass Führungskräfte irgendwann entscheiden, ob sie grundsätzlich