Frauke Ion

30 Minuten Typisch ich, typisch du


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festhielt und welche Bedeutung er seiner jahrzehntelang geführten Brief-Korrespondenz mit Studierenden, Fragenden, Suchenden und Leidenden beimaß. Der Austausch mit Einzelnen bedeutete ihm mehr als ein lückenloser wissenschaftlicher Nachlass oder persönlicher Ruhm. Es war seine Gewissheit, dass vor allem einzelne Menschen sein gedankliches Erbe in die Zukunft tragen würden. Jungs Auseinandersetzung mit sich selbst, ein schöpferischer Entdeckertrieb und die Hingabe an das tiefe (Selbst-)Gespräch flossen unentwegt in seine Erforschung dessen, was uns zu Menschen macht. Mit der Begründung der Analytischen Psychologie propagierte Jung einen zu der Zeit revolutionären Ansatz, nämlich nicht die Antwort oder die Theorie zu haben, sondern jedem individuellen Erleben offen und neugierig gegenüberzutreten.

      Jung rückte die Frage in den Blick, was glücklich macht, und setzte neue Standards in der Psychotherapie: weg vom Stigma des kranken Patienten, hin zum Bild des grundsätzlich gesunden Menschen, der entscheiden kann, sich in der eigenen Persönlichkeit zu entwickeln. Der Jung’sche Einfluss auf Verfahren und Schulen ist nicht von der Hand zu weisen. Er zeigt sich darin, die stärkenden und positiven Aspekte menschlicher Erfahrung in den Fokus zu stellen. So sind Strömungen wie die Positive Psychologie, die moderne Resilienzforschung oder die Salutogenese ohne Jungs Werk kaum zu denken.

       Hochaktuelle Ansätze und Ideen

      Aus unserer Sicht bieten Carl Gustav Jungs Ideen hochaktuelle Hinweise für ein gelingendes Leben und durchaus auch für eine moderne Unternehmensführung:

      imageJungs grundsätzliche Annahme eines reifen, erwachsenen Menschen, der aus innerer Freude lernt und Neuem begegnet, könnte den Umgang mit Veränderung im Unternehmen revolutionieren.

      imageSeine Erkenntnisse zu überkulturell und überreligiösen menschlichen Erfahrungen gewinnen in einer globalisierten Welt an Bedeutung.

      imageJung sprach bereits über lebenslanges Lernen, als es gemeinhin hieß: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Moderne bildgebende Verfahren beweisen heute, dass Jung recht hatte. Dieses Wissen in einer demografisch immer älter werdenden (Arbeits-)Welt auch unternehmerisch gewinnbringend zu nutzen, wird in Zukunft ein Wettbewerbsvorteil sein.

      imageJungs Ansatz, sich den eigenen Schatten, also ungeliebten Persönlichkeitsaspekten, zuzuwenden und an ihnen zu reifen, statt sie zu unterdrücken, wird heute von jeder modernen Präventionsmaßnahme gestützt. Den Aufruf, sich fernab von Selbstoptimierung dem eigenen Lebenssinn neugierig zu nähern, halten wir für das klügste Mittel auf dem Weg zur Weisheit.

      Die Geister haben sich schon immer an Carl Gustav Jung geschieden und er hätte womöglich seine Freude daran, dass dies auch im 21. Jahrhundert noch der Fall ist. In unserer täglichen Arbeit mit Insights Discovery® haben wir jedoch immer wieder den Eindruck, dass die Universalität seiner Erkenntnisse mit der Menschheit „mitzuwachsen“ scheint und sowohl auf Individuen als auch auf ganze Kulturen eine nachhaltige Wirkung hat.

Carl Gustav Jung legte mit seinem Werk „Psychologische Typen“ den Grundstein für moderne Diagnose-Instrumente. Seine Ansätze waren zu seiner Zeit revolutionär und bereiteten den Boden für viele moderne Schulen, die positive Aspekte der menschlichen Psyche in den Fokus stellen. image

       1.3Persönlichkeitsmodelle

      Die Persönlichkeit des Menschen hat viele Facetten. Stellen Sie sich diese Persönlichkeit wie eine aufgeschnittene Zwiebel mit mehreren Schichten vor. Die äußere Schicht stellt unsere Wirkungs- und Wahrnehmungskompetenz dar, darunter folgt die Schicht des Verhaltens. Noch tiefer in unserer Persönlichkeit verwurzelt sind unsere Werte. Im „Kern“ unserer Persönlichkeit stecken schließlich unsere Lebensmotive bzw. die Bedürfnisse, nach deren Erfüllung wir streben.

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      Die Schichten wirken jeweils von innen nach außen. Persönliche Motive sind in jedem Menschen verankert, allerdings unterschiedlich stark oder schwach ausgeprägt. Sie nehmen – neben der Erziehung, der Kultur und der Gesellschaft, in der wir leben, sowie den Erfahrungen und Erlebnissen, die wir machen – Einfluss auf unser Wertesystem. Sowohl die intrinsische Motivation als auch die Werte beeinflussen unsere Verhaltenspräferenz, die bevorzugte Art und Weise, uns zu verhalten. Sie nimmt schließlich Einfluss auf unsere Wirkungsund Wahrnehmungskompetenz – die Art und Weise, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen und auf sie wirken.

      Es gibt zahlreiche Persönlichkeitsanalysen, die Fähigkeiten, Denkstile, Kompetenzen usw. messen (einen Überblick über die derzeit bekanntesten Persönlichkeitsanalysen, ihre Anwendungsfelder sowie den individuellen und unternehmerischen Nutzen finden Sie im Handbuch der Persönlichkeitsanalysen, 2015). Im vorliegenden Buch widmen wir uns ausschließlich den Verhaltenspräferenzen auf der Grundlage von Insights Discovery®.

       Der Nutzen von Persönlichkeitsanalysen

      Ist es wirklich sinnvoll, in Persönlichkeitsanalysen zu investieren? Spiegeln die Ergebnisse aus den Analysen nicht ohnehin das wider, was wir instinktiv schon wussten? Tatsächlich ist das häufig der Fall. Was die Tools aber so wertvoll macht: Sie fassen das, was Menschen bis dahin nicht benennen konnten, in verständliche Worte und können eine wertvolle Hilfestellung sein, wenn wir uns fragen: „Wer bin ich? Wer bist du? Wer sind wir?“ Die Erkenntnisse können Menschen dabei helfen, sich persönlichkeitsorientiert weiterzuentwickeln. Der Einsatz von Persönlichkeitsanalysen hat somit mehrere Vorteile:

      imagePersönliche Relevanz: Der Mensch beschäftigt sich bei einer Persönlichkeitsanalyse mit seiner individuellen Persönlichkeit. Da die Analyse allein auf seiner Einschätzung beruht, ist in der Regel eine deutlich größere Offenheit für die Auseinandersetzung mit eigenen Verhaltensmustern vorhanden. Antworten auf Fragen wie zum Beispiel „Was macht mich aus? Wie ticke ich?“ bieten ihm die Chance, sich selbst besser zu verstehen und sich da, wo es ihm attraktiv erscheint, gezielt weiterzuentwickeln.

      imageObjektivität: Die Ergebnisse basieren nicht auf dem „Bauchgefühl“ der Führungskraft oder des Mitarbeiters, sondern auf wissenschaftlichen Daten. Die Versachlichung hilft dabei, einen Zugang zum Thema zu finden.

      imageValidität und Reliabilität: Eine stabile und nachgewiesene Qualität in der Erhebung und Auswertung der Daten führt zu Akzeptanz im Einsatz von Diagnoseinstrumenten.

      imageHohe Verständlichkeit: Diagnostische Instrumente bieten einen Rahmen, um über Fragen wie „Wer bist du? Was zeichnet dich aus? Wie können wir deine Stärken für das Erreichen gemeinsamer Ziele nutzen?“ nachzudenken und verständliche Antworten zu formulieren.

      Ob im Rahmen einer Teamentwicklung, eines Change-Prozesses oder als Basis für ein Coaching – Persönlichkeitsanalysen lassen sich in Unternehmen vielseitig und gewinnbringend einsetzen. Sie unterstützen Menschen dabei, sich gegenseitig besser zu verstehen. Das Verständnis, dass Menschen unterschiedlich ticken und genau aus dieser Diversität viele Chancen