Susanne Klein

Rein in die Führung


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Nachdem sie einmal gelernt hatten, wie sie mit den richtigen Tools umgehen mussten, haben sie die Fähigkeit verloren, diese Tools abzulegen und sich selbst zu retten. Sie waren sicher bis zum Schluss davon überzeugt, dass nur ihre Tools sie retten können.

      Gefährliches skriptkonformes Verhalten

      In vielen Bereichen gibt es Beispiele für unflexibles, skriptkonformes Handeln, das zu Katastrophen führen kann. Viele kommen aus der Flugsicherung. Wenn ein Offizier auf einem Flugzeugträger davon überzeugt ist, dass eine kleine überflüssige Schraube auf dem Deck keine große Sache ist – eben nur eine kleine Schraube –, dann lässt er sie achtlos liegen und handelt skriptkonform. Er erwartet keinen Unfall und kümmert sich nicht um die kleine Schraube. Wenn diese Schraube später aber in einen Jetmotor kommt und das zu einer Explosion führt, dann ist das keine kleine Sache mehr und der Offizier hat hoffentlich etwas gelernt. Im schlechtesten Fall wird er andere Gründe für die Explosion anführen, um sein Skript: »Eine Schraube ist keine große Sache« zu verifizieren.

      Flexibilität und Lernbereitschaft gefragt

      In sicherheitsrelevanten Bereichen, in denen man gut beobachten kann, was welche Auswirkungen hat, sind Menschen häufig sehr flexibel und lernfähig. Sie behalten den offenen Fokus und damit die Neugier auf optimale Prozesse. In vielen Bereichen des Managements ist das anders. Hier gibt es oft nur Hypothesen darüber, was das Unternehmen zum Erfolg geführt hat. Realitäten können hier viel einfacher und länger ausgeblendet werden.

      Sie merken schon, wir sind wieder bei dem Thema »Flexibilität im Denken und Handeln« angelangt. Mit viel Neugier bleibt man eher flexibel. Und das macht eine Menge aus. Es gibt die Kraft, die Dinge immer wieder neu zu betrachten und immer weiter dazuzulernen. Auch das wurde im Golftraining schon erkannt: Eine gute Performance hängt davon ab, ob ein Lernen mit Spaß stattfindet. Sonst geht sie merklich zurück – denken Sie an das Call-Center-Beispiel.

      Gefühlte Kontrolle

      Kontrolle: meistens eine Illusion

      Wenn wir etwas gerne tun, spielt sich oft Folgendes ab: Wir arbeiten unter Einsatz unserer Kompetenz an der Grenze zur Überforderung, haben aber die Dinge »gefühlt« immer noch unter Kontrolle. Ich spreche hier deshalb von gefühlter Kontrolle, da es nicht viel im Leben gibt, was wir tatsächlich kontrollieren können – auch wenn wir uns das sehr wünschen und Tools nutzen, die uns das Gefühl geben, es wäre so. Ein kleiner Ausflug in das Thema Kontrolle?

      Gehirnforscher stellen heutzutage immer wieder die Autonomie des Menschen infrage. Wolf Singer drückt es beispielsweise so aus: »Keiner kann anders, als er ist. Verschaltungen legen uns fest: Wir sollen aufhören, von Freiheit zu reden.« Bei Gerald Hüther hört sich das so an: »Wir tun nicht, was wir wollen, wir wollen, was wir tun.« Auch nett. Und damit stößt er uns unsanft aus dem Paradies des Managements – aus dem Gefühl, Komplexität kontrollieren zu können. Wir werden offensichtlich viel stärker durch unsere eigene Hard- und Software gesteuert, als uns lieb ist.

      Die wahren Entscheidungsebenen

      Sie entscheiden sich beispielsweise, eine Tasse Kaffee zu trinken. Das ist Ihre eigene Entscheidung – glauben Sie. Hirnforscher sehen das anders. Ihre Entscheidung wird Ihnen erst am Schluss des Prozesses bewusst. Wenn Sie denken: »Ich möchte gerne eine Tasse Kaffee trinken«, dann ist der Entscheidungsprozess bereits gelaufen. Abgeschlossen. Völlig ohne Ihren bewussten Einfluss. Befremdlich, aber wahr. Gerade bei lustverschaffenden Dingen im Leben läuft der Entscheidungsprozess auf einer anderen Ebene. Keinesfalls bewusst. Also wollen wir das, was andere neuronale Ebenen für uns längst entschieden haben, und nicht umgekehrt: Wir wollen eben, was wir tun. Wir entschließen uns nicht aktiv dazu.

      Aber es gibt doch die Erfahrung, frei wählen zu können – oder? Ja und nein. Das Gefühl existiert schon, denn letztendlich lebt es uns und nicht wir das Leben. Staunen und Dankbarkeit liegen hier näher als der Wunsch nach Kontrolle.

      Wo waren wir stehen geblieben? Bei Leidenschaft, Freude und Energie. Nun, da Sie wissen, es lebt Sie und die Entscheidungen werden zum großen Teil in anderen Instanzen getroffen (die Sie nicht im Griff haben), können Sie sich doch ganz frei fühlen und das Leben genießen, oder? Genießen Sie auch Ihre Arbeit und trifft Ihre Kompetenz am oberen Limit auf die Aufgaben, dann fühlen Sie eine positive Herausforderung und sind in dem Bereich, den Mihály Csíkszentmihályi als »Flow« bezeichnet. Hier kann sich Leidenschaft entwickeln, hier halten Sie genau die richtige Menge an Fokus und an Energie und bringen Ihre Projekte erfolgreich zum Ende. Es braucht keine Anstrengung und Sie haben das Gefühl, stundenlang in diesem Zustand arbeiten zu können.

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      Fokus und Energie in voller Ausprägung machen dies möglich. Das gelingt nicht, wenn eines fehlt: der Spaß an der Sache und damit die Energie oder der Fokus.

      Energie 2: Experimentier- und Risikofreude

      Chancen für junge Führungskräfte

      Verschiedene Studien zeigen es immer wieder: Die jungen Führungskräfte oder High Potentials, die ihren Weg an die Spitze machen, sind besonders experimentier- und risikofreudig. Sie haben schlichtweg keine Angst, einen Fehler zu machen, sondern suchen immer wieder nach ungewöhnlichen Lösungen, die sie ausprobieren. Das hat vor allem das Projekt »Kids-Management« in Osteuropa gezeigt. Junge Führungskräfte übernahmen dort große Verantwortung und entwickelten auf ihre Weise aktiv die Wirtschaft ihres Landes.

      In dem Wissen, dass nicht alle Risiken kalkulierbar sind und nicht im Voraus betrachtet werden können, haben diese jungen Führungskräfte ihre Chancen genutzt. Gleichzeitig haben sie Strategien, die sich nicht als erfolgreich erwiesen, auch wieder verlassen. Wenn sie sich einmal für einen Weg entschieden hatten, war dieser für sie nicht »in Stein gemeißelt«. Sie blieben flexibel und schauten sich genau an, welche Maßnahmen welche Erfolge brachten: kurzfristig wie langfristig.

      Risiken als Herausforderungen

      Der Coach und Unternehmensberater Lee Sears konnte in einer Interviewstudie mit jungen Führungskräften zeigen, was diese erfolgreich macht. Er beobachtete sie über viele Jahre und fand Kriterien, die den Erfolg maßgeblich steuern. Eines davon war der Umgang mit dem Risiko. Die erfolgreichen Führungskräfte waren eher Entrepreneure als Angestellte. Sie hatten Spaß an Neuem. Bei ihnen war die Neugier größer als die Angst vor dem Ungewohnten. Das Risiko, das ihre Entscheidungen bargen, spielte für sie keine allzu große Rolle. Das Wort »Risiko« benutzten sie selbst nicht. Ihre Haltung war eher von einer großen Improvisationsfähigkeit geprägt und zeigte sich in Aussagen wie »Let’s try« – lass es uns einfach versuchen. Alles, was neu war, fanden sie spannend und auch Schwierigkeiten sahen sie eher als Herausforderung denn als Blockade.

      Sich auf die Intuition verlassen

      Die relative Bedeutung von Daten

      Der Autor David Dotlich und seine Kollegen vertreten die Auffassung, dass die Fähigkeit, auch ein kalkuliertes Risiko in Kauf zu nehmen, sehr wenig mit einer angemessenen Datenlage zu tun hat. Wie ein Ingenieur vorzugehen, ist manchmal müßig. Bis alle relevanten Daten gefunden und ausgewertet sind, ist das kritische Zeitfenster vielleicht schon abgelaufen. Nach Meinung der Autoren spielen Faktoren wie Intuition und Beliefs (Glaubenssätze) eine weitaus wichtigere Rolle. Sind die Beliefs unangemessen und die Intuition falsch, geht die Entscheidung schief. Oft aber werden sehr gute Entscheidungen ohne signifikante Datenlage getroffen. Die Autoren beschreiben sogar die Situation, dass eine Datenlage eigentlich eine bestimmte Entscheidung notwendig machen würde. Das Management weiß aber mit jeder Pore seines Körpers, dass diese Entscheidung falsch sein würde. Dieses Gefühl legt einfach eine andere Entscheidung nahe. Das relativiert die Bedeutung von Daten erheblich.

      Oft sind die relevanten Daten sehr schnell veraltet und man kann mit den Daten von gestern schlecht eine Entscheidung für morgen treffen. Wie so oft liegt die gute Balance in der Mitte: so oft wie möglich verlässliches Datenmaterial verschaffen und gleichzeitig die Intuition nicht vernachlässigen. Außerdem kann die Intuition durch konsequente Perspektivwechsel unterstützt werden: Wie sieht das aus Kundensicht aus?