Dirk W. Eilert

30 Minuten Mimik lesen


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zur Mimik ist Körpersprache größtenteils erlernt und kulturabhängig. Je nachdem, in welchem Land Sie sich befinden, sind körpersprachliche Signale also jeweils anders zu verstehen. So bedeutet zum Beispiel bei uns der erhobene Daumen so viel wie „super“. In Thailand hingegen drückt man damit aus, dass man wütend auf jemanden ist. Und in Lateinamerika stellt er sogar eine Beleidigung dar.

      Über 100 Studien haben bewiesen, dass es sieben Basisemotionen gibt, die von allen Menschen weltweit und kulturübergreifend gleich in der Mimik ausgedrückt werden. Dabei handelt es sich um: Angst, Überraschung, Ärger, Ekel, Verachtung, Trauer und Freude.

      1.2 Mimik bildet Emotionen konkret und komplett ab

      Zu der soliden wissenschaftlichen Grundlage kommt hinzu, dass an keinem anderen Körperbereich Emotionen so deutlich und konkret werden wie im Gesicht. Die übrige Körpersprache (wie Körperhaltung, Gestik und Blickverhalten) hat zwar einen zusätzlichen Einfluss darauf, wie Emotionen nonverbal ausgedrückt werden – manche Gefühle zeigen sich auch an einer Bewegung des Körpers nach vorn (z. B. Ärger) oder an einem Zurückweichen (z. B. Angst) –, aber nur die Mimik kann ohne weitere Zusätze das volle Spektrum unserer Emotionen abbilden. Während uns also das Gesicht verrät, welche konkrete Emotion jemand gerade spürt, ist die Körpersprache hier weniger genau.

      Das Gesicht ist sozusagen das im Mittelpunkt stehende Soloinstrument einer Symphonie. Es kann die Melodie eines Musikstückes allein tragen und die anderen Instrumente unterstützen es dabei. So kann die Mimik zum Beispiel allein Trauer oder Angst ausdrücken. Meist wird sie dann im Ausdruck durch die Körpersprache unterstützt und die dadurch übermittelte Emotion noch deutlicher.

      Nur die Mimik kann ohne weitere nonverbale Signale das volle Spektrum unserer Emotionen trennscharf ausdrücken. Die Körpersprache ist hier weniger konkret.

      1.3 Mimik ist schneller als der Verstand

      Die menschliche Mimik ist ein duales System: Auf der einen Seite gibt es Gesichtsausdrücke, die wir bewusst steuern können, und auf der anderen Seite gibt es Expressionen, die sich unserer bewussten Kontrolle entziehen.

      Studien mit Patienten, die Schädigungen in bestimmten Gehirnarealen haben, belegen dies auf dramatische Weise. Liegt eine Schädigung im pyramidalen System vor (dieses steuert hauptsächlich unsere willentlich ausgeführten Bewegungen), können Betroffene zum Beispiel nicht mehr lächeln, wenn sie darum gebeten werden. Hören sie aber einen Witz, den sie lustig finden, lächeln sie unwillentlich. Mimik wird also gleichzeitig von zwei Bereichen in unserem Gehirn gesteuert: bewusst über die motorische Rinde und unbewusst über das Emotionszentrum (limbisches System).

      „Mimischer Draht“ zum limbischen System

      Das limbische System ist ein evolutionär sehr alter Teil des Gehirns, der sich aus verschiedenen Strukturen zusammensetzt (zum Beispiel Amygdala und Hippocampus) und als Zentrum unserer Emotionsverarbeitung gilt.

      Um unser Überleben bei Gefahren zu sichern, hat es die Natur so eingerichtet, dass unser limbisches System Außenreize ca. 500 Millisekunden schneller als unser Großhirn verarbeitet. Die direkte Verdrahtung des limbischen Systems mit der mimischen Muskulatur führt deshalb dazu, dass es zu spontanen Gesichtsausdrücken kommt (Mikroexpressionen), die schneller als 500 Millisekunden sind und sich unserer bewussten Kontrolle entziehen.

      Die mimische Muskulatur ist direkt mit dem limbischen System (Emotionszentrum) verdrahtet. Da das limbische System Außenreize ca. 500 Millisekunden schneller als das Großhirn verarbeitet, kommt es auf diese Weise zu sehr schnellen, unwillentlichen Gesichtsausdrücken (Mikroexpressionen).

      1.4 Es gibt kein Pokerface

      Mitte der 1960er-Jahre – ungefähr zur gleichen Zeit, als Ekman sich auf seinen Forschungsreisen befand – entdeckten die beiden Psychologen Ernest A. Haggard und Kenneth S. Isaacs mehr oder weniger durch Zufall die Mikroexpressionen. Als sie sich auf Video aufgezeichnete Psychotherapie-Sitzungen in Zeitlupe ansahen, entdeckten sie die sehr schnellen Gesichtsausdrücke bei den Patienten – Gesichtsausdrücke, die für gerade einmal 150 Millisekunden auftauchten und sofort wieder verschwanden.

      Fasziniert von ihrer Entdeckung beforschten Haggard und Isaacs die Mikroexpressionen weiter und fanden heraus, dass sie meistens in Situationen über das Gesicht huschten, in denen der verbale Inhalt des Gesagten der Botschaft der Mikroexpression widersprach. Der Patient sagte also zum Beispiel, dass es ihm gut ginge, zeigte dabei aber eine Mikroexpression von Verzweiflung im Gesicht. Einige Jahre später beforschte Ekman die Mikroexpressionen weiter und entdeckte sogar Ausdrücke, die eine Dauer von lediglich 40 Millisekunden hatten.

      Was sind Mikroexpressionen?

      Mikroexpressionen sind sehr kurze, unwillentliche und emotional ausgelöste Gesichtsausdrücke, die sich nur für Sekundenbruchteile zeigen (40 bis 500 Millisekunden). Sie treten in emotional hoch aufgeladenen Situationen auf und sind nach aktuellem Stand der Forschung typischerweise Signale von Gefühlen, die man eigentlich verheimlichen möchte oder die einem (noch) nicht bewusst sind.

      Da Mikroexpressionen direkt vom Emotionszentrum in unserem Gehirn (limbisches System) ausgelöst werden, unterliegen sie nicht unserer bewussten Kontrolle. Mimik lässt sich somit nicht vollständig kontrollieren. Ein Pokerface gibt es also theoretisch erst ab einer Dauer von 500 Millisekunden. Aber selbst bei länger andauernden Gesichtsausdrücken – den sogenannten Makroexpressionen – ist eine Kontrolle nur eingeschränkt möglich. In einer Studie konnten Probanden der direkten Anweisung, zum Beispiel nicht die Augenbrauen hochzuziehen oder nicht zu lächeln, nur in geringem Maße nachkommen.

      Der richtige „Blick“

      Um Mikroexpressionen wahrzunehmen, müssen Sie sehr aufmerksam sein. Aber wie guckt man am besten, um diese sehr schnellen Mikroexpressionen zu erfassen? Dafür hat sich das periphere Sehen bewährt. Der Blick ist dabei entspannter und weicher als beim Fixieren eines Objektes.

      Damit Sie einen Eindruck davon bekommen, was peripheres Sehen ist, hier eine kleine Übung:

      Stellen Sie sich bitte aufrecht hin und strecken Sie die Arme vor dem Körper aus. Heben Sie dabei die Daumen an. Die Daumen sollten sich auf Augenhöhe befinden. Nun bewegen Sie die Arme langsam seitlich auseinander und wackeln dabei mit den Daumen. Versuchen Sie, beide Daumen im Blick zu behalten – ohne dabei die Augen zu bewegen. Wie weit können Sie Ihre Arme zur Seite bewegen und noch beide Daumen sehen?

      Sie werden überrascht sein, wie weit das möglich ist. Und genau das ist peripheres Sehen: Ihr Blick ist geradeaus gerichtet und trotzdem nehmen Sie die Umgebung noch wahr. Machen Sie diese Übung regelmäßig, um Ihre Fähigkeit des peripheren Sehens zu trainieren.

      Die Augen auf Geschwindigkeit trainieren

      Da Ihre Augen von Natur aus Informationen sehr schnell verarbeiten können, braucht es neben dem peripheren Sehen nur ein wenig Training in Geschwindigkeit, um Ihre Wahrnehmung für Mikroexpressionen zu erweitern. Die folgende Übung unterstützt Sie dabei.

      Die Fotoapparat-Übung

      Sie brauchen für diese Übung zwei Übungspartner. Die Übungsteilnehmer werden nachfolgend als A, B und C beschrieben.

       A trainiert seine Wahrnehmung und beobachtet.

       B trainiert die Flexibilität seiner Mimik.

       C ist „Rhythmus-Geber“.

      Ablauf:

      1 A und B stehen so voreinander, dass sie jeweils das Gesicht des anderen gut sehen können.

      2 C steht neben A und legt eine Hand auf As Schulter.

      3 B macht ein neutrales Gesicht. A schaut sich das Gesicht mit peripherem Blick an und prägt es sich ein.

      4 A