Barbara Messer

Das pure Leben spüren


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der kleine Elektropüster leise klickt, schlafen wir später ein. Und werden immer wieder wach.

      Dieses Wetter in der Nacht zeigt uns wieder einmal unsere Zerbrechlichkeit und Nähe zur Natur und zu den Elementen. Mit beginnendem Hagel wird es noch schlimmer. Laut prasselt er aufs Dach, wir liegen quasi wenige Zentimeter unter den auftreffenden Hagel- und Eiskörnern und hören ihr Hüpfen und Springen. Wetter hautnah – an Schlaf ist nicht zu denken. Denn nur die dünne Kunststoffhaut schützt uns vor den Wettern.

      Solch eine Nacht macht müde. Der fehlende Schlaf zieht sich – erfahrungsgemäß – in den nächsten Tag.

      Aber Nächte wie diese gehören eben dazu. Sie lassen mich die Kostbarkeit der anderen Nächte noch mehr schätzen.

      WIE ALLES BEGANN – DU MUSST ES IHR SAGEN!

      »Du musst es ihr sagen, sonst ist es unfair!« Mahnend sieht mich meine beste Freundin Christina an.

      Ich schüttele den Kopf. »Nein, das macht sie ganz verrückt, wenn ich es ihr jetzt schon erzähle.«

      Christina lässt nicht locker. »Barbara, sag es ihr. Du musst mit ihr reden, auch wenn du denkst, sie versteht dich nicht. Sie wird wissen, was du meinst.«

      »Christina, ja, lass mal gut sein, ich weiß schon, wie ich das mache.«

      Erst auf dem Rückweg nach Hause merke ich, dass mich ihre Worte berührt haben. Wie das Klopfen in einem hohlen Zahn mahnen sie mich. »Christina hat recht«, denke ich. »Es ist an der Zeit, mit ihr zu reden.« Also fasse ich mir gleich noch an diesem frühen Sommerabend ein Herz und stelle mich darauf ein, meiner Katze heute die Wahrheit zu sagen.

      Noch bevor ich die Haustür ganz aufmache, streicht Hexe mir schon um die Beine. Sie folgt mir durch den Flur ins Esszimmer, setzt sich erwartungsvoll auf den Tisch und wartet, als ob sie wüsste, dass jetzt etwas kommt. Ihr siebter Sinn eben.

      Ich fasse allen Mut zusammen, schaue sie an und beginne zu erzählen: »Hexe, wir reisen bald. Wir packen viele unserer Sachen in ein großes Auto, alles andere wird aussortiert, verstaut, verkauft und verschenkt. Und dann verlassen wir das Haus hier. Für ein paar Monate, vielleicht auch für länger. Auf unbestimmte Zeit eben.«

      Meine Katze starrt mich an – ich habe keine Ahnung, was sie denkt. Empfindet sie Abenteuerlust oder eher Wehmut, vielleicht sogar Angst? Dass sie mich versteht, daran habe ich – genauso wie Christina – allerdings nicht den geringsten Zweifel.

      Unsere Kommunikation war bisher immer einkanalig. Ich spreche mit Hexe, sie hört zu und antwortet dann in Katzensprache.

      Ich selber bin ja innerlich ganz gemischt – weiß ich doch noch nicht, was das alles bedeuten soll. »Vorher weiß man’s nie,« tröste ich mich.

      TAUFE

      Pünktlich zum Ende des Trainingstages sehe ich das erste Mal das »große Schiff«, unser zukünftiges Zuhause, die Straße entlangfahren. Jetzt ist es genug – meine Geduld hat ihre Aufgabe ausreichend erfüllt. Als wäre ich über Stunden festgehalten gewesen, laufe ich aus dem Seminarraum auf den Hofplatz vor dem Hotel. Lachend und stolz zugleich sehe ich N. am Steuer des neuen Wohnmobils sitzen, sehe, wie sie auf mich zufährt.

      Was für ein besonderer, aufregender Moment.

      Alle sind plötzlich da, die Teilnehmer, meine Trainerkollegin für diese Woche und auch die Mitarbeiter der Hotelrezeption, die schon eingeweiht waren. Da stehen wir nun und betrachten mein neues, rollendes Zuhause.

      Wir holen Sekt, ich ergreife noch mein neues Buch, welches heute auch mit der Post vom Verlag kam, und dann wird alles zusammen begutachtet, betrachtet, angeschaut und mit Sekt begossen – das neue Buch und die neue Heimat! Doppelte Freude.

      Das Ende des Trainingstages verlegen wir alle gemeinsam in das Wohnmobil. Es wird schnell eng, die Teilnehmer dieser Seminarwoche kommen aus aller Herren Länder, und alle wollen dabei sein. Die Männer interessieren sich vorzugsweise für die Technik an Bord – Motor, Pumpen, Dusche etc. N. gibt eine Führung, Badezimmer, Küche und Gepäckraum. Alle berichten von ihren Assoziationen, zwischendrin lese ich etwas aus dem Buch vor, mit einfachen Worten übersetze ich ins Englische, unsere gemeinsame Sprache. Wie einfach es uns allen miteinander gelingt, diese Zeit so intensiv zu erleben. Jeder bringt etwas mit und trägt dazu bei:

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      »Das ist aber wirklich eng!«

      »Aufregend, das möchte ich auch – einfach weg!«

      »Wow, so viel Platz für dein Trainingsmaterial!«

      »Und wo schläft die Katze?«

      »Die Dusche ist doch super.«

      »Ich würde am liebsten mitkommen.«

      »Kommt ihr bei uns vorbei?«

      Ein wunderbarer Abend, der sich in mein Erinnerungsalbum des Lebens tief eingräbt. Mich berührt es, wie leicht es ist, die Menschen so nah in mein Leben zu lassen – da brauche ich nichts vorzumachen. Es entsteht schnell Nähe im Miteinander, was ich mag.

      Danach nehmen N. und ich uns einen Moment Zeit. Das Wohnmobil steht mittlerweile an der Straße vor dem Hotel, wir setzen uns daneben und schreiben all die Wünsche auf, die wir uns damit erfüllen möchten. Ein DIN-A-3-Blatt voller Wünsche und Träume. Und dann taufen wir das Wohnmobil auf den Namen Maggy. Maggy – der zweite Vorname meiner Tochter ist Margarete, wie der zweite Vorname meiner Mutter. Und somit wird dieser Name, der die Bedeutung Perle hat, noch einmal weitergeführt. Eine zweite Flasche muss an diesem Tag herhalten, aber der meiste Sekt läuft eh über die Fronthaube.

      LOSLASSEN UND WEGGEBEN

      Ich löse meinen Haushalt auf, verabschiede mich von zahllosen Dingen. Nicht einfach, aber es hilft mir, Dinge an Menschen zu geben, die ich mag. So habe ich das Gefühl, sie können dort gut weiterleben.

      Anderes verkaufe ich mit Freude und Spaß. Dazu gehören mehrere Samstagmorgenflohmärkte in Hannover am Leineufer. Dort kann ich sehen, mit welcher Freude sich Kinder oder auch Erwachsene bestimmte Dinge aus meinem dort auf den ausgeklappten Tapetentischen präsentierten Fundus aussuchen. Dadurch gewinne ich eine Vorstellung, was sie damit machen oder wozu sie dies und das gebrauchen können.

      Meinen großen Stofftierhai bekommt ein Kind, welches diesen gar nicht mehr loslassen will. Die vielen Tassen, die sich in vielen Jahren bei mir angesammelt haben, leben jetzt in anderen Küchen weiter.

      Besondere Höhepunkte dieses Loslass-Prozesses sind die beiden Hausflohmärkte, die ich veranstalte.

      Der erste wird noch recht holprig; ich habe keine Ahnung, wie ich einen solchen Verkauf über drei Etagen und gut sieben Räume managen soll. Beim zweiten ist es einfacher, zumal auch die Zimmer schon leerer sind. Viele Nachbarn sind beim zweiten Mal dabei, sie suchen sich ganz bewusst Dinge aus, und ich kann sie dadurch gut hergeben, auch mein Bett zum Beispiel.

      Manches landet auch auf dem Recyclinghof in den Containern oder im Sperrmüll. Anderes gebe ich ins Soziale Kaufhaus. Das hilft Menschen, die sich keine neuen Möbel leisten können oder auch gar keine neuen Möbel haben wollen. Das gibt es ja auch noch – diese wunderbaren Taten, um dem steten Konsumwahn eins auszuwischen.

      Ein ganz besonders schöner Schritt ist die Auswahl der Dinge, die mit ins Wohnmobil kommen sollen. Welche Alltagsgegenstände, welche Erinnerungen, wie z. B. Fotos, können mit und können dort auch so angebracht oder untergebracht werden, dass sie ihre angenehme und wohltuende Wirkung verbreiten können? Was wird eingelagert?

      Einlagern – ein großes Stichwort. Da ich noch nicht genau weiß, wie lange ich wirklich unterwegs sein werde, weiß ich auch nicht wirklich, wie ich das mit dem Einlagern der absolut wichtigen Möbel und Dinge machen soll. Bleibe ich drei Monate, ein halbes Jahr oder sogar ein ganzes?