ceteris contumeliosissimum fuit, laudatum quoque ex quattuor tribunalibus memini.
Ähnlich wie Plinius in seinem Brief liefert auch Quintilian eine Ekphrasis der Akustik in der Basilica Iulia (vgl. clamoribus – clamorem…clamor; auditum – audisse…audit)92 und erinnert sich hier an eine Szene, die er dort offenbar selbst miterlebt hat (memini); Plinius wiederum erinnert sich (memini) an eine Erzählung seines Lehrers, wobei das Hören in diesem Kontext eine besonders wichtige Rolle zu spielen scheint: Plinius hat von Quintilian gehört (9: audisse), was der Redner Domitius Afer im Zentumviralgericht gehört hat (10: audit).
Die Erzählung Quintilians in Epist. 2,14Plinius der JüngereEpist. 2.14 weist folgende Struktur auf: Eine kurze Exposition (10: adsectabar Domitium Afrum) leitet zum ersten Akt des kleinen Dramas vor Gericht über (cum apud centumviros…repetit, quod abruperat), in dem von Afers Rede, ihrer ersten Unterbrechung durch benachbartes Lärmen und ihrer Wiederaufnahme erzählt wird. Der zweite Akt, in dem sich die Handlung des ersten wiederholt, zeichnet sich durch gesteigerte Kürze der Narration aus (iterum…coepit), die im dritten Akt sogar noch überboten wird (11: idem tertio).93 Zum Schluss fragt Afer als interner Sprecher zweiten Grades, wer der andere Redner sei, bricht sein Plädoyer ab, nachdem er die Antwort vernommen hat, und konstatiert in direkter Rede, dass es nun vorbei sei mit der Kunst der Beredsamkeit. Mit Afers Worten endet auch die Erzählung Quintilians.
In der Zeit Afers habe, so fährt Plinius fort, der Verfall der Beredsamkeit eigentlich erst eingesetzt (12: perire incipiebat), jetzt hingegen sei der Tiefpunkt erreicht (nunc vero prope funditus exstinctum et eversum est)94 – diesen Befund malt Plinius in satirischer Anschaulichkeit aus, wenn er die fracta pronuntiatio der jungen Redner, die teneri clamores ihrer Zuhörer (12) sowie das verweichlichte und theatrale Gebaren verspottet (13): plausus tantum ac potius sola cymbala et tympana illis canticis desunt; ululatus quidem (neque enim alio vocabulo potest exprimi theatris quoque indecora laudatio) large supersunt. Die Wortwahl an dieser Stelle legt nahe, dass Plinius Ovids Darstellung der Mänaden, die den Gesang des Orpheus mit ihrem Lärmen übertönen, evozieren will (Met. 11,15‒22)OvidMet. 11.15‒22:95
cunctaque tela forent cantu mollita, sed ingens clamor et infracto Berecyntia tibia cornu tympanaque et plausus et Bacchei ululatus obstrepuere sono citharae… | |
[…] | |
innumeras volucres anguesque agmenque ferarum maenades Orphei titulum rapuere theatri. |
Von den mythischen Wäldern Thrakiens, die das Theater für Orpheus’ Gesang bilden,96 hat sich das bacchantische Treiben bei Plinius in die Basilica Iulia verlagert, die mittlerweile den Schauplatz bietet für ein Verhalten, das sogar im Theater unangemessen wäre.97
Der indignierte Ton, mit dem Plinius die jungen Redner seiner Zeit sowie deren Gefolge verspottet, steht in auffälligem Kontrast zum Enkomion auf den Redner Isaeus in Epist. 2,3Plinius der JüngereEpist. 2.3. Die beiden Briefe sind. m.E. aufeinander bezogen,98 da sie sich auch in ihrer Struktur stark ähneln: In Epist. 2,14Plinius der JüngereEpist. 2.14 kritisiert Plinius zunächst die adulescentuli obscuri (2‒4a) und dann ihr gemietetes Publikum, das nur für Geld applaudiert (4b‒13); eine Anekdote über Larcius Licinus und Domitius Afer (9‒11) soll die Argumentation veranschaulichen. Demgegenüber steht in Epist. 2,3 das Enkomion auf Isaeus (1‒7), der sich an großem Ruhm erfreut (1: magna fama), bereits sechzig Jahre alt ist (5) und dessen sermo Atticus (1) sich von dem asianischen Gebaren abhebt, das Redner und Zuhörer in Epist. 2,14 an den Tag legen. Im zweiten Teil des Briefes 2,3 steht dann das Motiv des Zuhörens im Zentrum, wenn Plinius seinen Adressaten Nepos99 dazu bewegen will, nach Rom zu kommen und Isaeus „live“ zu erleben (8‒11). Auch hier werden zwei Anekdoten eingestreut: Zunächst eine über einen Mann aus Gades, der nach Rom kam, nur um Livius zu sehen, und danach gleich wieder zurückkehrte (8),100 sowie die zuvor schon betrachtete Geschichte über Aischines und Demosthenes. Die beiden Briefe 2,3 und 2,14Plinius der JüngereEpist. 2.14 transformieren somit das rhetorische genus epideiktikon bzw. demonstrativum, das der antiken Theorie entsprechend aus Lob oder Tadel besteht,101 in einen epistolaren Kontext. Sie haben rhetorisches Können bzw. Unvermögen zum Inhalt und stellen ihrerseits als Texte das rhetorische Können ihres Verfassers zur Schau.Plinius der JüngereEpist. 2.14
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Buch 2 eine Galerie an Redner-Figuren aus post-domitianischer sowie „der guten alten“ Zeit liefert, zu denen sich Plinius auf verschiedene Weise in Bezug setzt: Eröffnet wird das Buch mit Tacitus als laudator eloquentissimus (2,1,6)Plinius der JüngereEpist. 2.1.6, gefolgt vom griechischen Konzertredner Isaeus, den Klassikern Livius, Aischines und Demosthenes (2,3)Plinius der JüngereEpist. 2.3, alsdann Plinius als Lobredner seiner Heimat (2,5)Plinius der JüngereEpist. 2.5, Tacitus und insbesondere Plinius selbst als Ankläger des Marius Priscus gegenüber dessen Verteidigern im Zentrum des liber (2,11‒12)Plinius der JüngereEpist. 2.11/12, ferner zeitgenössische Dilettanten und ihre Claqueure in der Tradition des Larcius Licinus, denen Quintilian und Domitius Afer gegenüberstehen (2,14) und schließlich wieder Plinius selbst (2,19)Plinius der JüngereEpist. 2.19. Auch M. Regulus, der im gesamten Korpus immer wieder als Kontrastfolie zu Plinius fungiert, geistert durch dieses Buch (2,11,22; 2,20Plinius der JüngereEpist. 2.20), wenngleich seine Tätigkeit als Redner hier eine auffallend untergeordnete Rolle spielt.
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