im Vordergrund. Und so weit wie möglich richtet sich der Blick innerhalb des Studiums auf die Möglichkeiten unternehmerischer Selbstständigkeit. In diesem Vorgriff auf die Anforderungsprofile des Erwerbslebens werden faktisch Anpassungen von Wunschvorstellungen an ökonomische Realitäten trainiert. Ebenso trainiert wird jener unternehmerische Ehrgeiz, der sie im Feld des freien und harten Wettbewerbs zu aussichtsreichen Kandidaten des wirtschaftlichen Erfolgs macht. Damit aber leisten sie einen wesentlichen Beitrag gerade zur Ausbildung einer Anpassungsmentalität an Herausforderungen, wie sie das Erwerbsleben nicht erst seit der Globalisierung zur Genüge branchenübergreifend kennt. Das Modell »Turbo-Student« schützt also nicht nur vor der Gefahr eines verspäteten Berufseinstiegs. Es könnte viele auf Bildung Setzende auch vor jenem freien Fall bewahren, der bis heute unzählige hochgebildete und überqualifizierte Akademiker in ganz Europa an den Bettelstab der staatlichen Fürsorge bindet. Vor diesem Hintergrund, so glauben wir, kann das viel zitierte Gespenst einer Ökonomisierung der Bildung seinen Schrecken verlieren – auch und gerade für die Befürworter traditioneller Bildungsauffassungen.
6. Der »industriöse« Turbo-Student oder wir Unternehmer
Wenn das Turbo-Studieren eines unmissverständlich zeigen kann und unter Beweis stellen muss, dann ist es die Fähigkeit, betriebsam, vollständig selbstverantwortlich, und das heißt unternehmerisch, zu agieren. Möglicherweise ist diese unumgängliche Tatsache auch dem einfach nach dem »Schema F« studierenden Normalstudenten bewusst. Legt man es jedoch gezielt auf Geschwindigkeit an und die Turbo- Mentalität zugrunde, funktioniert ein »Empowerment«-Studium wie ein Unternehmen – mit all den selbstverantwortlichen Organisationsund Managementaufgaben, all der Zielbesessenheit, die auch die freie Erwerbstätigkeit bestimmen.
Industriepädagogik des 18. Jahrhunderts kann Vorbild sein.
Durch unternehmerische Energie zu erreichen, was immer man sich vornimmt: Dieses Aktionsmodell hat historische Wurzeln, denn »industriös« im Sinn von »betriebsam« zu sein, deklarierte bereits die Pädagogik der Aufklärungsepoche als Leitforderung der Erziehung des Menschen. In Verbindung mit Fleiß und Ausdauer projektierte die sogenannte Industriepädagogik des 18. Jahrhunderts jene Ausrichtung der Erziehung und des Lernens, die gezielt auf Beruf und Arbeit vorbereiten sollten. Freude und Interesse am Erwerb anzuerziehen, stellte einen der wesentlichen Bestandteile dieser historischen Reformpädagogik dar, die strebsames und von sich aus aktives Tätigsein als Gegensatz des Müßiggangs etablierte.
Mit Blick auf die dynamisch sich verändernde Arbeitswelt von heute und die gewachsenen Anforderungen an Anpassung und Flexibilität mutet das Leitmodell des Turbo-Studenten geradezu wie eine modernisierte Variante dieser »industriösen« Einstellung des vorindustriellen Zeitalters an. Deren Geltung jedenfalls scheinen unsere postmodernen durchökonomisierten Arbeits- und Lebensverhältnisse eher zu bestätigen und zu verstärken als einzuschränken. Denn im historischen wie aktuellen Verständnis von »industriös« ging es und geht es immer darum, sich durch Betriebsamkeit und gezielte Aktivitäten unternehmerisch gerade dann zu behaupten, wenn die Umstände zur Entfaltung ungünstig oder scheinbar aussichtlos erscheinen. Damit ist nicht gemeint, dass das Studieren in der spezifischen Berufsqualifizierung aufgehen muss oder soll. Es geht vielmehr um den umsichtigen und in diesem Sinn vorausschauenden Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die im gesamten Berufsleben immer wieder einsetzbar sind.
Vor diesem historischen Hintergrund lässt sich das Leitbild des Turbo- Studenten als eine gegenwartsbezogene und zukunftsgerichtete Variante engagierter Selbstverwirklichung lesen, die sich ihrer Verantwortung in instabilen Arbeitsverhältnissen schon vor der Berufspraxis bewusst ist. Der Turbo-Student ist der unternehmerische Akteur in eigener Sache kraft jenes Selbstmanagements, mit dem er die Studienorganisation selbstbewusst in die Hand nimmt und sein Studium gemäß seinen zeitökonomischen Vorstellungen und Notwendigkeiten selbst organisiert. Selbstverantwortlichkeit und Selbsthandeln in allen Dimensionen des Studiums werden damit zur entscheidenden Grundvoraussetzung für den beschleunigten Studienabschluss.
Turbo-Studenten als unternehmerische Akteure in eigener Sache
Während die Selbstverantwortlichkeit die dynamische Anpassung und permanente Steuerung von Zwischenzielen und Studienziel steuert, stellt das Prinzip des Selbsthandelns die Gestaltungsfähigkeit der eigenen Entscheidungen über die Vorgaben des allgemeinen Studienplans: Dieser Ausbau fertiger Systeme bedeutet aber Gewinn an Autonomie. Denn schneller als andere das Studienziel zu erreichen, bedeutet nicht einfach, einem vorgefertigten Studienplan zu folgen und sich von diesem Marschroute und Tempo vorgeben und vorschreiben zu lassen. Es bedeutet, das Planen, Organisieren und Umsetzen permanent nach den eigenen Vorgaben auszurichten. Anders lässt sich nicht sicherstellen, dass Zeitökonomie und Aufwandsökonomie – die zwei Basismerkmale des Turbo-Studierens – unter allen Umständen umgesetzt werden können.
Anpassungsfähigkeit wird zur Schlüsselqualifikation.
Dass darin wichtige Fähigkeitstrainings für das kommende Erwerbsleben liegen, braucht wohl kaum einer näheren Erörterung oder zusätzlicher Beweise zu jenen, die wir in den nachfolgenden Kapiteln beschreiben werden. In ihrer Gesamtheit verdeutlichen sie, so hoffen wir zumindest zeigen zu können, die unternehmerische Bedeutung des Turbo-Studiums. Und sie veranschaulichen in dieser Perspektive zugleich, welche wichtigen Funktionen das Beschleunigungsstudium für die Anpassung an die Arbeitsverhältnisse von heute haben kann. Während der Uni- und Fachhochschulabsolvent in den Perioden mit gesellschaftlich akzeptierten Langzeitstudienmodellen (vor der Bologna-Reform also) vielfach noch mit stabilen und langfristigen Arbeitsverhältnissen auf dem Erwerbsmarkt rechnen konnte, bestimmen heute Fluktuationen und Kurzfristigkeiten die Dynamik beruflicher Verhältnisse. Die Gültigkeit spezialisierten Faktenwissens nimmt zunehmend ab und entwertet somit das in Universitäten und Fachhochschulen über Jahre angesammelte Wissen. Gleichzeitig nimmt die allgemeine Geltung dieses bloß theoretischen Wissens in vielen Branchen ab. Andere Fähigkeiten als die, spezifische Wissensinhalte vorzuhalten, erscheinen zunehmend als wesentlicher.
Aktuelle soziologische Analysen gehen davon aus, dass mittlerweile fünf- bis zehnmal eine Anpassung an neue berufliche Verhältnisse in einem Lebenslauf erforderlich ist. Das bedeutet, dass die möglichst frühzeitige Einübung in diese dynamischen Strukturen – gleich ob Beschäftigungsverhältnis oder unternehmerische Selbstständigkeit – vorteilhaft, wenn nicht sogar überlebenswichtig wird. Anders formuliert: Die Anpassungs- und möglichst schnelle Veränderungsfähigkeit wird als gesamtgesellschaftliches Erfordernis des wirtschaftlichen Überlebens zu einer Schlüsselqualifikation. Das Turbo-Studieren als Komprimieren von Bildungsanforderungen und als Intensivieren verschiedener Lernstrategien macht in seiner Gesamtheit deutlich, dass das dazugehörige flexible Biografiemanagement nicht mehr auf die Zeit nach dem Studium einzuschränken ist, sondern sinnvollerweise bereits die Organisationsstrukturen innerhalb des Studiums prägen sollte und prägt.
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