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Die besten Ideen für mehr Humor


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hat. Kurz: Dem Publikum wird der gerade zuvor hergestellte Bezugsrahmen überraschend entrissen und mit einer völlig anderen Information konterkariert.

      Die Bezugsrahmenherstellung: Warum zusammenpasst, was nicht zusammengehört

      Das Gegenstück zur Bezugsrahmendurchbrechung ist die Bezugsrahmenherstellung. Hier resultiert der komische Effekt nicht aus einem Durchbrechen der Erwartungen, sondern in der Anspielung auf ein Klischee, also ein dem Hörer bekanntes Bezugsfeld.

      Ich sage Ihnen beispielsweise:

       »Ich bin so froh, dass Hartmut Mehdorn der neue Chef von Air Berlin ist. Denn egal, wie viele Stunden Verspätung mein Zug jetzt hat, meine Maschine steht noch am Boden!«

      Hier liegt die Komik in der Umwertung dessen, was man Hartmut Mehdorn als Vorstand der Deutschen Bahn regelmäßig vorwarf, nämlich für die permanenten Verspätungen verantwortlich zu sein. Erst dadurch stelle ich überhaupt einen Bezug zu meiner Freude über diese Personalentscheidung her. Das ist die Pointe. Hier kommt zusammen, was nicht zusammengehört, aber plötzlich zusammenpasst – und zwar durch die Herstellung des Bezugsrahmens.

      Die Bezugsrahmenherstellung funktioniert deshalb, weil wir uns auf eine gewisse Schnittmenge unseres Wissens als Redner mit dem Wissen unserer Zuhörer verlassen können. Manche Pointen, die auf einer Bezugsrahmenherstellung aufbauen, funktionieren vor jedem Publikum. Sie können sich jedoch auch gezielt auf Spezialwissen berufen, von dem Sie erwarten können, dass Ihre Zielgruppe darüber verfügt – und die Tatsache honorieren wird, dass Sie Kenntnis davon haben. Je besser Sie Ihr Publikum kennen, desto besser können Sie also die Komik in Ihrer Rede planen.

      Ein weiteres Beispiel aus Ken Robinsons TED-Vortrag von 2006 zeigt, wie sich kollektives Wissen für eine Pointe nutzen lässt. Robinson verließ sich dabei auf die Grundkenntnis des Publikums von Shakespeares Texten. Die kann bei den meisten Zuhörern vorausgesetzt werden, trifft bei einem an Bildung interessierten Publikum jedoch mit Sicherheit einen intellektuellen Nerv:

       »Haben Sie sich jemals Shakespeare als Kind vorgestellt? Shakespeare als Siebenjährigen? Ich meine, er muss doch in irgendjemandes Englischunterricht gesessen haben? Wie ärgerlich muss das für den Lehrer gewesen sein! Oder wenn er von seinem Vater ins Bett gebracht wurde […]: ›Geh jetzt schlafen. Und leg den Stift weg. Und hör auf so zu reden – es verwirrt alle.‹«

      Robinson bezieht sich auf die persönlichen Erfahrungen seines Publikums mit Shakespeares Texten. Jeder weiß, dass es sich dabei um bedeutende Literatur handelt. Darauf aufbauend stellt er einen neuen Bezugsrahmen her, indem er das Publikum dazu verleitet, sich ein siebenjähriges Kind vorzustellen, das endlose Texte in normabweichender Weise produziert. Oder eben: in nervtötender Weise, je nach Standpunkt; hohe Literatur hin oder her. Das Publikum erschließt sich den neuen Rahmen aus der eigenen Verzweiflung an Shakespeares Sonetten im Englischunterricht heraus – und lacht.

      Passende Pointen: Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

      Wenn Sie inzwischen den Entschluss gefasst haben, Ihrer Rede mit handverlesener Komik den letzten Schliff zu verleihen, stellt sich noch eine Frage: Wo finde ich die passende Pointe? Oder reicht es aus, sich auf eine spontane Idee zu verlassen? Letztere Frage möchte ich zuerst beantworten: Nein, bitte tun Sie das nicht! Komik sollte genauso konkret vorbereitet werden wie Ihre Thesen, Argumente und Fakten. Dass sie bei Profis spontan klingt, heißt nicht, dass sie ihnen spontan über die Lippen kommt – die Leichtigkeit im Ton entspringt präziser Vorbereitung.

      Nehmen Sie sich also Zeit, nach den passenden Pointen und Auflockerungen für Ihre Rede zu suchen. Sie werden überrascht sein: Wenn Sie einmal begonnen haben, Ihre Umwelt nach amüsanten Anekdoten und Zusammenhängen zu durchforsten, wird sich schnell ein Fundus bilden, aus dem Sie schöpfen können. Der Kabarettist Karl Valentin hat es einmal so formuliert: »Jedes Ding hat drei Seiten: Eine positive. Eine negative. Und eine komische.«

      Einige Anhaltspunkte, wo Sie nach Komik suchen können, möchte ich Ihnen mitgeben:

      

Übertreibung: Im Zusammenhang mit jedem Thema lassen sich passende Stellen für maßlose Übertreibungen finden. Die Vorgehensweise ist simpel: Fügen Sie in einen bestehenden Kontext absurde Überhöhungen ein. Übertreibungen eignen sich dazu, entweder den eigenen Standpunkt zu stärken oder Argumente zu schwächen, die man zu widerlegen gedenkt.

      

Steigerung: Die Steigerung funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie die Übertreibung. Jedoch wird bei ihr keine absurde Komponente hinzugefügt, sondern die immanente Logik einer gesellschaftlich akzeptierten Norm so lange gesteigert, bis eben diese Logik versagt. Dadurch verliert sie ihre Gültigkeit und darf zu Recht bezweifelt werden.

      

Deplatzierungen: Finden Sie einen Aspekt, den jeder Ihrer Zuhörer kennt, und setzten Sie ihn in einen anderen Kontext. Wir haben es einer Deplatzierung zu verdanken, dass ein Ekel von Chef à la Stromberg in der Comedy-Sendung Switch als Hitler-Parodie auftritt …

      

Analogie: Nutzen Sie unkonventionelle Bilder, um beispielsweise Kritik an einer Meinung oder einem Vorgang zu äußern.

      

Bewertung eigener Fehler oder Unzulänglichkeiten: Selbstironie schadet nie. Sie sollen sich nicht lächerlich machen; sollten Sie aber zum Beispiel einen Fehler gemacht oder sich falsch ausgedrückt haben, dann lachen Sie eben darüber – und lassen Ihr Publikum mitlachen. Bei Ken Robinson klingt das so: »Als mein Sohn in England vier Jahre alt war … Zugegeben, er war zu der Zeit überall vier. Egal, wo er war …«

      

Unkonventionelle Zugänge zu Themen: Schöpfen Sie beispielsweise einmal aus der Lebenswelt Ihres siebenjährigen Sohnes und gleichen Sie dessen Bildungsalltag mit Ihrem Arbeitsalltag ab. Wie stellt sich der Zusammenhang zwischen Bildung und Arbeitsleben jetzt dar? Sie werden zu verblüffenden Erkenntnissen kommen, über die Ihr Publikum lachen kann.

      Lachen ist planbar: Fünf Tipps für Ihren humorvollen Vortrag

      Zum guten Schluss – nur Geduld, eine Pointe folgt – noch einmal die wichtigsten Tipps für humorvolle Reden in der Übersicht:

      1. Wenn Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer erregen wollen, bringen Sie sie zum Lachen. Ein Scherz erzielt eine stärkere Wirkung als eine Belehrung oder eine Aufforderung.

      2. Verbinden Sie wichtige Aspekte Ihrer Rede mit Komik. Humor prägt sich besser ein als trockene Herleitungen. Planen Sie deshalb an strategisch wichtigen Punkten Ihres Vortrags treffende Pointen ein.

      3. Irritieren Sie Ihr Publikum, um es zum Nachdenken zu zwingen. Die Bezugsrahmendurchbrechung sorgt nicht nur für Aufmerksamkeit, sondern auch für Hirnaktivität bei Ihren Zuhörern.

      4. Überzeugen Sie Ihr Publikum durch Hintersinn. Wenn Sie statt einer kontroversen Meinungsäußerung die Bezugsrahmenherstellung einsetzen, reizen Sie Ihr Publikum zum Lachen, anstatt Skepsis zu provozieren.

      5. Humor will geplant sein. Scheuen Sie nicht den Mehraufwand bei der Vorbereitung: Jede gut platzierte Pointe wertet Ihre Rede auf, verleiht Ihnen eine sympathische Ausstrahlung und sorgt dafür, dass Ihre Botschaft den Zuhörern in Erinnerung bleibt.

      Und wenn es nicht auf Anhieb klappt, trösten Sie sich – als Redner muss man geboren sein. Denn wenn man nicht geboren ist, kann man auch kein Redner werden.

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