»Oh, gerne«, hat die Birthe gelechzt, »wir sind zü Füß hergekömm. Kilomädorweit! Gloobste nüsch!«
»Ja so was! So weit, ha? Ja, Kathi, von wo aus hast denn die Birthe her gehetzt?«, hat der Sanktus wissen wollen.
»Von daheim nur«, hat die Kathi verwundert geantwortet.
»Uiui. Des san ja gewiss 700 Meter. Verreck Kaffeehaus, ha?«
»Nur 700 Mädor? Kam mir viel längor vör!«, hat die Birthe hechelnd und schwitzend von sich gegeben.
»Passt scho! Ich hol euch was zu trinken.«
Kurz darauf ist der Sanktus mit drei Bhupindia Pale Ales zurückgekommen. Ein bisserl stark, aber sehr hopfenaromatisch und blumig. Ein Bier, das bei Frauen sehr beliebt war.
Die Birthe hat angesetzt und das Gesicht verzogen.
»Ei ferbibbsch, is das biddor. Das kann isch ned trinken. Sörry!«
Der Sanktus hat das Glas ausgeschüttet und der Birthe ein Helles hingestellt. Die hat das in einem Zug runtergeschüttet.
»Das is güd! Schmeckt nach nix. Wie früher in do DDR. Fühlsch mich gleich heimisch.«
Der Sanktus hätte sie jetzt ungespitzt in den Boden schlagen können, aber die Kathi hat ihm sanft auf die Hand gelangt, und er ist sofort ruhiger geworden. Ihr Blick hat ihm gesagt: Sie meint’s nicht so. Gib ihr eine Chance.
Der Sanktus hat kurz kalkuliert und ist draufgekommen, dass die Birthe vom Alter her nicht mehr viel DDR-Bier hat mitbekommen können, also hat es wohl ein Witz sein sollen. Na ja! Für den, der’s mag …
Beim Brauerei Anschauen hat die Birthe wieder punkten können, denn das Arrangement an Edelstahlgefäßen hat ihr sehr gut gefallen. Am liebsten hätte sie mit dem Sanktus sofort den zweiten Sud des Tages gestartet, aber das war dann anscheinend auch nur ein Witz, und der Sanktus war ganz froh darüber.
»Eigentlich wollten wir dir nur sagen, dass wir heut mit zwei Kolleginnen von mir einen Damenabend machen. Macht dir doch nix aus? Und keine Angst: nicht bei uns daheim.«
Der Sanktus, der gerade kurz vor dem Herztod war, hat wieder durchgeschnauft.
»Kein Problem«, hat er gemeint.
Er würde hier fertig machen, heimgehen, einen 200-Gramm-Burger braten und sich einen James-Bond-Film reinziehen. Vielleicht würde er auch ein bisserl was über den Unbekannten mit der Luzifermaske googeln.
»Güd! Na mach mer lös!«, hat die Birthe freudig ausgerufen.
16.
Der Graffiti ist, wie jeden Dienstag, das war inzwischen hinlänglich bekannt, am Tresen der Neuen Kirche in Haidhausen gesessen und hat Cocktails, die der Bhupinder mit Herzblut gemixt hat, getrunken. Es hat oft sein können, dass er allein gekommen war, jedoch am späten Abend das Lokal in weiblicher Begleitung verlassen hat. Dameneskapaden waren nichts Besonderes für den Himsl Quirin.
Seit seine große Liebe, die Meierhofer Daniela, Reporterin beim Münchner Morgenblatt, sozusagen verräumt worden war, hatte er keine neue feste Beziehung eingehen können. Dieser Verlust letztes Jahr hatte ihm das Herz gebrochen, auch wenn er so etwas nie zugegeben hätte. Ein Himsl doch nicht!
Er hätte kurz darauf auf die Schranner Bine spekuliert, die aber wiederum so gar nicht angebissen hatte. War wahrscheinlich auch besser so, denn obwohl sich das Graffiti-Geschäftsgebaren schon weit in Richtung Legalität gebessert hatte, war schon noch ein Restpotenzial an Konflikten vorhanden bei einer Beziehung mit einer Polizeibeamtin. So hat es der Graffiti vorgezogen, sich auf One-Night-Stands zu spezialisieren bis die Richtige daherkommen würde.
Heute war ihm jedoch nicht nach einer kurzzeitigen Affäre, da ihn der Mord in der Sakristei noch geistig voll in seinem Bann gehabt hat. Er war Hauptverdächtiger in diesem Fall, was ihm sehr zugesetzt hat, denn so etwas ist natürlich nicht das Gelbe vom Ei. Stress praktisch brutal. So etwas hatte er noch nie gehabt. Gott sei Dank haben die Bine und der Rudi ermittelt, sprich, die haben den Graffiti ja gekannt. Sonst hätte in den nächsten Tagen definitiv Untersuchungshaft oder sonst was gedroht. Er hat geglaubt, die beiden eigentlich recht schnell von seiner Unschuld überzeugen zu können, was für einen geübten Schlawiner, wie er einer war, nicht wirklich ein Problem darstellen würde. Die Bine hatte er sofort auf seine Seite gezogen, beim Rudi war er sich nicht so sicher. Der Franke war zwar ein alter guter Spezl vom Sanktus, aber er war neu in München und hat einen sehr akkuraten Eindruck gemacht, Beamter pur sozusagen. Das Wichtigste war nun auf jeden Fall, den Generalverdacht endgültig zu entkräften, aber der Graffiti hatte noch keine Idee, wie er das anstellen hat sollen. Die einzige Möglichkeit war, den Sanktus um Hilfe zu bitten, der in fünf Fällen mit diversen Morden eine Aufklärungsquote von 100 Prozent aufzuweisen hatte.
Der Graffiti wollte sich gerade einen weiteren Singapore Sling, eine Spezialität des Inders, bestellen, da hat sich eine Dame zwei Hocker weiter neben ihm an die Bar gesetzt und ebenfalls einen solchen Cocktail geordert.
»Ist der da herinnen gut?«, hat sie den Graffiti gefragt und ihm zugelächelt. »Ich hab mal das Original im Raffles in Singapur getrunken. Der war schon eine Wucht.«
Der Graffiti hat die Frau wahrscheinlich angeschaut wie eine Allgäuer Kuh auf der Weide. Dummes G’schau Anfänger, verstehst? Sie war perfekt. Schlank, lange blonde Haare und dunkle Augen. Eine Kombination, das war genau sein Wetter. Kernkompetenz kein Ausdruck. Sie hat ihn angelächelt und er, völlig hin und weg, sie ebenfalls.
»Und?«, hat sie ihn gefragt.
»Was?«, hat der Graffiti gestottert.
»Ist er gut, der Singapore Sling?«
»Ähm, ja freilich. Ausgezeichnet. Den macht der Hansä, äh der Bhupinder selber. Der tut da noch irgendwas zusätzlich rein, das sagt er uns aber nicht. Also, eigentlich müsst der noch viel besser sein als der im Raffles, also in Singapur. Jaja. Singapur, da wollt ich auch schon einmal hin. Da gibt’s doch den Tierpark, den man in der Nacht anschauen kann, und noch an ganzen Haufen …«
»Sie san lustig, zuerst sagen S’ gar nix und jetzt reden S’ wie ein Wasserfall. Aber sagen S’ amal. Sind Sie ned der Himsl Quirin? Der von der Au?«
Jetzt hat den Graffiti der zweite Bus diese Woche gestreift. Die Göttin, zuerst schaut sie nur gut aus, dann ist sie auch noch witzig, ist aus München, und jetzt kennt sie ihn auch noch.
»Jetzt bin ich platt. Ja klar! Der bin ich. Und Sie?«
»Eigentlich könnten wir du sagen, oder? So alt sind wir auch no ned«, hat sie gesagt.
»Logisch, Quirin! Also eigentlich nennen mich alle …«
»Graffiti! Weiß ich doch«, hat sie den Satz vollendet. »Lily! Lily Pfisterer. Also jetzt heiß ich Brückl.«
»Pfisterer, Pfisterer …«, hat der Graffiti überlegt. »Die kleine Schwester vom Pfisterer Jochen? Ich hätt mir denkt, du wolltst nach Australien auswandern.«
»Für Australien hat’s ned gereicht«, hat sie lächelnd verneint. »Aber Wien ist es dann geworden.«
»Ja, verreck, die Pfisterer Lily. Des g’fallt mir heut!«, hat der Graffiti gejauchzt. »Und was machst du beruflich?«
»Und hier is the Singapore Sling«, hat der Bhupinder in seinem Bayrenglisch, also halb Bayerisch, halb Englisch, geflötet. »San Sie sum ersten Mal hier in Neuer Kirtsche? Weil müssen Sie aufpassen bei Graffiti, weil isser big Bazi. Women never safe, you know!«
Die Lily hat gelacht und gemeint, dass sie so etwas schon einmal über ihn gehört hatte.
»Was machst du beruflich, Lily?«, hat der Graffiti gefragt.
»Stewardess.«
»Verheiratet?«, hat der Graffiti wissen wollen.
»Geschieden, wie fast alle«, hat die Lily geseufzt. »Weißt du eigentlich, dass ich bis zur zehnten Klasse in dich