Isabella Schlehaider

Tausend Subjekte


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Denn einerseits fordert Whitehead ganz im Sinne des kritisch-dekonstruktivistischen wie historisch-materialistischen Einsatzes kritischer Posthumanismen grundlegende, zutiefst problematische und vor allem implizite – d.h. auch theoretisch nicht fundierte – Voraussetzungen und Gewissheiten des modernen, humanistischen3 Denkens fundamental heraus. Und zum anderen entwickelt er im Zuge seiner Kritik an der vom Dualismus geprägten modernen Denkweise eine Philosophie, die im Sinne kritischer Posthumanismen explizit darauf abhebt, »normalisierte Kategorien zu durch/kreuzen« (Haraway 1994: 60).4 Dem normalisierten, modernen Subjektbegriff stellt Whitehead daher ein radikal anderes und das heißt pluralistisches, relational-prozessuales, nicht-anthropozentrisches wie situiertes Verständnis von Subjektivität entgegen. Sowohl Whitehead als auch kritische Posthumanismen argumentieren in Abgrenzung zur klassisch-substantiellen Subjektauffassung für einen Subjektbegriff, welcher nicht mehr auf essentielle Wesensmerkmale, sondern auf Relationalität, Ko-Konstitution und Prozessualität fokussiert und damit ebenso einer Fixierung von Subjektivität entgegenwirkt. Whitehead und kritische Posthumanismen wenden sich dementsprechend auch gegen die humanistisch-eurozentrische Antithese Kultur/Natur beziehungsweise Geist/Materie. Stattdessen rücken sie die vielschichtige und komplexe Verwobenheit dieser scheinbar binären Kategorien ins Zentrum ihrer Analysen, so dass die Rede von Natur/Materie auf der einen und Kultur/Geist auf der anderen Seite hinfällig, vor allem aber problematisch wird. Unhaltbar wird hiermit zugleich und nicht zuletzt die moderne Aufspaltung des Wissens in Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften auf der einen und Naturwissenschaften auf der anderen Seite. Anstelle der klassischen humanities müssten im Sinne eines kritischen Posthumanismus als auch im Sinne Whiteheads daher kritische posthumanities treten.

      Im Rahmen der Hinführung zu einem nicht-anthropozentrischen, pluralistisch-relationalen wie prozessualen Verständnis von Subjektivität werden zunächst unterschiedliche Einsätze eines kritischen Posthumanismus vorgebracht sowie der Versuch unternommen, dessen Subjektauffassung herauszuschälen. Vertiefend wird im Anschluss daran Rosi Braidottis kritisch posthumanistisches »Projekt eines feministischen Nomadismus« diskutiert, mit dem sie den traditionell unitären Subjektbegriff zu dekonstruieren und zugleich eine posthumanistische, emanzipative »Politik der Affirmation« wie eine nachhaltige nomadische Ethik zu begründen sucht. In einem weiteren Schritt wird ausgeführt, was Whitehead allererst »zu denken zwingt« (Deleuze 1993: 80) und ihm zufolge die Revision des modernen Subjektbegriffs allererst erforderlich macht: Die historisch-systematische Konstellation der »Bifurkation der Natur«. Denn Whitehead zufolge basiert das moderne Subjektverständnis, das Subjektivität nicht nur allein an den Menschen bindet, sondern darüber hinaus a-relational, a-prozessual und unsituiert konzeptualisiert auf den impliziten Voraussetzungen einer verzweigten Natur. Abschließend wird die Whitehead'sche Rekonstruktion des Subjektbegriffs nachgezeichnet.

      Mit diesem Buch soll nicht zuletzt der Versuch unternommen werden, die Möglichkeiten eines postanthropozentrischen Subjektbegriffs im Sinne Whiteheads und des kritischen Posthumanismus für ein posthumanistisches Verständnis von Natur und damit für eine tatsächlich politische Ökologie auszuloten.

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