Leo Lukas

Perry Rhodan 2991: Die Eismönche von Triton


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auf die richtige Fährte zu lenken. »Da die Technik der Pasteurisierung nicht bekannt war, verdarb Bier bei den sommerlich höheren Temperaturen schnell. – Jetzt aber!«

      »Ging es um ...«, würde sich endlich jemand zu Wort melden, »Lagerung?«

      »Inwiefern hat das mit Kies und Kastanien zu tun?«

      »Diese Bäume ... geben viel Schatten, nicht wahr?«

      »Sehr richtig. Also, was befand sich unter den Biergärten?«

      »Äh ... Erdreich. Nein, warte! Kellergeschosse?«

      »Jawohl! Gratuliere, du hast gewonnen, und zwar das Anrecht auf zwei volle Maßkrüge meiner nächsten Sonderbrauung.«

      Vor seinem geistigen Auge sah Geo, wie der gesamte Saal kurz den Atem anhielt und sich dann wie ein Mann erhob, zu einer stehenden Ovation. Er hörte den Applaus aufbranden, der sich noch steigerte, weil Geo, geziert-bescheiden, eine Verbeugung andeutete.

      Weitere Informationen würde er nachliefern: Dass die Münchner Bierbrauer entlang der Flussterrassen der Isar, vor allem an der Schwanthalerhöhe und in Haidhausen, tiefe Keller angelegt hatten, um darin den wundervollen Trank ganzjährig mit Eis kühl halten zu können.

      »Um die Durchschnittstemperatur der Lager weiter zu senken, streute man zusätzlich auf den Hangflächen Kieselsteine und pflanzte Kastanien. Deren flache Wurzeln schädigten nämlich das Kellergewölbe nicht. Irgendwann stellte ein kluger Kopf dort einfache Tische und Bänke auf, und der klassische Biergarten war geboren!«

      Geo würde es sich nicht verkneifen können, hinzuzufügen, dass die geniale Innovation damals keineswegs auf ungeteilten Zuspruch gestoßen war. »Bald etablierten sich diese Plätze als beliebte Ausflugsziele, sehr zum Verdruss anderer Münchner Brauereien. Um der zunehmenden Abwanderung von Gästen entgegenzuwirken, traten sie über den Generalkommissär des Isarkreises an den Regenten heran.«

      Der Bayernkönig fand eine kluge Lösung. Maximilian der Erste verfügte: »Den hiesigen Bierbrauern gestattet seyn solle, auf ihren eigenen Märzenkellern in den Monaten Juni, Juli, August und September selbst gebrautes Merzenbier in Minuto zu verschleißen, und ihre Gäste dortselbst auch mit Brod zu bedienen. Das Abreichen von Speisen und anderen Getränken bleibt ihnen aber ausdrücklich verboten.«

      Ein projiziertes Faksimile des Originaledikts würde den ersten Abschnitt von Geos Vortrag krönen. Danach sollte er sich ausgiebig darüber verbreiten können, welche Konsequenzen das uralte Reinheitsgebot aus dem Jahr 1516 Alter Zeitrechnung, umgesetzt in die heutige Zeit, nach sich ziehen müsse.

      Ungefähr so ... Und anschließend gehen wir an die Feinheiten ...

      Er lehnte sich zurück und verschränkte die Finger über der Bauchwölbung.

      Mit dem Problem mangelhafter Kühlung für seine Bierkreationen hatte Geo Lichtblau gewiss nicht zu kämpfen. Nicht an diesem, dem von Natur aus kältesten Ort des Sonnensystems.

      *

      Um ihn war Schwärze. Stille.

      Heilige Ruhe.

      Ganz auf sich allein gestellt, ließ er sich durch den Ammoniakozean treiben und hing, körperlich wie auch geistig träge, seinen Überlegungen nach. Wie so oft feilte Geo an den Formulierungen einer Rede, die er höchstwahrscheinlich nie halten würde.

      Aber darum ging es nicht. Er war sich selbst genug.

      Nichts und niemand drängte Geo Lichtblau, sein Wissen und die daraus resultierenden, nach wie vor beschränkten Erfahrungswerte zu teilen. Die immer wieder mal imaginierte, virtuelle Bühne befriedigte seinen Geltungsdrang vollauf.

      Er befand sich in einer sogenannten Tacet-Kapsel, einem recht geräumigen Unterseeboot. Tacet war ein antik-terranisches Vokabel, das »schweigt« bedeutete.

      Geo liebte es, nicht reden oder sonst wie auf äußerliche Reize reagieren zu müssen. Er hatte es gerne leise, so leise und tonlos wie möglich.

      Sein Paradies war das Eismeer. In dessen Tiefe belästigten ihn keinerlei andere Lebensformen, nicht einmal die kleinsten, niedrigsten, zähesten. Bei Temperaturen von knapp über minus 77 Grad Celsius, dem Schmelzpunkt von Ammoniak, existierte absolut nichts, das von sich aus zu irgendwelchen Regungen fähig gewesen wäre.

      Mit einem Durchmesser von 6000 Kilometern war Triton der größte Mond des Gasriesenplaneten Neptun. Er war 1846 AZ entdeckt worden, von William Lassell, einem Hobbyastronomen – und hauptberuflichem Bierbrauer.

      Dieses historisch unbedeutende Detail gefiel Geo Lichtblau ganz besonders.

      Eine Eiskruste aus gefrorenem Wasser und Stickstoff umgab den von zahlreichen Verwerfungen geprägten Gesteinskern. Tritons Bahnradius um Neptun betrug 353.000 Kilometer: eine verhältnismäßig geringe Distanz. Deshalb war der Mond starken Gezeitenkräften ausgesetzt.

      Manche Alteingesessene behaupteten, es schon mehrfach »im Inneren knirschen gehört« zu haben. Geo hielt das für Siedlergarn. Er hütete sich jedoch, seine Zweifel zu äußern.

      Jedenfalls hatte sich durch die Reibungswärme der Gezeitenprozesse – sowie durch den Zerfall radioaktiver Elemente im Gesteinskern infolge kryovulkanischer Aktivitäten – der Ammoniakozean gebildet. Er erstreckte sich unter einem Großteil der Oberfläche bis etwa 50 Grad Breite beiderseits des Äquators.

      Allerdings variierte der Bereich je nach Jahreszeit. Bedingt durch die Bahnneigungen des Mondes und des Planeten, wendete Triton während Neptuns 166 Standardjahre dauernder Umlaufzeit der Sonne etwa 40 Jahre lang »tagsüber« – also in jener Phase, in der er nicht im Schatten des Gasriesen stand – die Nordhalbkugel zu, und dann 40 Jahre lang die Südhalbkugel.

      Da gerade »Nordsommer« herrschte, war der bis zu 50 Kilometer tiefe Ozean in nördliche Richtung gewandert. Darüber lagen ewiges Eis und eine sehr dünne Atmosphäre aus Stickstoff und Methan.

      Geo Lichtblau lenkte seine Gedanken zurück zu dem, was ihm, neben der Ruhe und Abgeschiedenheit, am wichtigsten war: Bier.

      Sollte er als Nächstes ein leicht-süffiges Hefeweizen in Angriff nehmen? Oder doch wieder einmal einen mächtigen Doppelbock?

      *

      Akustische und optische Signale zeigten einen Funkanruf an.

      Verärgert sah Geo auf die Uhr. Dann akzeptierte er die Störung und aktivierte die Verbindung.

      »Ich bin's«, sagte Mutter Canan Peck. »Mit der üblichen Warnung, nicht die Zeit zu übersehen.«

      »Jaja, danke. Ich komme gleich hinauf.«

      Die Äbtissin, eine erstaunlich jung, fast mädchenhaft wirkende Terranerin, lächelte verständnisvoll. »Alles in Ordnung bei dir?«

      Abermals bejahte Geo Lichtblau. Die Energiespeicher der Schweigekapseln, mit denen man in die lichtlosen und völlig unbelebten Tiefen des Ammoniakmeers tauchen konnte, reichten für maximal zehn Stunden. Sieben waren bereits verstrichen ...

      »Dann bis bald, Bruder Geo.«

      »Bis bald.« Er griff nach der Steuerung und warf die Motoren an.

      Den Anzeigen zufolge funktionierten sie klaglos. Das U-Boot stieg höher und höher, bis es die Öffnung im Eis oberhalb des Ozeans erreichte.

      Mittels der eingebauten Gravopaks hievte sich die Kapsel auf die spiegelglatte, bläulich schimmernde Fläche. Wenig später glitt sie in einen kleinen Hafen. Von dort waren es nur noch zwei Kilometer bis zum Kloster der Eismönche.

      Geo schlüpfte in seinen Thermoanzug und schloss den Helm. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass das Tacet-Boot sicher verankert war, trat er durch die enge Mannschleuse hinaus ins Freie.

      Sofort wurden die Auswirkungen des Weltenbrands wieder etwas stärker spürbar; zumal Triton gerade hinter Neptun hervortrat und das Sonnenlicht auf diese Gegend fiel. Trotz der großen Entfernung zu Sol – immerhin rund 4,5 Milliarden Kilometer – stellte sich rasch das äußerst unangenehme Gefühl