Leo Lukas

Perry Rhodan 2169: Das Lichtvolk


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mein Goldbub«, raunte er mir ganz leise ins Ohr, »wir tun, was wir können, um eine Diät aufzutreiben, die du besser verträgst. Und wir bemühen uns, ein geschütztes Umfeld für dich einzurichten. Doch das ist nicht so einfach, trotz der angesehenen Position und des guten Verdienstes deiner Mutter. Wir sind nur wenige tausend Guyaam in den Goldenen Kuppeln und fern der alten Heimat. Ja, auf Caldera, da wäre das kein Problem. Dort ist für so außergewöhnlich hypersensible Personen wie dich vorgesorgt. Aber hier in Siv'Kaga stellst du den ersten derartigen Fall in vielen Generationen dar.«

      Damals verstand ich noch nicht, was er meinte. Doch war mir klar, dass ich anders war als die übrigen Kinder. Denn die hatten keinerlei Probleme mit Lärm und Gestank – ja sie legten es sogar darauf an, möglichst viel zusätzlich zu produzieren.

      Noch heute schaudert mich, wenn ich daran denke.

      Auch begann ich bald – viel früher als die anderen –, sehr intensiv Dinge zu fühlen, die man nicht sehen, hören, riechen, schmecken oder ertasten konnte, sondern die ich einfach ... spürte.

      In mir. In meinem ganzen Körper, wiewohl sie ihren Ursprung eindeutig außerhalb hatten!

      »Das ist Tymaxul«, versuchte mir mein allzeit geduldiger Vater zu erklären, der merkte, dass mich diese Empfindungen erschreckten, »die Hyper- oder Parafühligkeit, die uns Guyaam zu Eigen ist. Als Empfängerorgan für die ultrahochfrequente Hyperstrahlung dient unser Tymcal-Geflecht. Und du, mein Goldener, besitzt offenbar die Gabe der Tymaxul in ganz erstaunlich hohem Ausmaß. Du bist begnadet, Anguela, wie sich ja bereits bei deiner Geburt gezeigt hat.«

      Ich selbst empfand das alles jedoch keineswegs als Geschenk, sondern im Gegenteil als Belastung.

      Ich hätte viel darum gegeben, nichts Besonderes zu sein, sondern ganz normal.

      Lange Zeit später, als Erwachsener, las ich einmal ein Buch mit dem Titel »Die Tragödie des begabten Sohnes«. Darin fand ich die tröstliche Auskunft, dass es zu vielen Zeiten, an vielen Orten, vielen verschiedenen Intelligenzwesen ähnlich wie mir ergangen ist oder sogar noch immer ergeht.

      Damals aber, unter den Goldenen Kuppeln, fühlte ich mich sehr allein.

      *

      Die Kuppeln. Ein gutes Stichwort.

      Da ich in Siv'Kaga zur Welt gekommen war, erschienen mir die Verhältnisse in der Kuppelstadt alltäglich und nicht weiter bemerkenswert. Was es damit auf sich hatte, erkannte ich erst, als ich Siv'Kaga zum ersten Mal verließ.

      Natürlich geschah das an der Hand meines Vaters. Wie allen Ehelingen oblag auch Enguarti die Kinderbetreuung praktisch zur Gänze allein.

      Die Mütter hatten kaum Zeit dafür. Früh am Morgen verließen sie die Wohnsuiten, und erst spät am Abend kamen sie von ihren überaus aufreibenden Tätigkeiten wieder dahin zurück. Auch in den Gefrin oder Burdrin, die eigentlich der Muße und Rekreation gewidmet waren, hatten sie nicht selten Wichtigeres zu tun. Sie besetzten schließlich die Führungspositionen; ohne sie hätte der Planet aufgehört, sich zu drehen. So ähnlich stellten sie es zumindest dar.

      Enguarti, die Gutmütigkeit in Person, beschwerte sich niemals darüber. Er liebte seine Panige nicht bloß, er verehrte sie, blickte zu ihr auf, wenngleich nur im übertragenen Sinn. Denn sie war um eine gute Handbreit kleiner als er.

      »Ich bin sehr glücklich«, sagte er mehr als einmal zu mir, »unter ihrer Huld stehen zu dürfen – so, wie der labile Kohol-Busch am besten im Schatten der mächtigen Riesenföhre gedeiht. Und auch dir wünsche ich, mein Söhnchen, dass du später eine solch starke und kluge Gemahlin kriegst.«

      Wir hatten sehr viel Spaß, mein Vater und ich.

      Er konnte sich mittlerweile fast ausschließlich um mich kümmern. Meine Brüder besuchten einige Kuppeln weiter die Haushaltungsschule, an die ein Internat angeschlossen war, und kamen nur noch jeden neunten und zehnten Burdrin auf Besuch in die elterlichen Wohnräume. Wir hatten auch dann wenig Kontakt. Enguarti schirmte mich vor ihnen ab, da sie meist sehr laut waren und streng rochen.

      Außerdem war es Panige gelungen, bei der Baszmarin, der Vorsteherin unserer Kuppel, zu erreichen, dass Enguarti vorübergehend von seinen Aufgaben als Kinderkrippner befreit wurde.

      Ehelinge verrichteten sowieso nur Teilzeit-Tätigkeiten. Ganztagsarbeit blieb den Frauen und den wenigen unverheirateten Männern vorbehalten, wobei Letztere ausschließlich für Hilfsdienste herangezogen wurden.

      Dennoch wollte Erünie Zowel, die Baszmarin, meinen Vater zuerst nicht freistellen, denn er war bei den Kindern sehr beliebt.

      Letztlich setzte sich Panige durch, wohl aufgrund ihrer Stellung als Vaia'Kataan.

      Es gab ein wenig böse Strahlung wegen dieser Sache. Doch das bekam ich nur am Rande mit. Für mich war das Entscheidende, dass ich nicht mehr in den blöden Spielhof musste.

      Zu guter Letzt trafen endlich die auf meine Hypersensibilität abgestimmten Lebensmittel und Medikamente aus der Calditischen Sphäre ein.

      Heute weiß ich, warum das trotz der bestens funktionierenden Transportwege so lange gedauert hat. Damals freilich wunderten sich alle darüber.

      Na ja. Die neue Diät schlug gut bei mir an.

      Noch mehr allerdings, glaube ich, half mir die Fürsorglichkeit und Umsicht meines Vaters.

      Er teilte mir einen kleinen Bereich des gemeinsamen Ruhezimmers ab und isolierte diesen sowohl gegen Schall und Gerüche als auch – was viel schwieriger war – gegen die stärksten Frequenzen der Hyperstrahlung.

      Das stellte eine beachtliche Leistung für einen einfachen Eheling dar. Sogar Panige zeigte sich beeindruckt. »Und das mit deinen zwei linken Händen, mein Schatz!«, lobte sie ihn.

      In diesem meinem eigenen Ruheraum, unbehelligt von der lärmigen, stinkenden Umwelt, vermochte ich erstmals mehrere Gefrin am Stück zu schlafen. Himmlisch war das und klarerweise meiner Gesundheit förderlich.

      Nun besserte sich meine Konstitution merklich. Auch die ständigen Schmerzen ließen nach oder wurden wenigstens leichter erträglich.

      *

      »Weißt du, was heute für eine Burdrin ist?«, fragte der Vater eines Morgens scheinheilig.

      Wie hätte ich das nicht wissen können? »Die achthundertvierzigste!«, rief ich: »Mein Geburtstag!«

      »Schlaues Kerlchen. Herzlichen Glückwunsch, Goldkind! Ja, heute bist du drei Thadrin geworden. Na los, auf mit dir, reinige dich rasch, dein Frühstück steht schon bereit!«

      Es war aber nicht der übliche Obstersatzbrei. Sondern ein Kegelkuchen, gut zehn Xynon hoch, wunderhübsch marmoriert in drei verschiedenen Farben, mit drei Brennstäbchen an der Spitze.

      »Darf ich das denn ...?«, fragte ich zaghaft, unfähig, mein Glück zu fassen.

      »Klar darfst du. Hab ich selbst gebacken, aus lauter piekfeinen, astreinen Ingredienzien. Oder riechst du irgendetwas, das dir nicht bekommen könnte?«

      Ich schnüffelte vorsichtig. Tatsächlich, da war nicht die geringste üble Beimengung zu bemerken. Im Gegenteil, der Kuchen duftete dermaßen herrlich dezent, dass ich alle drei Nasenlöcher aufriss, so weit ich nur konnte.

      Und er schmeckte fast noch besser.

      »Ihr habt mir etwas versprochen«, erinnerte ich meinen Vater, nachdem ich zwei große Stücke des wunderbaren, fast gar nicht süßen Gebäcks verschlungen hatte.

      »Und das wird auch nicht gebrochen, mein großer Anguela! Gleich nach der Zahnsäuberung machen wir zwei uns auf den Weg.«

      »Nur wir zwei? Aber hat nicht auch Panige ...«

      Eine Farbstimmung des leisen Bedauerns flackerte über Enguartis untere Gesichtshälfte.

      »Deine Mutter kann leider nicht mitkommen, Goldbub. Sie muss dringend eine Tymdit nachjustieren, die in der Nacht verrückt gespielt hat. Aber sie richtet dir die allerbesten Grüße und Glückwünsche