H.G. Ewers

Perry Rhodan 205: Der Wächter von Andromeda


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aus, der mächtigste Mann der Menschheit, müde und gealtert, obwohl der Zellaktivator ihm die relative Unsterblichkeit verlieh. Aber das, was er in den letzten beiden Monaten erlebt hatte, war selbst für diesen energiestrotzenden Mann zuviel gewesen.

      »Lass es gut sein, Gucky. Sei froh, wenn du mit heiler Haut davongekommen bist. Wir sollten uns daran gewöhnen, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen, sonst müssten wir ewig auf der Stelle treten – und wesentlich ist für uns im Augenblick, dass wir das Höllentor Twin recht bald in umgekehrter Richtung durchstoßen können, sonst nichts.«

      Gucky schien förmlich in sich zusammenzusinken.

      »Der Gedanke an den Giganttransmitter stimmt mich nicht gerade fröhlicher, Perry!«

      Neben ihnen schien ein Elefantenmagen zu knurren. Melbar Kasom hatte sich geräuspert.

      »Hat der Knirps Angst, Sir?«, hallte die gedämpfte Stimme des ertrusischen USO-Spezialisten.

      Rhodan hob die Hand, weil er sah, dass Gucky zu einer Schimpfkanonade ansetzen wollte.

      »Lasst es sein!« Seine Stimme hatte energisch geklungen. Kasom zog sich mit verlegenem Grinsen zurück, während Gucky sich hinwegteleportierte.

      Perry Rhodan erhob sich und straffte die Schultern. Er hatte das schwere Panzerschott der Zentrale klappen hören und ahnte, wer jetzt kam, um beim Start der CREST II an seinem Platz zu sein.

      Atlans Gesicht war bleich. Er blieb einige Sekunden vor dem zugefallenen Zentraleschott stehen und musterte Rhodan mit verkniffenem Gesicht. Dann zuckte es ironisch um seine Mundwinkel.

      »Hallo, Barbar! Alles klar zum Sterben?« Er lachte, aber es war ein heiseres, unechtes Lachen, dem man den krampfhaften Versuch anmerkte, die eigene Angst zu verscheuchen.

      »Machen wir uns nichts vor!« Rhodans Lippen strafften sich. »Wir setzen alles aufs Spiel, wenn wir diesen relativ ruhigen Platz verlassen und Quinta anfliegen. Niemand weiß, was uns dort erwartet. Aber wir müssen einfach ein gewisses Risiko eingehen, wollen wir jemals zurück.«

      »Zurück ...!« Atlan seufzte.

      »Ich wollte, wir könnten vorwärts.« Rhodan ballte die Fäuste. Es war eine unbeabsichtigte Geste, aber sie drückte alles aus, was Worte nur hätten sagen können.

      Atlan nickte stumm. Danach schweifte sein Blick über die fast lautlose Geschäftigkeit innerhalb des Saales, der die Zentrale der CREST II darstellte, des 1500 Meter durchmessenden Flaggschiffs der Solaren Flotte.

      Atlan dachte daran, dass vor einer Woche alle die Männer, die jetzt ruhig ihre verantwortungsvolle Tätigkeit der Startvorbereitung ausübten, schmerzgepeinigte Nervenbündel am Ende ihrer physischen und psychischen Kraft gewesen waren – genau wie er auch, oder wie Perry Rhodan oder ... Es hätte wenig Sinn gehabt, sich die Namen derer vorzuzählen, die der Heimtücke des Drung, dieses Verfemten aus dem Andromeda-Nebel, zum Opfer gefallen waren. Aber innerlich wurmte es den Lordadmiral, dass ausgerechnet Icho Tolot dem Drung Paroli geboten hatte und dass sie ihm ihre Rettung zu verdanken hatten.

      Das Drung war tot ...

      Unbemerkt von Atlan war Dr. Hong Kao, der Chefmathematiker der CREST II, auf einen Wink Rhodans herangekommen. Der kleine, immer ein wenig puppenhaft und zierlich wirkende Chinese mit dem glatten schwarzen Haar wartete nach einer leichten Verbeugung.

      Perry Rhodan verzog die Lippen.

      »Haben Sie schon irgendwelche Ergebnisse erzielen können, Kao?«

      »Die Daten reichen noch nicht aus, Sir. Was sollte die Positronik anderes liefern als Vermutungen, wenn wir ihr nicht ausreichende Grunddaten geben?«

      »Schon gut, Kao. Wieviel Vermutungen hat die Positronik inzwischen als möglich erkannt?«

      »Als möglich ...? Etwas über zweieinhalb Millionen, Sir. Allerdings ist der Wahrscheinlichkeitsgrad nur bei etwa dreißig Möglichkeiten hoch genug, um mich von einer tatsächlichen Möglichkeit zu überzeugen.«

      »Du siehst es«, wandte Rhodan sich an Atlan, »es hat wenig Sinn, jetzt mit Gewalt nach der richtigen Lösung suchen zu wollen.«

      »Ich möchte Ihre persönliche Meinung hören«, wandte Atlan sich an Kao.

      »Ich nehme an, ich bin nicht kompetent genug ...«

      Atlan lachte rau.

      »Das erzählen Sie mir!«

      Der Mathematiker lächelte hintergründig.

      »Nun gut, Sir. Ich bin der Meinung, dass die ›Meister der Insel‹, die das Drung erwähnte, noch in irgendeiner Form existieren, sonst hätten weder die Brücken nach Andromeda, noch die eingebauten Hindernisse einen Sinn.«

      Atlan runzelte die Stirn. Perry Rhodan aber nickte Kao dankend zu, und der Chinese entfernte sich so unauffällig, wie er gekommen war.

      »Wie hat er das gemeint?«, wandte sich Atlan an Rhodan. »In irgendeiner Form ...«

      Rhodan lachte.

      »Er hat dich abblitzen lassen, mein Freund. Für ihn ist die wesentlich erscheinende Antwort der Positronik zugleich seine persönliche Meinung, da er schließlich der Positronik seine Fragen stellt. Oder betrachte es umgekehrt, wenn du willst. Jedenfalls war Kaos Antwort sehr philosophisch: Selbstverständlich müssen die ›Meister der Insel‹ noch in irgendeiner Form existieren, genau so, wie wir in unseren geistigen und materiellen Werken ebenfalls weiterexistierten, selbst wenn wir stürben. Verstehst du nun?«

      Atlan blieb ernst.

      »Also keine Klarheit, Perry.«

      Rhodans Augen starrten durch den grauen Staub Sextas hindurch.

      »Noch nicht, Atlan. Aber wir werden die Antwort eines Tages finden, verlass dich darauf!«

      »Ihr Terraner erschreckt mich«, sagte Atlan, und es war ihm anzumerken, dass es nicht ironisch gemeint war, »noch wissen wir nicht, ob wir jemals lebendig diese Hölle verlassen, und schon glaubst du an den Erfolg der Suche.«

      »Wenn ich sagte ›wir‹ ...«, Rhodan sprach leise und eindringlich, »... so meinte ich nicht dich und mich, sondern unsere Rasse. Ich weiß, dass die Suche weitergehen würde, selbst wenn es für uns keine Rückkehr mehr gäbe.«

      »Vielen Dank«, sagte Atlan.

      »Wieso?«

      »Dafür, dass du mich in deine Rasse einbezogen hast, Freund.«

      *

      »CREST II klar zum Start und gefechtsbereit, Sir!«

      Oberst Cart Rudo, der wuchtig gebaute Epsaler und Kommandant des Flaggschiffes, meldete es dem Großadministrator des Solaren Imperiums über Interkom, wie es das Reglement für diesen Fall vorschrieb.

      Rhodan dankte knapp.

      »Wann läuft X-Zeit aus, Oberst?«

      »X-Zeit läuft aus in sechs Minuten, siebenunddreißig Sekunden, Sir.«

      »Danke! Start wie geplant durchführen!«

      Rhodan hörte nur mit halbem Ohr zu, als der Epsaler den Befehl wiederholte. Der Ausdruck seiner Augen bewies, dass er mit seinen Gedanken woanders weilte.

      Und so war es auch.

      Fast zwei Monate war es her, seit die CREST II auf eine Nachricht Icho Tolots hin das große Sonnensechseck nahe beim Planeten Halut aufsuchte, um nach dem Schicksal der verschollenen OMARON zu forschen und das nach des Haluters Worten größte Rätsel der Galaxis zu lösen.

      Zwei Monate ...

      Innerhalb dieser Zeitspanne hatten die Männer des Flaggschiffes mehr erlebt, als ein normaler Sterblicher während seines ganzen Lebens erleben könnte. Immer aber standen sie am Rande des Todes ... nein, vieler Tode, einer schrecklicher als der andere!

      Die Kette der unheimlichen Ereignisse begann mit dem abrupten Auftauchen des Sonnensechsecks. Das