sich die verschiedenen Phasen zwar nicht, aber normalerweise hielten sie immer nur kurz an.
So war es auch diesmal. Nach einigen Minuten tauchte die FONAGUR wieder in der Ortung auf. Das Schiff kam wieder näher, als wäre nicht das Geringste geschehen; die Mannschleusen standen nach wie vor offen.
Auch die Raumstation der Blues war wieder da.
Dancer aktivierte den Gravo-Pak ihres SERUNS und beschleunigte auf die behutsam heranfliegende FONAGUR mit den hell erleuchteten Mannschleusen zu. Ihr Bruder und der TARA-Psi folgten automatisch.
Nun bemerkte sie weitere Bewegungen, jede Menge davon, und der Funkverkehr lebte auf.
Sie waren bei Weitem nicht die einzigen Geretteten. Eine ganze Truppe aus Naats, Ladhonen und Antis steuerte auf das Schiff zu, erleichtert, einem langsamen Erstickungstod entronnen zu sein. Dancer stellte fest, dass sich nun auch weitere Schiffe der Naats und Ladhonen näherten, die sofort damit loslegten, die verstreut Dahintreibenden einzusammeln.
Die Naats waren seit jeher sehr gut organisiert und fanden sich mit großem Enthusiasmus in Verbänden und Interessensgemeinschaften zusammen. Es freute die Mutantin, dass sie diese Solidarität auch auf Angehörige anderer Völker ausdehnten, die auf ihre Hilfe angewiesen waren.
Die Funksprüche wurden immer verständlicher. Mittlerweile schienen alle die Notfallfrequenz gefunden und eingestellt zu haben. Es waren insgesamt etwa 20 Personen aus ihrer nächsten Umgebung, zehn Naats, aber auch fünf Antis, zwei Maaliter und drei Ladhonen.
Und ein TARA-Psi.
Dancer atmete immer ruhiger. Die weit geöffnete Mannschleuse war wie eine Verheißung, die Verkündung von Wärme, Sicherheit und Geborgenheit. Die Funkgespräche ihrer kleinen Gruppe veränderten sich. Aus Angst und Frustration wurde Zuversicht und Hoffnung. Der Erste setzte den Fuß in die Mannschleuse, ein Naat, der wie für die neue Umgebung geschaffen war.
Auf Naatschiffen war alles viel größer, gedrungener, wuchtiger als auf Raumern der Arkoniden oder Terraner. Die Gänge waren höher und breiter, die Bedienelemente der Positronik-Terminals für Menschen ohne Hilfe kaum erreichbar, die Einrichtungsgegenstände zu nutzen erforderte regelrechte Kletterpartien. Dancer kannte das alles von der BAILNOOD, wo sie sich zu ihrer Überraschung schnell an die neuen Verhältnisse gewöhnt hatte.
Sie gab ein letztes Mal Schub und flog in die Mannschleuse ein, durchdrang einen Energieschirm und spürte, wie das künstliche Schwerefeld des Raumers sie erfasste. Behutsam setzte sie auf dem Boden auf. Die Vorstellung, den Helm öffnen und wieder normal atmen zu können, überwältigte sie geradezu.
Neben ihr landete Schlafner, lief ein paar Schritte und schloss zu ihr auf. Der TARA-Psi kam mit einem metallenen Scheppern zum Stehen.
»Seltsam«, sagte er mit seiner blechern klingenden Stimme.
Dancer achtete zuerst nicht auf ihn, gab sich ganz dem Gefühl der Geborgenheit hin, die das Schiff der KUTTBAYAR-Klasse vermittelte, obwohl es mit seinen 1500 Metern Durchmesser wahrlich nicht klein und heimelig anmutete. Sie ging weiter zu einem zweiten Energievorhang, durchquerte ihn und fühlte sich nun endgültig gerettet.
Ihr wäre lieber gewesen, wenn es ein Schiff von der Größe der BAILNOOD gewesen wäre. Auf so einem war sie schon einmal gewesen, da kannte sie sich ein wenig besser aus. Aber ihre Hypnoschulung würde ihr hoffentlich genug Informationen über die FONAGUR liefern, um sich einigermaßen zurechtzufinden.
Dann kehrte ihre Wachsamkeit schlagartig zurück. Sie konnte nur hoffen, dass die Kontrollen nicht allzu genau ausfallen würden, denn sie waren schließlich keine offiziellen Passagiere gewesen, wurden in keiner einzigen Liste geführt.
Andererseits ... warum sollten die Naats überhaupt Kontrollen vornehmen? Sie hatten gerade Besatzungsmitglieder eines zerstörten Raumschiffs gerettet. Es gehörte schon ein ordentliches Maß an Paranoia dazu, auch nur auf den Gedanken zu kommen, eine feindliche Macht würde solch eine Situation nutzen, um Spione einzuschleusen.
Die Terraner mochten so denken, und die Arkoniden erst recht, aber den Naats traute sie so etwas irgendwie nicht zu.
Dancer ging weiter, den breiten Gang entlang, der tiefer ins Innere des Schiffes führte, sah sich neugierig um. Mit jedem Schritt wurde ihr Unbehagen größer.
Etwas stimmte ganz und gar nicht. Wo blieb das Empfangskomitee? Wo waren die Naats, die sie zu ihrer Rettung beglückwünschten oder sie einer Untersuchung unterzogen, einem Verhör, die ihnen neue Quartiere zuwiesen oder sie zumindest in einer großen Halle zusammenpferchten?
Kein einziger Naat war zu sehen. Die FONAGUR schien völlig unbemannt zu sein.
»Was ist hier los?«, murmelte Dancer leise.
*
»Ich habe keine Erklärung anzubieten«, sagte der TARA-Psi. »Meine Ortungsinstrumente scheinen eingeschränkt oder gestört zu sein. Die Daten, die ich empfange, sind für mich nicht klar zu deuten. Aber ich gebe dir recht, Dimma Tatshu. Es scheinen keine Naats an Bord zu sein.«
»Das ist nicht möglich!«, widersprach Schlafner. »Ein Schiff dieser Größe kann nicht auf Autopilot fliegen!«
»Und dann so eine Rettungsmission umsetzen!«, pflichtete Dancer ihm bei. »Nein, das ist völlig unmöglich.«
»Was also ist hier passiert?«
»Gehen wir weiter«, schlug der TARA-Psi vor. »Finden wir es heraus!«
»Solch einen Enthusiasmus lobe ich mir!«, murmelte Dancer. Sie überlegte, ob sie die Waffe ziehen sollte, nahm dann aber Abstand davon. Vielleicht würden die Naats diese Geste falsch einschätzen ... falls es überhaupt Naats an Bord gab.
Andererseits: War es nicht ganz normal, in so einer unklaren Lage eine Waffe zu ziehen? Aber sie war keine Exo-Psychologin, eine Möglichkeit kam ihr genauso gut wie die andere vor. Sie wusste nicht, was sie tun sollte.
Hallten ihre Schritte im Gang, oder bildete sie sich das nur ein? Sie erreichten einen Antigravschacht, überprüften ihn. Er funktionierte.
Sie ließ sich von dem Feld erfassen und nach oben tragen.
Dancer wusste von der BAILNOOD her, dass die Antigravschächte der Naats extrem langsam beförderten, und hier war es nicht anders.
Das Schiff war riesig. Ihre Besorgnis wurde immer größer. Wohin sollte die Besatzung verschwunden sein, die das Schiff vor wenigen Minuten noch geflogen haben musste?
Was ist hier passiert?, dachte sie erneut.
Waren sie vom Regen in die Traufe geraten? Die BAILNOOD war untergegangen, wenn auch aus ganz anderen und zumindest nachvollziehbaren Gründen. Drohte dieses Schicksal auch der FONAGUR? Lag für die Naats ein Fluch auf der Bleisphäre, die schon ihre Heimatwelt unzugänglich gemacht, vielleicht sogar zerstört hatte?
Gerat nicht in Panik!, rief sie sich zur Ordnung. Sie war zwar keine Wissenschaftlerin, doch sie spürte, dass sie in einen Mystizismus abzugleiten drohte, der ihrem Weltbild völlig widersprach. Für das, was an diesem Ort geschah, musste es eine logische Erklärung geben, selbst wenn sie nicht die geringste Ahnung hatte, welche.
Sie verließen den Antigravschacht und folgten einem Gang. Falls die Schiffe der Naats nach identischen Bauplänen konstruiert waren, wie es bei denen der Terraner und Arkoniden der Fall war, konnte sie sich nicht an den Wegen orientieren, die sie in der BAILNOOD eingeschlagen hatten, doch die Hypnoschulung half ihr weiter. Wenn sie sich nicht völlig irrte, befand sich ganz in der Nähe eine große Mannschaftsmesse. An Bord des anderen Schiffes hatte sie versucht, dort die Naats mit ihren Smöcklaaf-Dosen für sich einzunehmen.
Die Tür glitt vor ihr auf, als wäre alles in bester Ordnung. Als würde neben ihr ein drei Meter großer Naat seine langen Arme ausstrecken, um sich Zutritt zur Messe zu verschaffen.
Sie betrat den großen Raum.
Schlafner folgte ihr neugierig, der TARA-Psi etwas zögernd, als rechnete er jede Sekunde mit einem Zwischenfall, der die trügerische Ruhe abrupt beenden und