Michael Marcus Thurner

Perry Rhodan 3067: Die Ägidenwelt


Скачать книгу

die FEEDRA BERGSON erreicht und entsiegelt habt, schickt sie Gustav einen Impuls, um eine stabile Funkbrücke herzustellen. Damit könnt ihr uns folgen. Einverstanden?«

      »Du hast an alles gedacht, wie?« Holonder nickte. »Eine letzte Frage noch.«

      »Ja?«

      »Was sind die Villanova-Terraner für dich? Selbstbestimmte Lebewesen? Hybridgeschöpfe? Mitglieder einer Zivilisation, die es nicht geben dürfte?«

img3.jpg

      Illustration: Dirk Schulz

      Tolot fühlte die Wut hochsteigen. »Du kennst die Geschichte meines eigenen Volkes«, grollte er. »Wir wurden in mehrfacher Weise missbraucht. Man züchtete uns, und man legte eine Krankheit in uns an, die über Jahrtausende hinweg wirksam würde.«

      Die Haluter-Pest. Sie hatte sein Volk beinahe ausgerottet. Die Erinnerungen daran waren noch sehr frisch. Er schob sie rasch wieder beiseite.

      »Verzeih die mangelnde Sensibilität meiner Frage«, sagte Holonder und verbeugte sich. »Für mich seid ihr Haluter nie etwas anderes als eine eigenständige Zivilisation gewesen. Nicht eure Herkunft, sondern eure Leben haben euch dazu gemacht.«

      »Ist schon gut, mein Kleines.« Der Zorn verzog sich, ein Gefühl der Wärme machte sich in ihm breit. »Um auf deine Frage zurückzukommen: Die Grenzen sind fließend, wie du weißt. Die Zain-Konstrukte und Posbis haben gewiss ganz andere Ansichten zu diesem Thema als du oder ich. On- und Noon-Quanten haben dafür gesorgt, dass sich unzählige Völker im Universum ausgebreitet haben. Der Kosmokrat Taurec hat das Leben in der Galaxis Truillau nach seinem Geschmack geformt. Die Cantaro der Milchstraße wurden von Monos geklont und geleitet, die Duplos der Meister der Insel waren Kopien anderer Wesen ...«

      Tolot brach ab. Er neigte zum Schwafeln, wenn die animalischen Instinkte der Drangwäsche nachließen und sein Beschützerinstinkt in den Vordergrund drängte. »Es gibt unzählige Mischformen und Abstufungen von selbstbestimmtem Leben. Ich werde nicht Richter spielen und sagen, dieses Volk verdient mehr Rechte als ein anderes. Lass mich die Villanova-Terraner auf der Ägidenwelt kennenlernen. Vielleicht habe ich danach eine bessere Antwort für dich.«

      Sie tauschten Positionsberechnungen und einige Kennungen aus, die es der RAS TSCHUBAI ermöglichen würden, die FEEDRA BERGSON aufzunehmen. Anschließend übertrug Tolot ein Datenkonvolut mit allen Informationen, die sie bislang zu den Villanova-Terranern zusammengestellt hatten.

      Gustav schaffte es, die Daten binnen weniger Minuten an Holonder zu übertragen. Tolot verabschiedete sich vom Kommandanten der RAS TSCHUBAI, gleich darauf brach die Verbindung ab.

      »Beherrsch dich gefälligst«, sagte Tolot zu sich selbst und sah dabei zu, wie einige kleine Roboter den Träger des Pults vor ihm wieselflink austauschten. Dies war nicht der erste Schaden, den er an Bord der FEEDRA BERGSON verursacht hatte.

      *

      Die verletzten und geretteten Villanova-Terraner unter dem Befehl von Talmon 6-Dorm setzten gemeinsam mit dem Haluter Tolot, dem Epsaler Onker Dou, dem Posbi Gustav und dem Zain-Konstrukt Annba von der FEEDRA BERGSON auf die 800 Meter durchmessende KAWA DANTROFF über. Sie nutzten ein Beiboot, das einer übergroßen Space-Jet glich. Die Steuereinheit mit ihren drei Arbeitsplätzen für den Piloten, den Funker und einen Waffenoffizier war kompakt und klein, im Heck reihte sich eine Kabine an die andere.

      Die KAWA DANTROFF war ein Kugelraumer mit einer leeren Ringnut, die unterschiedliche Module aufnehmen konnte. Das Metall der Außenhülle war schrundig, da und dort zeigten sich Spuren von Ausbesserungen. Die Villanova-Terraner legten wenig Wert auf Optik – oder hatten keine Zeit für ästhetische Korrekturen.

      Viele Villanova-Terraner waren begierig darauf, möglichst schnell wieder in den Einsatz zu gehen. Es hielt sie kaum in ihren Aufenthaltsräumen während des kurzen Transfers. Viel lieber trafen sie sich auf dem zentralen Gang und plapperten aufgeregt über die Situation im ewigen Kampf mit ihren Feinden.

      Die Flotte der Gataser hatte sich zwar vom aktuellen Brennpunkt zurückgezogen, aber es gab viele andere im Paliaga-Sternenarm. Die Jülziish kämpften gegen alles und jeden, der sich daranmachte, das All zu erobern – vor allem gegen die Villanova-Terraner.

      »Was hat es mit diesem Hass auf sich?«, fragte Tolot, dem das Privileg zugestanden worden war, in der Steuerzentrale zu bleiben – und die der einzige Raum war, in dem er nicht eingequetscht gewirkt hätte. »Warum gibt es keine Verständigung zwischen euch und ihnen?«

      »Wir sollen mit den Gatasern sprechen? Niemals!«, antwortete 6-Dorm entrüstet. »Sie zerstören Raumschiffe, sie verwüsten Planeten. Wir wehren uns und kommen den Planetenbewohnern zu Hilfe, so gut es geht.«

      »Habt ihr es schon einmal mit Verhandlungen probiert?«

      »Mit den Tellerköpfen?« 6-Dorm schnaubte verächtlich. »Du wirst kein vernünftiges Wort aus ihnen herausbekommen.«

      Tolot bemühte sich nicht weiter. Ideen wie Frieden oder Zusammenarbeit hatten in den Köpfen der Villanova-Terranern offenkundig keinen Platz. Die maschinellen Elemente in ihrem Gehirn hinderten sie daran.

      Den Gatasern ging es mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich. Sie kämpften, weil sie es nicht anders kannten. Es war ihnen vorgegeben, es war ihre Bestimmung.

      Das Beiboot glitt mittlerweile sanft in einen Hangar nördlich des Schiffsäquators der KAWA DANTROFF. Gleich nachdem sie aufgesetzt hatte, ertönte ein Signal. Die geretteten Raumfahrer stürmten durch die einzige Schleuse nach draußen. Manche sangen Lieder, die wehmütig, aber auch martialisch klangen.

      Tolot verstand nur einen Teil des Textes. Anscheinend hatten sich während der letzten Jahrhunderte Dialekte und Soziolekte ausgebildet.

      Tolot verließ als einer der Letzten die Space-Jet. Um durch die Schleuse ins Freie zu treten, musste er sich bücken. Das Erste, was er danach bemerkte, war der stechende Geruch nach Desinfektionsmittel.

      Onker Dou folgte ihm, Annba und Gustav verließen die Space-Jet mit einigem Respektabstand.

      Eine Terranerin, breit und groß gebaut, erwartete Tolot. Sie ging ihm einige Schritte entgegen und stellte sich dann abwartend hin, die Arme vor der Brust verschränkt.

      »Der legendäre Icho Tolot«, sagte sie mit leiser, eindringlicher Stimme. »Willkommen an Bord der KAWA DANTROFF.«

      »Flottenkommandantin, ich danke dir für die Gastfreundschaft und dass du bereit bist, uns zu eurer Heimatwelt zu bringen.« Tolot verbeugte sich.

      »Jaja, schon gut«, sagte 7-McNamara, ging auf ihn zu – und umarmte eines von Tolots Beinen. »Du hast keine Vorstellung davon, wie froh wir sind, dich zu sehen.«

      *

      Die Flottenkommandantin brachte sie in die Zentrale der KAWA DANTROFF. Unterschiede zu terranischen Ligaschiffen offenbarten sich erst im Detail. Die Arbeitstische waren um zwei bis drei Zentimeter höher, ebenso die Stufen, die zum Kommandantensessel führten.

      Das Licht des zentralen Holos blendete, die Schotten öffneten sich um zwei bis drei Zehntelsekunden schneller als jene auf der RAS TSCHUBAI, und die von 7-McNamara gereichten Brötchen waren versalzen.

      Tolot nahm nur eines, rein symbolisch. »Es hätte fünf- bis sechshundert Stück davon gebraucht, um mich satt zu bekommen«, erklärte er.

      7-McNamara lachte leise. »Wie dumm von mir. Hast du einen Wunsch? Sollen wir dir ein Rinderviertelchen grillen?«

      »Ich bin kein Ertruser. Mir reichen ein paar schöne Felsbrocken, aber auch jede andere Nahrung. Auf der Ägidenwelt wird es garantiert die eine oder andere Gelegenheit zum Essen geben. Schließlich sollen meine Begleiter und ich gewiss herumgereicht und -gezeigt werden, wenn ich meine Kleinen richtig kenne?«

      »Du bist ein Freund der Menschheit, das haben wir nicht vergessen. Die Nachricht von deiner Ankunft in der Villanova-Galaxis breitet sich wie ein Lauffeuer aus. Du wirst viel von der alten Heimat erzählen müssen.«