Christian Montillon

Perry Rhodan 2660: Die springenden Sterne


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Er hämmerte auf die Steuerung ein, schrie Befehle in die akustischen Sensoren – als könnten Lautstärke oder Vehemenz auch nur das Geringste an seiner fatalen Situation ändern.

      Dennoch bekam er die Maschine wieder unter seine Kontrolle.

      Aus dem Funkempfänger knirschte und rauschte es statisch. Sehr gut; wenigstens gab es kein Oraccameo-Geschwätz, das ihn ablenkte. Er lebte noch – und um dafür zu sorgen, dass es so blieb, musste er sich in höchstem Maß konzentrieren.

      Ramoz versank in den Steuerungsmechanismen, verschmolz geradezu mit dem Jäger, sah ihn als Teil seines Körpers, seines Lebens an. Und er wollte nicht sterben. Also akzeptierte er die Schwäche der Maschine.

      Der rechte Flügel hing in Fetzen, was das Manövrieren noch schwieriger werden ließ.

      Doch Ramoz hatte – das musste er zugeben – Glück. Es hätte schlimmer kommen können. Die Maschine gehorchte ihm.

      Er raste zwischen Asteroiden hindurch, bis er eine ruhigere Zone vor sich sah – tiefer in der Todeszone. Er entschied sich gegen seinen Überlebensinstinkt, der ihn ausgerechnet dort nicht hinfliegen lassen wollte.

      Alles in ihm drängte in die entgegengesetzte Richtung, zu den Rändern des Asteroidenschwarms und damit dem freien All. Die allermeisten hätten genau diesen Fehler begangen.

      Er nicht.

      Vielleicht hat Sajon recht, und es gibt die Hölle doch, dachte er. Wenn ja, dann lerne ich sie jetzt kennen. Und ich heiße sie willkommen!

      Ramoz sprengte den rechten Flügel komplett ab. Ein sauberer Bruch. Das Metallteil trudelte einen Lidschlag lang neben dem Mondsicheljäger, blieb dann zurück.

      Die Maschine flog dem Auge des Sturms entgegen. Die ruhigere Zone lag vor ihm, ein kleines Raumgebiet, in dem die zahllosen Asteroiden nicht ihren bizarren Bahnen folgten. Die Gesetzmäßigkeiten des Alls schlugen dort keine Kapriolen mehr.

      Ramoz steuerte hinein, und ihm blieb zum ersten Mal seit dem Unfall ein Augenblick der Ruhe.

      Er tastete über sein Gesicht, fühlte die flauschigen Härchen, die flache ... die gebrochene Nase. Er schrie unter der Berührung. Nun erst schmeckte er das Blut, das ihm über die Lippen rann.

      Doch das, was er sah, lenkte ihn von den Schmerzen ab.

      Vor ihm, im Zentrum der Stille, schwebte ein glitzerndes Etwas, ein funkelnder, riesiger Diamant aus Energie. Er leuchtete, und Ramoz sagte sich, dass dies nicht die Hölle sein konnte. Denn dort würde solche Schönheit niemals bestehen.

      1.

      Gegenwart:

      Mondra Diamond

      Mondra Diamond zweifelte an sich selbst.

      Hatte sie das Richtige getan? Oder den größten Fehler ihres Lebens begangen, als sie freiwillig im Kalten Raum zurückgeblieben war?

      MIKRU-JON war fort, unerreichbar, genau wie Perry Rhodan.

      Sie hingegen, Mondra, saß währenddessen mit Ramoz in einer unbestimmbaren, nach wie vor rätselhaften Anomalie fest.

      »Was ist mit dir?«, fragte ihr einziger Begleiter an Bord des fremden Schiffes im Kalten Raum. Der Dorn, der aus seinem Auge ragte, verströmte ein weißlich grelles, pulsierendes Licht, das unwirkliche Schatten auf sein Gesicht warf.

      Als würde er unter der Beleuchtung eines Leichenbeschauers liegen und auf seine Obduktion warten, durchfuhr es Mondra. Sie zögerte. Was sollte sie antworten? Wie ihm begreiflich machen, was sie fühlte?

      »Es ist nichts«, log sie schließlich. »Nur die Kälte.«

      Sie wusste selbst, dass es alles andere als überzeugend klang. Es war zwar kalt, aber noch vor Kurzem hatten wesentlich tiefere Temperaturen in diesem ... Geisterschiff geherrscht.

      Nur dass es sich nicht mehr um ein Geisterschiff handelte.

      Die Einheit gehörte zu einer geheimen Flotte, die offenbar vor Ewigkeiten in der Nähe einer grünen Sonne in einem hyperphysikalisch vom Normalraum abgetrennten Raum versteckt worden war. In einer Nische jenseits des Normalraums hatte sie in Stasis gelagert und darauf gewartet, dass die »Seele der Flotte« zurückkehrte. Sämtliche Schiffe waren tot gewesen – ohne Energie. Die Erschaffer des Verstecks hatten die ganze Flotte in eine Art Stasis versetzt.

      Ramoz galt als diese ominöse »Seele«, aber als die Flotte aus ihrer Stasis geweckt werden sollte, war nach Jahrtausenden des Wartens gerade genug Energie geblieben, um eine einzige Einheit wieder in Betrieb zu nehmen: In jener, in der sich seitdem Mondra und ihr Begleiter aufhielten, funktionierten inzwischen die Bordsysteme wieder.

      Nach Ramoz' Ankunft hätte sich dem Plan der geheimnisvollen Drahtzieher zufolge die gesamte Flotte aktivieren sollen. Doch die Energie, die nach all der Zeit noch vorhanden war, reichte dazu nicht mehr aus. Nach all den Ewigkeiten in Stasis war nur genug geblieben, ein einziges Schiff der tödlichen Kälte zu entreißen.

      Alle anderen Einheiten hingen noch immer antriebslos und dunkel in dem Kristallgestöber, das überall im Raum trieb. Zahllose Hyperkristalle hielten die hyperphysikalische Ebene des Verstecks stabil.

      Eine Art Schleuse führte inzwischen in den Normalraum; Nemo Partijan hatte sie geöffnet. Wie genau dem Wissenschaftler das gelungen war, entzog sich Mondras Kenntnis.

      Obwohl sie in den letzten Jahrzehnten einiges erlebt hatte, war sie nicht in der Lage, völlig zu durchschauen, was sich um sie herum in der Galaxis Chanda abspielte. Welche Bedeutung kam den Kristallen genau zu? Wie passte Ramoz in das Puzzle? Was lief auf hyperphysikalischer Ebene ab? Wieso hatten die Drahtzieher vor Ewigkeiten die Flotte überhaupt versteckt, und wann genau war das gewesen?

      Je länger sie nachdachte, umso mehr Fragen taten sich vor ihr auf; und umso mehr schalt sie sich selbst. Sie hatte zu spontan gehandelt, sich impulsiv entschieden, bei Ramoz zu bleiben, ohne die Folgen genau zu durchdenken.

      Aber nun gab es kein Zurück mehr.

      »Erzähl mir mehr«, bat sie. »Du bist die Seele der Flotte, derjenige, dessen Ankunft im Versteck seit Langem erwartet wurde!«

      Er wich ihrem Blick aus. Sein Augenlid flatterte – in der zweiten Augenhöhle irisierte weiterhin der metallische Dorn und schickte Lichtblitze durch den Raum. Der Anblick des robotischen Implantats übte auf Mondra eine bizarre Faszination aus.

      Das Leuchten wird ... stärker, dachte sie, und statt des letzten Wortes kam ihr noch ein anderes in den Sinn: schlimmer. Wie eine Krankheit, die den eigentlichen Ramoz auffraß.

      »Wer hat dieses Versteck erschaffen?«, fragte sie. »Waren es wirklich die Oracca?«

      Eine Holoprojektion hatte sich nach der Ankunft auf diesem Schiff mehrfach gemeldet, auch während des seltsamen Prüfungsvorgangs, bei dem Ramoz bewiesen hatte, dass er tatsächlich die erwartete Seele der Flotte war. Es hatte optisch eindeutig an einen Oracca erinnert, einen Angehörigen des uralten Volkes dieser Doppelgalaxis, dem Perry Rhodan beim Verzweifelten Widerstand begegnet war: ein dürrer, ausgemergelter, Kutten tragender Humanoide.

      »Oracca«, wiederholte ihr Gegenüber in nachdenklichem Tonfall und streckte beide Hände aus. Die Fingerspitzen zitterten. Die Härchen des orangefarbenen Flaums sträubten sich auf dem Unterarm. »Nein, nicht, ich ...«

      Er beugte sich zu ihr, packte sie an den Schultern. Die Spitze des Dorns stoppte erst kurz vor ihrem Auge. Mondra blinzelte, hielt sich mit Mühe davon ab, zurückzuzucken und ihn von sich zu stoßen.

      Er streichelte ihre Wange, fuhr mit dem Zeigefinger über ihre Lippen. Sie ließ es zu. Ihr Nacken kribbelte.

      »Oraccameo«, sagte er gedehnt, und sie glaubte, Abscheu und Verachtung aus diesem einen Wort herauszulesen.

      Seine Schultern bebten, als er vor ihr in die Knie brach und ihre Beine umklammerte, als wäre er wieder das kleine, luchsähnliche Wesen, als das sie zuerst auf ihn getroffen war.

      Das Haustier.

      »Du