Horst Hoffmann

Perry Rhodan 2323: Kinder der Erde


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Terra wird das anders sein, er weiß es. Er wird neu beginnen, und wer weiß – vielleicht findet er sogar noch einmal eine gute Frau. Ausgeschlossen wäre es nicht. Ogan hat ihm Bilder geschickt. Terese Dhatory ist attraktiv und außerdem eine gute Partie.

      Ganz neu anfangen, frei und im Schoß einer Familie – seit Joannas Tod hat er davon geträumt. Nun, so Gott es will, kann es sich endlich erfüllen. Für ein neues Leben, ein neues Glück ist er noch nicht zu alt. Und die Männer von Amabia, sagt man, sind gute Männer.

      Noch sieben lange Tage. Er wird sie zählen.

      2.

      29. Oktober 1344 NGZ

      Traitank 12.010.860

      Nicht nur im Solsystem wurde das ungewisse Warten zur Qual. Auch außerhalb, jenseits des TERRANOVA-Schirms, schleppten sich die Stunden dahin, sehnte man den Moment des Handelns herbei. Unterschiedlich war vor allem die Art, wie die Betroffenen mit der lähmenden Stasis umgingen.

      »Das ist Sabotage!«, tobte Zargodim. Die »linke Hälfte« des Dualen Vizekapitäns Zarmaur war außer sich. Ihr Schlangenkopf zuckte und drehte sich mit aufgerissenem Maul auf der breiten Schulter des Doppelwesens. Er stieß wilde Flüche aus und ließ seinen ungezügelten Aggressionen freien Lauf.

      Maurill, die »rechte Hälfte«, versuchte gelassen zu bleiben. Er kannte den anderen und wusste, dass er sich wieder beruhigen würde. Die Frage war lediglich, um welchen Preis. Dies war keine normale Situation und kein normales Spiel, das er verlor. Das lange Warten auf den Zeitpunkt X, bis zu dem ihnen auf höchsten Befehl hin die Hände gebunden waren, zerrte an den Nerven aller Besatzungsmitglieder an Bord des Kommandoschiffs, aber ganz besonders an denen des Dualen Vizekapitäns.

      Maurill, die albinotische Hälfte des Wesens, vermochte besser als der Mor'Daer mit der psychischen Belastung umzugehen. Wie lange sein Einfluss ausreichte, Zargodims überschäumenden Kampfwillen, seinen Aggressionsstau und seinen Hass in Schranken zu halten, wusste er allerdings nicht im Voraus. Auf jeden Fall würde es ein Opfer geben.

      Zargodim hatte beim Shago'Matha'Afaal verloren, bereits zum vierten Mal in vier Tagen, und diesmal, fürchtete Zarmaur, musste dafür jemand sterben. Er verabscheute es, wenn seine andere Hälfte, die »normale« mit dem »normalen« Aggressionspotenzial eines Mor'Daer, so war wie in diesem Moment, aber um ihn und die Lage unter Kontrolle zu halten, musste er wohl oder übel das Opfer in Kauf nehmen. Ganschkaren waren ersetzbar.

      Dennoch musste er zum Schein Widerstand leisten. Zarmaur bestand aus Zargodim und ihm, sie waren ein Dualwesen. Wenn er es dem anderen einmal gestattete, Oberwasser zu gewinnen, hatte er bereits verloren. Zargodim war skrupellos. Er würde auch ihn vernichten. Er hätte es längst getan, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte. Er hasste ihn, denn er war die Bremse seiner Wildheit, das Korrektiv, das allein den Dualen Vizekapitän berechenbar machte. Das war der Grund, warum seine Erschaffer Maurill und Zargodim verschmolzen hatten: um die Balance zu halten, die anderenfalls beständig in Gefahr wäre.

      Zarmaur tröstete sich mit dem Gedanken, dass es nur noch zwei Tage bis zum 1. November 1344 NGZ waren, bis zum vom Dualen Kapitän Zerberoff festgesetzten Termin des Generalangriffs auf das System der Terraner. Bis dahin würden auch die vor vier Tagen angeforderten zusätzlichen 178 Traitanks da sein, und gegen eine Streitmacht von insgesamt 242 Kriegsschiffen TRAITORS hatte der Schirm keine Chance.

      »Sabotage!« Zargodim zischelte wild. »Ohne die falschen Zahlen hätte ich dieses Spiel nie verloren! Ohne den falschen Berater! Fünftausend Schiffe! Ich wusste es! Diese terranischen Kreaturen haben zehnmal so viele!« Sein Kopf zuckte herum, schoss auf den in respektvoller Entfernung stehenden Ganschkaren zu. »Du hast mir die falschen Zahlen gegeben, Skartnal! Sonst hätte ich diese Partie gewonnen! Wäre dies kein Spiel, sondern Realität, hätten sie uns vernichtet! Wir wären alle tot! Der Feldzug verloren!« Der Schlangenkopf schnellte zu Zarmaur zurück. »Dafür stirbt er! Wir werden ihn beide bestrafen!«

      »Zügle dich«, riet ihm der Albino-Kopf.

      »Ich werde mich nicht zügeln!«, schnappte Zargodim. »Ich werde ihn töten, und du wirst mir dabei helfen!«

      »Dann lass ihn erschießen«, versetzte Maurill.

      »Er wird durch mich sterben!«, zischte Zargodim. »Durch uns, indem wir den Singulären Intellekt bilden und ihn die Endogene Qual auskosten lassen!«

      »Dazu bin ich nicht fähig«, musste Maurill ihn erinnern. »Das weißt du.«

      »Oh, natürlich«, höhnte der andere. »Du bist ja so gnädig und gut. Du kannst nicht durch deinen Geist töten – aber Lust bereiten! Endogenen Genuss! Und dieser Genuss tötet auch! Er tut es sogar noch besser! Worauf wartest du?«

      Maurill sah ein, dass er dieses »Opfer« bringen musste. Wenn die Verstärkung kam, musste Zarmaur als Vizekapitän handlungsfähig sein – und nicht gelähmt durch den Streit seiner beiden Egos. Das Solsystem war wichtig. Es würde fallen, daran gab es keinen Zweifel, doch es ging darum, seine Ressourcen möglichst zu schonen und zu übernehmen.

      Hätte nicht die Gefahr bestanden, durch einen ungezügelten Angriff aller 64 Traitanks das Planetensystem selbst in den Untergang zu werfen, der Systemschirm wäre längst vernichtet. Die zusätzlichen Raumer würden es ermöglichen, eine saubere Operation durchzuführen – den Schirm knacken und das System schonen. Und dazu brauchte Zarmaur einen – nein, zwei klare Köpfe.

      »Ich bin bereit«, sagte Maurill resigniert.

      Einen Augenblick später versetzte sich der Duale Vizekapitän in den Zustand des Singulären Intellekts. Beide Hälften bildeten einen trancehaften Verbund. Ihr Blick richtete sich auf den Ganschkaren, dem Zargodim die Schuld für seine Niederlage in einem strategischen Weltraumspiel gab, in dem das Chaos gegen die Ordnung kämpfte – diesmal jedoch nicht gegen blaue Kosmokratenwalzen, sondern gegen die Terraner und ihr Sonnensystem.

      Der dürre, vogelähnliche Techniker, fast zwei Meter groß, erstarrte, als er alle vier Augen seines Vorgesetzten auf sich gerichtet sah. »Nein, Herr!«, flehte er im Zurückweichen. »Das nicht! Bitte nicht das!«

      Es hatte keinen Sinn.

      Die psionischen Kräfte des Dualen Vizekapitäns erreichten ihn, hüllten ihn in ein Feld ungehemmter Beeinflussung, dem er nicht entrinnen konnte. Überall in der gewaltigen Zentrale des Traitanks hielten unterschiedliche Wesen inne und sahen zu, wie der Ganschkare langsam in die Knie sank. Seine Schreie erstarben und wichen Tönen der Verzückung. Sein Körper bäumte sich auf, zuckte, krümmte sich. Er stieß Laute aus, wie sie normalerweise nur Weibchen seines Volkes zu hören bekamen, sein Vogelgesicht verzerrte sich vor Lust und Genuss. Er begann zu lachen, irr und unheimlich, warf sich auf den Boden, drehte sich, wälzte sich in der unwirklichen Lust. Er badete darin, schwamm, schnappte nach Luft, zuckte in nie gekannter Ekstase.

      Der Duale Vizekapitän ließ in seinen Anstrengungen nicht nach. Maurill spürte, wie er selbst in einen Rausch hineingeriet, aber bei Zargodim war es zehnmal schlimmer. Zarmaurs »andere Hälfte« ließ sich mitreißen, die Lust, die er zum Ganschkaren hinüberschickte, schlug auf ihn selbst zurück. Er genoss es, den Techniker an dem von ihm und Maurill erzeugten Genuss verenden zu sehen wie ein vergiftetes Tier, das sich in seinen letzten, qualvollen Krämpfen wand. Er genoss die Schreie des unglücklichen Glücklichen, verdoppelte seine Anstrengungen, gab der vor Lust tollen Kreatur den Rest.

      Dann lag der Ganschkare für einen Augenblick starr wie vom Stromschlag getroffen – um in der nächsten Sekunde mit einem letzten, ekstatischen Röcheln zusammenzusinken und sich nicht mehr zu rühren.

      Maurill atmete heftig, aber sein Kopf war klar. Er drehte ihn und sah, dass Zargodim die Augen geschlossen hatte. Seine furchtbaren Aggressionen waren wie weggewischt, verweht mit dem Lebensgeist des Technikers, dessen schlaffer Leichnam bereits von zwei Mor'Daer davongetragen wurde, Futter für den nächsten Konverter.

      »Aaah!«, stieß Zargodim aus. Er hatte sich beruhigt – für den Augenblick. Maurill wusste, dass dies nicht lange anhalten würde. In wenigen Stunden schon würde er des Wartens wieder überdrüssig sein und neue Aggressionen