Rüdiger Schäfer

Perry Rhodan Neo 229: Die Schwarze Flut


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sich von dem Angriff nur mäßig beeindruckt. Für einen Moment war sie in eine flirrende Kristallwolke gehüllt. Dann schien sie aufzuleuchten. Die Mikrofragmente verglühten in rotem Feuer, zerfielen zu Staub und rieselten wie Asche zu Boden.

      Seltsam, dachte Rhodan. Funkgeräte, Flugaggregate und Waffen funktionieren nicht, doch unsere Individualschirme sind intakt. ...

      »Wir müssen da durch!« Atlan da Gonozal tauchte vor ihm auf. Er war nur schemenhaft zu erkennen, weil die umstehenden Bäume soeben ein paar neue Salven abfeuerten. Der Arkonide deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Waldrand.

      »Bist du verrückt?«, rief Rhodan. »Wir sollten lieber so schnell wie möglich verschwinden ...«

      Atlan packte ihn hart am Arm und zog Rhodan zu sich. »Wir können den Wald weder umgehen noch überfliegen. Also bleibt als einzige Möglichkeit, ihn zu durchqueren. Die Bäume stehen dort so dicht, dass sie sich gegenseitig behindern. Und Mirona und ich werden dich mit unseren Schirmen unterstützen. Los!«

      Rhodan ärgerte sich, dass er das alles nicht selbst sofort erkannt hatte. Der Arkonide hatte recht. Wenn sie sich zurückzogen, gewannen sie nichts. Im Gegenteil. Tatsächlich war in ihrer Situation das Innere des Walds der sicherste Ort. Dort hatten die Bäume erheblich weniger »Bewegungsfreiheit« und konnten ihre gefährliche Last nicht mehr ungehindert auf ihre Opfer schleudern.

      So viel zu der mir oft nachgesagten Fähigkeit des sofortigen Umschaltens, dachte er.

      Thetin und Atlan übernahmen die Führung; Rhodan setzte sich so dicht wie möglich hinter sie. Die Bäume am Waldrand schienen zu spüren, was sie vorhatten, denn sie verstärkten ihren Beschuss noch einmal. Das Trio musste sich durch eine Wand aus Kristallsplittern kämpfen. Rhodan war ziemlich sicher, dass sein eigener Schutzschirm diesem Ansturm nicht standgehalten hätte. Die Liduuri und der Arkonide hatten ihre Schirmblasen dagegen erweitert, sodass sie einander wechselseitig verstärkten und ihn mit einschlossen.

      Schritt um Schritt kamen sie der Baumgrenze näher. Rhodan hatte den Kopf gesenkt und stemmte sich gegen den Blizzard aus Kristallen. Es fühlte sich tatsächlich so an, als stecke er mitten in einem Schneesturm fest. Lediglich das übliche Heulen des Winds war durch das Zischen der in den Schutzschirmen vergehenden Kristallfragmente ersetzt worden.

      Sobald sie zwischen die Stämme des Walds eintauchten, ließen die Attacken augenblicklich nach und endeten nach wenigen weiteren Schritten komplett. Dennoch entschieden sie sich, die Anzüge geschlossen zu lassen. Keiner von ihnen wusste, welche Überraschungen die seltsamen Kristallgewächse außerdem noch in der Hinterhand hatten.

      Nun standen die Bäume so eng zusammen, dass sich ihre Kronen überlappten. Als Rhodan den Kopf in den Nacken legte, konnte er sehen, wie sie sich schwerfällig hin- und herbewegten. Dabei entstand offenbar ein gewisser Abrieb, der wie Schnee nach unten rieselte, ihnen jedoch nicht gefährlich werden konnte. Das Umgebungslicht hatte sich stark verringert. Dennoch glänzten und glitzerten die Kristallflocken wie Millionen von Diamanten. Unter anderen Umständen hätte Rhodan den Anblick genossen.

      Auch der Untergrund hatte sich verändert. Rhodan bemerkte eine zentimeterdicke Schicht aus Kristallstaub, in die seine Füße einsanken. Jeder Schritt erzeugte eine kleine Wolke aus aufstiebenden und auseinanderwirbelnden Teilchen, die sich nur langsam wieder absenkten.

      Weil zu wenig Platz war, um nebeneinander zu gehen, hatte sich Atlan an die Spitze gesetzt. Danach folgte Rhodan; Thetin bildete die Nachhut. Es war verrückt: Während sie im Gänsemarsch durch eine bizarre Kristallwelt stapften, die real existieren oder ein komplettes Phantasiegebilde sein mochte, kämpfte das Große Imperium im Arkonsystem wieder einmal um seine Existenz.

      Rhodan machte sich keine Illusionen. Wenn die Wolke aus Dunkelleben, die der Zeitbrunnen mit jeder Sekunde weiter vergrößerte, Arkon I erreichte, bedeutete das nicht nur den Zusammenbruch des Imperiums, sondern das Ende der politischen Stabilität in M 13. Es würde zu Unruhen und Aufständen kommen. In vielen arkonidischen Kolonien herrschte seit Langem Unzufriedenheit. Manche Systeme strebten schon seit Jahrzehnten nach Autarkie und lehnten sich gegen die imperiale Bevormundung auf. Der Untergang der Zentralwelt Arkon würde eine Kettenreaktion in Gang setzen und den schon eine halbe Ewigkeit schwelenden Konflikt endgültig eskalieren lassen – mit unkalkulierbaren Folgen für den gesamten Kugelsternhaufen.

      Auch die Menschen und anderen Zivilisationen in der näheren galaktischen Umgebung würden die Auswirkungen eines zerfallenden arkonidischen Imperiums zu spüren bekommen. Gonozal VII. war unberechenbar – Atlan übte zwar einen gewissen beruhigenden Einfluss auf seinen Vater aus, doch das garantierte nicht, dass der neue Imperator in einer Staatskrise keine Entscheidungen traf, die sich gegen die Erde und ihre Bewohner richteten.

      Viele der Kampfschiffe, die sich in diesen Stunden der Schwarzen Flut des Dunkellebens entgegenstellten, waren ursprünglich Teil der Invasionsflotte gewesen, die Gonozal VII. ins Solsystem hatte schicken wollen. Selbst falls ein Großteil von ihnen vernichtet werden sollte, würden mehr als genug übrig bleiben, um die Erde zu annektieren. Wenn die nebulöse, von Nathalie nur vage definierte Gefahr im Arkonsystem einen Ableger ihrer selbst – eine sogenannte Fraktur oder einen dunklen Intellekt – etablierte, gab es darauf in Mascudar da Gonozals Welt nur eine denkbare Antwort: den ultimaten Gegenangriff einer komplett mit Transformkanonen ausgerüsteten Kriegsflotte! Und an diese Waffen kam er aktuell nur über die lunare Hyperinpotronik NATHAN heran.

      Nach einer halben Stunde wurde der Wald lichter, doch sein Ende war weiterhin nicht in Sicht. Rhodan hielt vergeblich nach irgendwelchen Tieren Ausschau. Abgesehen von den milchig weißen Baumstämmen und den armlangen Halmen des bodennahen Buschwerks präsentierte sich die Umgebung ziemlich eintönig. Keine Vögel, keine Insekten, nichts.

      »Da vorn ist etwas ...« Atlan blieb stehen und streckte den Arm in Marschrichtung aus.

      Rhodan kniff die Augen zusammen, erspähte jedoch nichts Auffälliges. Auch als er seine Messinstrumente konsultierte, ändert sich daran nichts.

      »Was soll da sein?«, fragte er. »Meine Ortung sagt ...«

      »Vergiss deine Ortung«, fiel ihm der Arkonide ins Wort. »Die liefert schon keine sinnvollen Daten mehr, seit wir in diesen Zauberwald eingedrungen sind.«

      Rhodan fixierte einige Sekunden lang die Projektionen, die ihm die Positronik permanent auf die Innenseite seines Helms projizierte. Nun fiel ihm auf, dass sich die Ziffern nicht veränderten. Alle Werte blieben gleich. Das war praktisch unmöglich.

      Thetin trat neben Atlan, und der Arkonide legte automatisch seinen Arm um ihre Taille. Im herrschenden Zwielicht wirkten ihre Silhouetten wie von einem Weichzeichner bearbeitet, und mit dem nach wie vor durch die Luft tanzenden Kristallstaub hätte man die Szene direkt auf ein Werbeposter für eine jener kitschigen Holo-Schmonzetten bannen können, die vor einigen Jahren in vielen Ländern der Erde populär gewesen waren.

      »Siehst du die Lichtreflexe dort drüben?« Der Arkonide wies ihm die Richtung. »Direkt über dem Boden. Außerdem scheint da eine Art Lichtung zu sein.«

      Rhodan konnte nach wie vor nichts Ungewöhnliches entdecken. Entweder waren Atlans Augen deutlich besser als seine eigenen oder der Anzug seines Freunds verfügte über leistungsfähigere Instrumente.

      »Was es auch ist – wir sollten es uns näher ansehen«, schlug Thetin vor.

      »Oder einen großen Bogen darum machen«, widersprach Rhodan.

      Atlan sah sich um. »Wenn wir uns wenigstens halbwegs vernünftig verteidigen könnten«, sinnierte er. »Das Kristallzeug ist zwar spitz und scharfkantig, aber leider auch sehr spröde. Es taugt weder als Speer noch als Schwert.«

      »Nicht unbedingt die Waffen meiner Wahl«, sagte Rhodan.

      »Ganz im Gegensatz zu mir.« Atlan lächelte. »Am Hof des Sonnenkönigs war ich als einer der besten Degenfechter von Versailles bekannt. Weißt du, der alte Ludwig war keineswegs so schlecht, wie sein historischer Ruf vermuten lässt. Auf jeden Fall war er ziemlich trinkfest. Und wenn man wusste, wie man ihn zu nehmen hatte ...«

      »Deine Erinnerungen an dekadente Trinkgelage mit historischen