Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg


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Neu­burg ab­sch­lös­se, wor­auf je­ner, Her­zog Fried­rich von Würt­tem­berg, ohne Be­sin­nen ein­ging, um sich die bil­li­ge Er­wei­te­rung nicht ent­ge­hen zu las­sen. Auch wäre ihm das Neu­bur­ger Bünd­nis recht ge­we­sen, wenn nicht Neu­burgs Ver­fein­dung mit Kur­pfalz da­zwi­schen­ge­stan­den hät­te, dem Würt­tem­berg schon durch Ver­trä­ge ver­pflich­tet war. Wie nun die neu­bur­gi­schen Ge­sand­ten nach Stutt­gart ge­reist ka­men, um den Ver­trag ab­zu­schlie­ßen, an wel­chem Phil­ipp Au­gust viel ge­le­gen war, ent­wich Her­zog Fried­rich rasch auf sein Schloss Tü­bin­gen, und als sie ihm da­hin folg­ten, auf ein an­de­res, und so fort, bis sie es auf­ga­ben und un­ver­rich­te­ter Sa­che und sehr er­staunt nach Neu­burg zu­rück­kehr­ten.

      Mit der Feind­schaft zwi­schen Pfalz-Neu­burg und Kur­pfalz hat­te es fol­gen­de Be­wandt­nis: Bei der zu­neh­men­den Hin­fäl­lig­keit des Kur­fürs­ten Fried­rich muss­te man, da sein Sohn und Nach­fol­ger noch im kind­li­chen Al­ter stand, bei­zei­ten in Hei­del­berg an die Vor­mund­schaft den­ken, die nach al­ten Ver­trä­gen dem neu­bur­gi­schen Vet­ter zu­stand. Die Pfäl­zer hiel­ten es aber für be­denk­lich, da­durch dem Luther­tum eine Pfor­te zu öff­nen, und wand­ten sie dem re­for­mier­ten Her­zog von Zwei­brücken zu, mit dem Kur­pfalz oh­ne­hin im engs­ten Ein­ver­neh­men stand. Eine so ge­walt­sa­me Ver­kür­zung sei­ner Rech­te kränk­te den Her­zog von Neu­burg umso mehr, als er sich in der Tat Rech­nung dar­auf ge­macht hat­te, die­se Ge­le­gen­heit zur Aus­brei­tung des lu­the­ri­schen Be­kennt­nis­ses zu be­nut­zen.

      Au­ßer der Jagd und den Trink­fes­ten nah­men Lie­bes­sa­chen die Zeit Her­zog Fried­richs von Würt­tem­berg in An­spruch. Er hat­te meh­re­re Jah­re mit ei­nem ehe­ma­li­gen Hoffräu­lein sei­ner Frau ge­lebt, die ihm be­reits lang­wei­lig zu wer­den an­fing, als er die fünf­zehn­jäh­ri­ge Toch­ter ei­nes Sän­gers aus sei­ner Ka­pel­le sah, de­ren sprö­de Ju­gend ihn ent­zück­te und die zu vol­ler Blü­te an­zu­fa­chen er sich so­fort un­wi­der­steh­lich ge­trie­ben fühl­te. Mit der Ent­las­sung der bis­he­ri­gen Ge­lieb­ten wur­de der Hof­pre­di­ger be­traut, der sich denn auch seuf­zend an­schick­te, die Frau in Kennt­nis zu set­zen. Sie sol­le sich, riet er ihr, zu ih­rer Fa­mi­lie be­ge­ben oder sonst einen ent­le­ge­nen Ort wäh­len, wo sie in der Stil­le wei­len kön­ne; denn in der Nähe des Her­zogs sei ih­res Blei­bens nicht län­ger, ihre Ge­gen­wart sei ihm un­leid­lich, weil sie ihn an be­gan­ge­nes Un­recht er­in­ne­re. Es blei­be ihr so­mit nichts an­de­res üb­rig, als den Wil­len des Her­zogs zu re­spek­tie­ren und sich zu bes­sern.

      Die fas­sungs­lo­se Dame war den Ratschlä­gen und Vor­stel­lun­gen des Pre­di­gers nicht zu­gäng­lich und wuss­te sich den Zu­tritt zum Her­zog zu er­zwin­gen. Die­ser fing an mit kur­z­en, schnel­len Schrit­ten im Zim­mer auf und ab zu ge­hen und laut über ihr un­ge­hor­sa­mes, wi­der­spens­ti­ges, un­ar­ti­ges We­sen zu kla­gen. Un­mög­lich sei es, mit ei­nem sol­chen Wei­be zu le­ben, zu lan­ge schon habe er es er­tra­gen, an­statt ihm dank­bar zu sein, habe sie ihn un­glück­lich ge­macht; wenn er nicht schleu­nig von ihr be­freit wer­de, müs­se er zu­grun­de ge­hen. In­dem sie sich auf den Bo­den warf und sei­ne Füße um­schlang, er­in­ner­te sie ihn un­ter Trä­nen an sei­ne Lie­bes­schwü­re, ver­gan­ge­nes Glück und der­glei­chen, wie er an ei­nem lieb­li­chen Früh­lings­abend un­ter ei­nem blü­hen­den Birn­baum sie, die Ver­zag­te, an sich ge­zo­gen und sich ver­schwo­ren habe: die Zun­ge sol­le ihm ver­fau­len, wenn er je ein un­hol­des Wort zu ihr spre­che!

      »Ja«, schrie der Her­zog wü­tend, »da­mals lieb­te ich dich, und jetzt hast du mei­ne Lie­be ver­scherzt, das ist ein Un­ter­schied!« Wenn sie sich jetzt in an­stän­di­ger Ver­bor­gen­heit hal­ten und ihre Zun­ge hü­ten wol­le, fuhr er ru­hi­ger fort, wol­le er et­was für sie tun; füh­re sie aber fort, ihn zu er­zür­nen, so wer­de er sie ein­sper­ren und ge­büh­rend be­stra­fen.

      Nach­dem die­se Per­son be­sei­tigt war, er­hielt der Hof­pre­di­ger den Auf­trag, die Her­zo­gin da­von in Kennt­nis zu set­zen, was ihn ver­an­lass­te, den Her­zog mit vor­sich­ti­gem Au­gen­blin­zeln zu fra­gen, ob er etwa das neue Dirn­lein auch an­wei­sen müs­se. Der Her­zog zog zu­erst die Brau­en zu­sam­men, schlug dann aber ein lau­tes Ge­läch­ter auf und sag­te, nein, dar­auf ver­ste­he er sich bes­ser.

      Die Her­zo­gin, eine Prin­zes­sin von An­halt, sah ih­ren Ge­mahl nur noch sel­ten. Sie be­schäf­tig­te sich da­mit, in der Bi­bel zu le­sen und Stücke dar­aus, die sie be­son­ders lieb­te, in fran­zö­si­sche Spra­che zu über­tra­gen. Bei­nah täg­lich emp­fing sie den Be­such des Hof­pre­di­gers, mit dem sie sich über theo­lo­gi­sche Fra­gen un­ter­hielt und von dem sie über die Vor­gän­ge am Hof und im Lan­de un­ter­rich­tet wur­de. Als er ihr von der Ver­ab­schie­dung der letz­ten Ge­lieb­ten ih­res Man­nes Mit­tei­lung mach­te und zu­gleich ihre Mild­tä­tig­keit für die Ver­sto­ße­ne in An­spruch nahm, be­merk­te er, dass das blas­se Ge­sicht der Her­zo­gin sich rö­te­te und den Aus­druck hof­fen­der Er­war­tung kaum zu­rück­hal­ten konn­te. Er be­trach­te­te sie ver­wun­dert und schwieg eine Wei­le in großer Ver­le­gen­heit, wäh­rend er sich mit ei­nem Tüch­lein den Schweiß von der Stirn wisch­te. Dann er­wähn­te er be­hut­sam das klei­ne Mäd­chen, das die Auf­merk­sam­keit des Her­zogs er­regt habe und für des­sen Zu­kunft er vä­ter­lich sor­gen wol­le, wes­we­gen es in der Nähe des Schlos­ses ein­quar­tiert sei. Die Au­gen der Her­zo­gin er­lo­schen wie­der, und sie sag­te, sich auf ihr ehe­ma­li­ges Hoffräu­lein be­zie­hend, sie wol­le sie gern nach ih­rem ge­rin­gen Ver­mö­gen un­ter­stüt­zen, wenn ihre El­tern es nicht tä­ten. »Ich habe es ihr vor­aus­ge­sagt«, fuhr sie fort, »dass es so kom­men wür­de, denn ich kann­te mei­nen Herrn. Sie stand ein we­nig be­schämt vor mir, aber doch sah ich, wie glück­lich und wie stolz und ei­gen­sin­nig sie war, und konn­te von ih­rem Ge­sicht, das wie Ap­fel­blü­ten leuch­te­te, ab­le­sen, was sie dach­te: ›Du kennst ihn nicht, du Arm­se­li­ge! Du frei­lich ver­magst ihn nicht zu fes­seln! Kei­ne ver­möch­te es! Aber ich, ich! Mich, die Al­ler­lieb­lichs­te, wird er nie­mals ver­las­sen!‹ – Es ist nur Gott«, setz­te die Her­zo­gin ge­dan­ken­voll hin­zu, »der uns nie­mals ent­täuscht, weil er die Voll­kom­men­heit ist. Aber un­se­re See­le, die der nied­ri­gen Erde ver­wach­sen ist, er­reicht den Him­mel nicht im­mer.«

      »Das Ge­bet, das lie­be Ge­bet trägt uns hin­auf«, sag­te der Pfar­rer und fing an, al­ler­lei ku­rio­se Ge­schich­ten von der Wun­der­wir­kung des Ge­be­tes zu er­zäh­len, wo­mit er die Her­zo­gin schließ­lich so­gar zum La­chen brach­te.

      Ei­nes Vor­mit­tags trat in die Apo­the­ke ein in Pelz­werk und einen bun­ten Kaftan wun­der­lich ge­klei­de­ter Mann, der An­ti­mon, Mer­kur und Flos fer­ri zu kau­fen ver­lang­te und um Er­laub­nis bat, in ir­gend­ei­nem Ne­ben­raum der Apo­the­ke ei­ni­ge Ver­su­che da­mit ma­chen zu dür­fen. Er be­dien­te sich da­bei der la­tei­ni­schen Spra­che, die er mit deut­schen, fremd­ar­tig aus­ge­spro­che­nen Wör­tern ver­meng­te. Der Apo­the­ker, der in dem Man­ne so­fort einen Adep­ten er­kann­te, ant­wor­te­te zö­gernd, das Gold­ma­chen, wor­auf er au­gen­schein­lich aus­ge­he, sei im Würt­tem­ber­gi­schen eine wei­taus­se­hen­de, ge­fähr­li­che Sa­che, die al­ler­lei Un­ver­mu­te­tes nach sich zu zie­hen pfle­ge. Er selbst sei auch in der Wis­sen­schaft nicht un­er­fah­ren, hiel­te aber die Hän­de da­von und rie­te auch dem Frem­den, sei­ne Kennt­nis­se als ein vor­sich­ti­ger Mann ge­heim­zu­hal­ten. Es wa­ren un­ter­des­sen