Julia Fellinger

Fettnäpfchenführer Norwegen


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Schleudergefahr

      Nicht schlecht: Schon beim ersten Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung bietet Stefan gleich mal Sex an. Knulle (Knülle gesprochen) ist die volkstümliche Bezeichnung für den Beischlaf. Wir können uns nicht vorstellen, dass er das gemeint haben könnte. Ein wunderschönes Beispiel aber dafür, dass man vorsichtig mit der norwegischen Sprache umgehen und sie als das nehmen sollte, was sie für uns Deutsche ist: eine Fremdsprache.

      Das heißt, dass man sie, wenn schon nicht wenigstens in Grundzügen erlernt, so doch mit gebührendem Respekt behandeln sollte. Die gemeinsamen germanischen Wurzeln verführen deutsche Ohren schnell dazu, Norwegisch als niedlich, komisch, vielleicht sogar ein bisschen altertümlich abzutun. Dies ist neben dem Irrtum, dass Deutsche oft meinen, man werde sie schon »irgendwie verstehen« dort oben, der zweite geläufige Fehler. Letzteres ist vielleicht früher mal der Fall gewesen, als Norwegen noch von den Deutschen besetzt war (1940–1945), oder etwa in den 60er Jahren, als ein Großteil der norwegischen Studenten sich in deutschen Universitäten wie Kiel, Tübingen und Erlangen einschrieb. Heute ist die englische Sprache selbstverständliche Fremdsprache, und die Bereitschaft, weitere Sprachen dazuzulernen, sinkt von Schuljahr zu Schuljahr. Offizielle Stellen, Medien und nicht zuletzt die Wirtschaft beklagen das stetige Schwinden der deutschen Sprache, schließlich ist Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner neben Schweden. Immer mehr junge Norweger verlassen sich bei ihren Fremdsprachenkenntnissen fast ausschließlich aufs Englische. Das bekommen sie zwar nicht direkt mit der Muttermilch, aber immerhin ohne großen Aufwand im täglichen Leben durchs Fernsehen vermittelt, denn wie in Deutschland dominieren auch hier die zahlreichen Filme und TV-Serien aus den USA, mit einem Unterschied: Die Filme sind nicht synchronisiert und werden in Originalsprache mit Untertiteln gesendet.

      Vielleicht mag es Ihnen aber ein Ansporn sein, dass gerade Deutsche die norwegische Sprache schnell erlernen können. Die Grammatik hat den überschaubaren Umfang eines SPD-Parteiprogramms, der norwegische Wortschatz ist übersichtlich und dasselbe Wort kann mit unterschiedlicher Bedeutung mehrfach verwendet werden, wie etwa das Wort blad (Zeitschrift, Blatt, Messerklinge). Vorsicht aber vor falschen Freunden! Wenn der Norweger zum Beispiel irritert ist, dann ist er meistens sauer. Auch sonst haben Sie ganz schnell ein Schaf auf dem Teller, obwohl Sie eine sau bestellt haben, geben dem kleinen Baby die Titte, obwohl sie eigentlich die pupp meinten, und laufen beim Wort titte rot an, obwohl sie doch nur mal gucken sollten.

      Eine kleine Übersicht der interessantesten »falschen Freunde«:

Norwegisch Deutsch
bier Bienen
flott toll
fløte Sahne
fort schnell
gang mal
gammel alt (aber nicht gammelig)
kinn Wange
kiste Sarg
å leie mieten (nicht: ausleihen)
sau Schaf
puppe Busen
pute Kissen
rente Zinsen
steg Schritt
stund Weile
øl Bier

       Tempo drosseln!

      Ihnen an dieser Stelle so auf en, to, tre Norwegisch beizubringen, würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Zum richtigen Erlernen der Sprache bietet Ihnen die nächstgelegene Volkshochschule die umfassenderen Grundlagen. Es soll Ihnen aber die Gelegenheit gegeben werden, mit ein paar einführenden Hilfestellungen einen Zugang zu bekommen, der Ihnen die ersten Schritte im hohen Norden erleichtern soll. Und wer weiß: Vielleicht bekommen Sie dadurch Geschmack, dieser Sprache ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

      Genau genommen handelt es sich beim Norwegischen nicht um eine einzelne Sprache, sondern um eine Zusammenführung von zahlreichen Dialekten. Der Einfachheit halber beschränkt sich die Schriftsprache auf zwei Formen, nämlich bokmål (Buchsprache) und nynorsk (Neunorwegisch). Während sich erstere aus der dänischen Hochsprache entwickelte, ist letztere vor allem in der Schriftsprache ein Konstrukt eines sprachverliebten Nationalisten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ivar Aasen schaute den Leuten auf den Bergen und an den Fjorden auf den Mund und entwickelte aus den unterschiedlichen Dialekten eine eigene Sprachform. In den Schulen werden heute beide Sprachformen unterrichtet, auch wenn geografisch der Westen und Norden eher nynorsk, der Süden und Osten dagegen eher bokmål spricht. Und auch wenn heutzutage nur noch etwa 10 Prozent Norweger nynorsk sprechen, so lösen die beiden Sprachen vor allem Verwirrung bei der Rechtschreibung aus und machen es den Schülern schwer, ihre Muttersprache gründlich und korrekt zu erlernen. Das Ergebnis sind unterschiedliche Schreibvarianten eines Wortes und immer wieder ein Aufschreien in den Medien, man möge doch endlich die Rechtschreibung reformieren. Das Wunderbare im Land der Dialekte ist allerdings, dass hier jeder redet, wie ihm sprichwörtlich der Schnabel gewachsen ist. Niemand käme hier auf die Idee, seinen Dialekt abzulegen, weil ein anderer schicker ist oder er schlechter verstanden wird. Das fördert eine unglaubliche Sprachtoleranz unter den Norwegern: Ihnen kommt es in erster Linie darauf an, dass sie verstehen, was sie sagen wollen. Dass sie ihre Sprache korrekt sprechen (wie etwa bei den Franzosen) ist dagegen zweitrangig. Übrigens haben wir uns in der Schreibweise von norwegischen Formulierungen auf die norwegische Form beschränkt und werden im Folgenden alles in der üblichen Kleinschreibung wiedergeben. Abgesehen von Namen und Eigennamen wird in Norwegen nämlich alles kleingeschrieben.

      Neben den beiden Schriftsprachen, die es den Ausländern beim Erlernen der Sprache oft nicht einfacher machen, entlehnt das Norwegische allerdings auch zahlreiche Wörter aus dem Deutschen oder Englischen. Das Wort gammel zum Beispiel bedeutet alt, auch wenn es (wie bereits erwähnt) in unseren Ohren eher etwas veraltet klingt. Ein pub, also eine Kneipe, spricht man allerdings auf Norwegisch wie Pöp aus. Ähnlich ist es mit dem Wort country, das man wie Köntry aussprechen würde. Deshalb ist es unumgänglich, an dieser Stelle die Aussprache, vor allem der Vokale, genauer zu betrachten. Eine kleine Liste soll hier eine entsprechende Übersicht bieten:

• Å gesprochen O
• Æ gesprochen Ä
• Ø gesprochen