Was können Sie besser machen?
Die korrekte Wortwahl beim Thema Ureinwohner ist nicht unwichtig, wenn man es sich mit niemandem verscherzen will. Mit aboriginal people/autochtones sind alle Ureinwohner gemeint, auch die Inuit und Métis. Die First Nations/premières nations bilden die größte Gruppe davon.
Am wichtigsten ist es, Respekt zu zeigen. Die First Nations freuen sich, wenn man sich für ihre Geschichte interessiert. In den Reservaten ist meistens nicht viel zu sehen – man sollte sie sich nicht wie ein Indianerdorf bei den Karl-May-Festspielen vorstellen! Jedoch kann man diese in Museen besichtigen. 300 Kilometer östlich der Hafenstadt Prince Rupert gibt es beispielsweise das Fort St. James, wo ein Indianerdorf, das Carrier Indian Village, besucht werden kann. Möchte man eine intensivere Begegnung, organisieren Reiseveranstalter Treffen mit Mitgliedern der First Nations, zum Beispiel in Tsal’alh, British Columbia, einem Indianerdorf am Seton Lake. In Ottawa gibt es das hervorragende Musée canadien des civilisations. Dort wird die Geschichte Kanadas in all ihren Facetten beleuchtet. In der First People Hall erfährt man mehr zum Thema Ureinwohner.
Einen Tagesausflug von Calgary entfernt liegt das größte Freilichtmuseum, das im Besitz eines Stammes der First Nations ist. Im Blackfoot Crossing Historical Park und im dazugehörigen Museum kann man mehr über die Lebensweise der Blackfoot Nation erfahren.
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WOZU BRAUCHT MAN SCHON FENSTER?
DEUTSCHE STANDARDS UND KANADISCHER LEICHTBAU
55, 56, 57 ... weit kann es nicht mehr sein. Der nette junge Mann am Telefon namens Guillaume hat von der Hausnummer 68 gesprochen, wenn Mareike ihn richtig verstanden hat. Es ist bereits Mitte August, die Hitze liegt nach wie vor wie eine Käseglocke über Montréal und Mareike wohnt nun bald schon vier Wochen bei Maude. Eigentlich hat sie nur zwei Wochen dort bleiben wollen, aber dann ist es doch zu bequem gewesen. Langsam sehnt sich Mareike nach der Nähe zur Innenstadt, sodass sie nun auf der Suche nach einer netten WG in einem der angesagtesten Stadtteile von Montréal ist: dem Plateau-Mont-Royal.
Maude hat sie morgens auf dem Weg zur Arbeit an der U-Bahn-Station Mont Royal abgesetzt und etwas amüsiert beäugt, als Mareike ihr die Hausnummer nannte. »Vergiss nicht, dass wir in Amerika sind!«, hat sie Mareike noch hinterhergerufen und ist davon gebraust. Mareike macht es nichts aus, ein bisschen zu laufen. Und so weit kann es ja nun auch wieder nicht sein.
Mareike wandert eine der parallel verlaufenden Straße hinauf Richtung Norden. Hier sieht es ganz anders aus als in der Innenstadt oder draußen bei Maude. Zwei- bis dreistöckige niedliche Häuser reihen sich aneinander, jedes in einer anderen Farbe, manche sogar in Türkis, Gelb, Blau oder Rot. Und alle haben sie schmiedeeiserne Wendeltreppen an der Vorderfront, die in das zweite Stockwerk führen. Vor manchen Häusern stehen krumme Skulpturen, bei anderen sind kleine Kunstwerke an der Fassade angebracht worden. Viele junge Eltern mit ihren Kindern kommen Mareike entgegen, manche sogar auf dem Rad. Was für ein schönes Viertel! Hier fühlt sich Mareike sofort wohl.
Zehn Minuten später steht sie vor einem schicken Altbaugebäude und klingelt bei der Wohnung mit der Nummer 68. Niemand da. Auch auf das zweite und dritte Klingeln reagiert niemand. Am besten ruft sie den Typen einfach noch mal an. Ob sie hier eine Telefonzelle findet? Was für ein Glück: An der nächsten Straßenecke steht eine. Und auf der anderen Straßenseite gleich noch eine. So ein Zufall. Doch, Mist – sie hat nur noch 50 Cent im Portemonnaie. Damit wird sie nicht weit kommen. Als Guillaume ans Telefon geht, versucht Mareike, so schnell es ihr Französisch erlaubt, Guillaume die Situation zu erklären.
»Aber es ist niemand vor meiner Tür. Bist du sicher, dass du vor der 1068 stehst?«, wundert sich Guillaume.
Oh nein. Mareike hat sich mit der Hausnummer vertan.
»Ich bin schon unterwegs!«, ruft sie und legt schnell auf, bevor sie das Gespräch noch mehr kostet.
Eine geschlagene Stunde später steht sie völlig außer Atem und mit wunden Füßen vor der Nummer 1068. Nanu, das ist ja eine Wohnung im ersten Stock. Hat Guillaume nicht vom zweiten Stock gesprochen? Gespannt steigt sie die Wendeltreppe hinauf.
Was für eine mutige Idee, draußen Wendeltreppen anzubringen. Bei dem Winter, den die Kanadier angeblich haben! Einen Moment passt sie nicht auf und rutscht an der Stelle, wo die Stufen besonders schmal sind, beinahe ab. Sie kann sich gerade noch am klapprigen Geländer festhalten. Wie peinlich. Jetzt bricht sie sich auch noch fast den Hals.
Guillaume empfängt sie mit einem Küsschen auf jeder Wange und führt sie durch die Wohnung.
»Das Zimmer in der Mitte ist meins. Du kannst gerne das mit dem Fenster haben, es ist allerdings etwas teurer.«
Mareike traut ihren Augen nicht.
»Wie – hast du etwa kein Fenster?!«
»Ja, das macht aber nichts. Ich bin ohnehin meistens in der Uni.«
Erstaunt folgt Mareike ihm in ihr potenzielles Zimmer. Es hat einen schönen Holzfußboden und ein großes Fenster zur Straße. Sie sucht nach dem Fenstergriff, um es zu öffnen, kann aber keinen finden. Guillaume schaut ihr belustigt zu und kommt ihr schließlich zur Hilfe. Locker schiebt er das Fenster nach oben, wobei es beinahe aus den Angeln fliegt.
»Das Haus ist alt, man muss überall ein wenig aufpassen.«
Mareike schaut sich den Rest der Wohnung an und fühlt sich auf Anhieb wohl. Es ist zwar alles sehr anders als in Deutschland, aber ganz heimelig, die Wände sind in bunten Farben gestrichen. Sie klopft einmal gegen die Wand ihres Zimmers, um zu schauen, wie dick sie ist, und ist überrascht, als sich die Wand ganz hohl anhört. Eine Tapete ist auch nicht drauf. Das kann ja nicht besonders schalldicht sein. Und Guillaume ist zwar ganz nett, aber ein bisschen komisch findet sie ihn schon, wenn er in einem Zimmer ohne Fenster wohnt ...
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Mareike hat die amerikanischen Entfernungen vollkommen unterschätzt, was Maude anscheinend schon geahnt hat. Als die nordamerikanischen Städte geplant wurden, hat man sie in einem einfachen Schachbrettmuster gestaltet. Anders als in Europa haben sich die Städte also nicht auf natürliche Weise Stück für Stück und daher kreuz und quer entwickelt, sondern sind weitaus klarer strukturiert. Dies hat auch sehr lange Straßen zur Folge, manchmal geht es von einem Ende der Stadt zum anderen schnurstracks geradeaus.
Mareike musste von der Hausnummer 68 bis zur 1068 laufen – das ist ganz schön weit und kann leicht eine Stunde dauern.
Telefonzellen gibt es an fast jeder Straßenecke, also weit mehr als bei uns. Was Mareike nicht wusste: Ein Anruf kostet 50 Cent, egal wie lange er dauert, zumindest bei Gesprächen innerhalb derselben Stadt. Sie hätte so lange telefonieren können, wie sie möchte, und sich gar nicht so hetzen müssen.
Guillaume hat sich bei den Stockwerken nicht etwa vertan, sie werden in Nordamerika nur anders gezählt. Das Erdgeschoss ist Stockwerk Nummer eins, unser erster Stock wäre dort der zweite und so weiter. Die Bausubstanz der kanadischen Häuser ist etwas leichter als bei uns, nicht zuletzt weil sie auch erheblich günstiger sind. Gerade die Häuser auf dem Montréaler Plateau sind zum Teil besonders alt und nicht immer gut renoviert. Da kann es schon mal passieren, dass einem die Türklinke entgegenspringt, ein Fenster mehr Luft durchzulassen scheint, wenn es geschlossen ist, als wenn es geöffnet ist, und man durch die Wände jeden Mucks hört. Besonders in den Altbauten sind die Wohnungen oft lange Schläuche, sodass die Zimmer in der Mitte automatisch kein Fenster haben. Das ist völlig legal. Fenster öffnen sich meistens, indem man sie nach oben schiebt. Die modernere Variante hat Kurbeln, mit denen man sie nach außen aufkurbelt. Wände sind oft aus Rigips, ohne Tapeten, aber dafür mit einer schön glatten Oberfläche, die sich einfach streichen lässt. Unter anderem deswegen