Imad Mustafa

Herrschaft der Angst


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von Walther Rathenau ausgewirkt hat?

      Das Jahr 1932 markiert einen weiteren Schritt zur Demontage der bürgerlichen Rechtsordnung – ganz »legal«. Man könnte auch sagen: die bürgerliche Regierung mit dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg machte im Kleinen das vor, was dann die NSDAP (mit den Deutschnationalen zusammen) 1933 im Großen vollzog.

      Reichspräsident Paul von Hindenburg verfügte am 20. Juni 1932 auf Grundlage des besagten Artikel 48 der Weimarer Verfassung die Absetzung der gewählten preußischen Regierung und setzte als »Reichskommissar« Reichskanzler Franz von Papen ein. Man könnte meinen und annehmen, dass die SPD-Regierung in Preußen das nicht tatenlos hinnahm. Den Worten nach wollte sie jedenfalls »nicht der Gewalt« weichen. Das wäre durchaus möglich gewesen, denn ihr hätte sowohl die preußische Polizei, also etwa 16.000 gut bewaffnete Polizisten, als auch eine kampfbereite Arbeiterschaft zur Seite gestanden. Statt auf die Straße zu gehen, »ging« sie nach Leipzig, um dort vor dem Staatsgerichtshof Klage gegen die Absetzung einzureichen. Ein Monat später bekam sie die Quittung: Eine einstweilige Anordnung, den Erlass Hindenburgs zurückzunehmen, wurde vom Staatsgerichtshof abgelehnt. Vier Monate später, am 25. Oktober 1932, wurde in der Hauptsache entschieden. Laut dieses Urteils war die Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juni 1932 »zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet des Landes Preußen« mit der Reichsverfassung vereinbar.

      Man kann rückblickend ganz sicher sagen, dass dies der erste Probelauf dafür war, die SPD auszuschalten, nicht nur mit Hilfe von Ermächtigungen, sondern auch mithilfe des Legalismus der SPD selbst.

      Dass die SPD buchstäblich an ihrer eigenen Beerdigung mitwirkte, dass sie politisch nicht im Geringsten bereit war, die Notverordnungen als ein Sortiment von Sargnägeln zu begreifen, macht eine andere Stimme deutlich. Sebastian Haffner war damals angehender Jurist und aus großbürgerlichem Hause. Er bezeichnete sich selbst als konservativ und verteilte seine Ablehnung gleichmäßig auf Faschisten und Kommunisten. Umso bemerkenswerter sind seine Beobachtungen zur Politik der bürgerlichen Parteien, die bis 1933 die Weimarer Republik prägten. In seinem Buch »Geschichte eines Deutschen. Erinnerungen 1914−1933« führt er zur Brüning-Ära aus:

      Dass sich die SPD mehr an die (schwindende) Macht klammerte, als an die Weimarer Verfassung, die den kaiserlichen Obrigkeitsstaat hinter sich lassen sollte, ist erschütternd. Aber es ist vielleicht auch »logisch«: Wenn man selbst an der Aushebelung von Grund- und Freiheitsrechten mitwirkt, wie am »Gesetz zum Schutz der Republik« 1922, dann kann man die Guillotinierung von Grundrechten nicht anprangern, nur, weil der eigene Kopf darunterliegt.

      Schaut man – ausschnittsweise – auf diese Geschichte der Notverordnungen und Ausnahmezustände zurück, so lässt sich ganz sicher eines resümieren: Die bürgerlichen Parteien, einschließlich der SPD, taten alles, um diese Verfassung in einem Maße zu demolieren, dass es nur noch ein kleiner Schritt war, sie zu verschrotten. Die Verfassungsfeinde saßen von Anfang an in der Regierung.

      Ermächtigungsgesetz – »Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich« vom 24. März 1933

      Auch diese »Ermächtigung« brauchte einen Anlass und hatte ihn gefunden: Den Reichstagsbrand, der in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 gelegt wurde. Am Tatort wurde Marinus van der Lubbe festgenommen. Ohne jegliche Beweise und Möglichkeiten der Überprüfung von Mutmaßungen wurden »die Kommunisten« für diesen Anschlag verantwortlich gemacht.

      Ob dieser Anschlag der NSDAP gerade recht kam oder ihr eigenes Werk war, spielt hier keine Rolle. Tatsache ist, der Anschlag kam wie gerufen. Denn danach lief alles wie am Schnürchen, Hand in Hand zwischen bürgerlichen und faschistischen Fraktionen. Für das, was im wahrsten Sinn des Wortes passieren konnte, ist also nicht nur die NSDAP verantwortlich, sondern auch alle bürgerlichen Parteien, die der NSDAP die Wünsche von den Lippen ablasen.

      Der Brand war noch nicht gelöscht, da nutzte der Reichspräsident zum x-ten Mal den § 48 der Weimarer Verfassung und erließ die »Verordnung zum Schutz von Volk und Staat« (Reichstagsbrandverordnung). Damit wurden die Grundrechte der Weimarer Verfassung de facto außer Kraft gesetzt.

      In dieser entscheidenden Phase der Weimarer Republik bildete die NSDAP mit den Deutschnationalen (DNVP) eine Minderheitsregierung. In ihr war alles vertreten, was die NSDAP zu einem faschistischen Ideologiemix zusammenfasste: Monarchistische, völkische, deutschnationale, reaktionäre und militaristische