weg sind“, dachte ich, „mache ich mich auch aus dem Staub.“
Inzwischen hing die Leine immer tiefer durch unter dem Gewicht neuer Wäschestücke. Insbesondere von einem sehr schweren.
„Oh, die ist aber wirklich wunderschön! Wo kommt die her?“
„Die ist von meiner Oma“, antwortete Maria. „Schau was für schöne Hand-Stickereien. Heutzutage werden solch schöne Decken nicht mehr hergestellt. Sie hat sie mir zu unserer Verlobung geschenkt.“
„Bewahre sie gut auf, wer weiß wie viel sie wert ist.“
Je mehr ich diese Wörter hörte, desto mehr wurde ich eifersüchtig und unruhig. Es war doch nicht der Schatz von Ali Baba. Sie fuhren fort, dieser Decke ein Loblied zu singen. Sie war vielleicht schön, aber sie war nicht halb so alt und wertvoll wie ich.
„Lass sie mich anfassen. Oh, wie sie sich zart und fein anfühlt.“
„Ich habe sie separat gewaschen, mit lauwarmem Wasser und Weichspüler. Ich wollte nicht dass sie kaputt geht. ...“
Ich konnte diesen Blödsinn nicht mehr ertragen. Ich fing an, um mich zu schlagen, um mich von diesen verhassten Wäscheklammern zu befreien. Der Wäscheständer mitsamt allen Wäschestücken fing durch mein aufgeregtes Herumschlagen an zu wackeln. Einige Socken flogen auf den Boden. Meine Aufgeregtheit wurde auch noch durch eine Reihe unerwarteter Windstöße begünstigt. Während die beiden Frauen damit beschäftigt waren, die heruntergefallenen Teile aufzuheben und weiteren Schaden zu verhindern, befreite ich mich von der ersten Wäscheklammer und begann mit meiner freien Seite wiederholt auf die daneben hängende Decke der Oma einzudreschen. Mit zwei oder drei gezielten Schlägen schaffte ich es, deren Schwerpunkt zu verschieben, bis diese anfing langsam und unerbittlich - trotz der Bemühungen von Maria - hinunterzugleiten. Zu meiner großen Genugtuung sanken die beiden Frauen eng aneinander geklammert auf den Boden der Terrasse. Die eine blieb nicht ganz unbeschadet und die andere war verärgert, dass sie manche Wäschestücke nochmals waschen musste.
Letztendlich konnte ich mich von der anderen Wäscheklammer befreien und flog hoch hinauf, wo ich die Situation gut überschauen konnte. Ein schönes Schauspiel.
Von unten verfolgten mich die Blicke der zwei Frauen mit Besorgnis. Nicht unbedingt meines Schicksals wegen, sondern aufgrund meiner Flugbahn. Ich suchte mir den besten Fluchtweg und glitt langsam die angepeilte Richtung hinunter. Ich wollte für immer anderswohin verschwinden.
Jemand klingelte an der Haustür von Maria.
„Wer ist da?“
„Ich bin die Nachbarin von unten. Ich habe einen Teppich auf meinem Balkon gefunden. Ich dachte er könnte Ihnen gehören.“
Maria überwand ihr anfängliches Misstrauen und öffnete die Tür.
„Er ist in meinen Pflanzen hängen geblieben. Ich dachte, er sei von Ihrem Balkon gefallen. Ich weiß doch wie kleine Kinder sind. Sobald man einen Moment abgelenkt ist ...“
Maria war sprachlos. „Ja, das ist tatsächlich meiner. Aber wie konnte er bei Ihnen landen? Stellen Sie sich vor, er ist mir von der Gemeinschaftsterrasse gefallen!“
„Wie auch immer, auf jeden Fall Kompliment. Das ist wirklich ein schöner Teppich. Er scheint antik zu sein, es ist wahrscheinlich ein Perserteppich, und er hat ein wunderschönes Muster.“
„Sie haben recht, wissen Sie. Bis vor kurzem war er derart schmutzig, dass man kaum etwas darauf erkennen konnte. Stellen Sie sich vor, bei meiner Oma hatte er im Gäste-WC gelegen.“
„Wirklich?!“
„In der Tat würde er viel besser ins Wohnzimmer oder in den Eingangsbereich passen. Apropos, warum kommen Sie nicht einen Moment rein? Kann ich Ihnen vielleicht etwas anbieten?“
Die zwei Frauen plauderten eine gute halbe Stunde miteinander. Ziemlich lang, wenn man bedenkt, dass sie sich nur flüchtig kannten. Einen Großteil der Zeit verbrachten sie damit zu überlegen, welches der beste Platz für einen derart kostbaren Teppich sei. Sicherlich nicht das Gäste-WC, und auch nicht das Kinderzimmer - man weiß ja nie was das Kind damit anstellen könnte. Und dann ist auch wichtig, von welcher Seite das Licht auf den Teppich scheint, damit der schillernde Effekt zur Geltung kommt. Und er sollte nicht zu nahe an der Eingangstüre liegen, damit man ihn nicht mit einem Fußabstreifer verwechselt. Im Gegenteil, man sollte möglichst gar nicht auf ihn treten, weil er durch zu vieles Waschen kaputt gehen könnte.
Die Nachbarin schien sich gut auszukennen und sie gab Maria auch ein paar Tipps für das richtige Waschen und Reinigen des Teppichs. Tief im Herzen wünschte sie sich vielleicht, dass der Teppich nicht von einem der oberen Balkone, sondern vom Himmel gefallen wäre, dann hätte sie ihn behalten können. Stattdessen gab sie sich mit einer guten Tasse Tee zufrieden und damit, dass sie einer ihr unbekannten Person ihre Fachkenntnisse und ihre Ehrlichkeit beweisen konnte.
Ich hatte eine Dummheit begangen und ich hatte eine Strafe verdient. Und dann war ich auch etwas staubig geworden. Demnach war es in Ordnung, dass man mir mit dem Teppichklopfer anständig den Hintern versohlte. Nachdem, was diese Frau gesagt hatte, machte es wirklich keinen Sinn mich nochmals zu waschen. (Eine echte Kennerin: Vielleicht hätte ich es bei ihr besser gehabt.)
Jedoch hatte ich eine Menge Komplimente bekommen und bekomme sie jedes Mal, wenn neuer Besuch kommt.
Das Einzige, was mir leid tut ist, dass ich nicht mehr so viele Möglichkeiten habe mit Giorgio zu spielen. Dies aus verschiedenen Gründen, zunächst einmal, weil sie ihn selten ins Wohnzimmer gehen lassen und dann, weil oft Tischfüße auf mir stehen. Naja, diese Maßnahme hatten sie ergriffen, nachdem sie mich ein paar Mal erwischten, wie ich in seinem Zimmer mit ihm spielte. Aber unsere Zuneigung und die Lust zusammen zu spielen haben sich nicht geändert.
Was die Decke der Oma betrifft, die für so schön gehalten wurde, habe ich nichts mehr gehört und habe auch keine Gelegenheit gehabt, sie zu sehen oder zu treffen. Wobei, jetzt wo auch meine Schönheit erkannt wird, habe ich keinen Grund mehr eifersüchtig zu sein.
DER GEIST IM FEDERHALTER
Der Lieferwagen stand jetzt leer vor der Halle und wir brachten gerade die letzten Kartons hinein.
Es war schon kurz vor Sonnenuntergang. Filippo, mein Sohn Alfredo und ich waren verschwitzt und verstaubt nach diesem anstrengenden Nachmittag. Zuerst kam die Entrümpelung des Dachbodens eines alten Wohnhauses, das zwar nur wenige Stockwerke, aber hohe Decken und keinen Aufzug hatte. Dann das Beladen des hierfür viel zu kleinen Lieferwagens, zuerst mit den Möbeln, dann mit den Kisten und Kartons. Aber mit viel Geduld und Erfahrung gelingt das richtige Beladen immer, vor allem dann, wenn man unnötige, zusätzliche Fahrten vermeiden möchte, da diese Tag für Tag immer mehr der Überquerung eines unruhigen Meeres ähneln. Zum Schluss wurden die Möbel in der Halle nebenan abgeladen (MOBILVecchi Armando snc) und der Rest bei uns.
„Eigentlich wäre ich schon viel zu alt für diese anstrengende Arbeit, die ich jedoch bereits seit vielen Jahren mit Ausdauer verrichtet habe. Zum Glück ist mein Sohn Alfredo jetzt groß und stark und die Lust am Arbeiten fehlt ihm nicht. Noch dazu studiert er Rechnungswesen und das kann sehr hilfreich sein für die Leitung einer kleinen Firma; auch wenn - wie man so schön sagt - ein paar Gramm Praxis mehr wert sind als eine Tonne Theorie.“
Die Sonne ging unter. Aber an diesem Abend, während ich diese Gedanken hatte, sah ich auch einen kleinen Sonnenuntergang in meinem Leben. Ich fühlte, dass ich Alfredo etwas mehr hinterlassen müsste. Ich wollte ihm als Ersten und Einzigen die Geheimnisse meiner Arbeit verraten. Letztendlich war er ja bereits jetzt und für die Zukunft die Stütze der Firma und auf mich würde man bald ja auch nicht mehr viel zählen können.
Nachdem ich Filippo gegeben hatte, was ihm zustand und ihn entlassen hatte (mit Herrn Vecchi hatte ich bereits abgerechnet), wollte ich Alfredo zurückhalten. Ich wusste, dass er schmutzig und verschwitzt war, sich auf eine Dusche freute und sich ausruhen wollte. Ich wusste auch, dass er vielleicht mit den Hausaufgaben und dem Lernen im Rückstand war und dass er am nächsten Tag in der Schule wegen seiner mangelhaften Leistung getadelt werden würde.